Anmer­kung zu: OLG Stutt­gart, Urteil vom 09.02.2016, Az.: 10 U 137/15

Eine baye­ri­sche Gemein­de führ­te ein Bau­vor­ha­ben durch. Hier­für bewer­ben sich im Rah­men eines VOF-Ver­fah­rens die „A+B Freie Archi­tek­ten“ als GbR. Die Gesell­schaf­ter die­ser GbR sind bei­de auch Geschäfts­füh­rer der „A + B GmbH“. Der Gemein­de­rat beschließt, den Auf­trag der GbR zu ertei­len. Dar­auf­hin unter­zeich­net der 1. Bür­ger­meis­ter einen von der GmbH über­sand­ten Archi­tek­ten­ver­trag, in dem die GmbH als AN aus­ge­wie­sen ist. Die GmbH sen­det den Ver­trag nach Gegen­zeich­nung zurück. Als es zum Streit kommt, beschließt der Gemein­de­rat, den vom 1. Bür­ger­meis­ter unter­zeich­ne­ten Archi­tek­ten­ver­trag nicht im Nach­hin­ein zu genehmigen. 

Ent­schei­dung:

Der Archi­tek­ten­ver­trag zwi­schen der Gemein­de und der GmbH ist unwirk­sam. Dar­an ändert auch die Ver­trags­un­ter­zeich­nung durch den 1. Bür­ger­meis­ter nichts, da der Rats­be­schluss sich auf die GbR und nicht auf die GmbH bezo­gen hat. Schon aus ver­ga­be­recht­li­chen Grün­den hät­te der 1. Bür­ger­meis­ter den Ver­trag nur mit der GbR abschlie­ßen dür­fen. Er war auch kom­mu­nal­ver­fas­sungs­recht­lich nicht dazu berech­tigt, einen Ver­trag mit der GmbH zu schlie­ßen. In Bay­ern hängt die dem 1. Bür­ger­meis­ter ein­ge­räum­te Ver­tre­tungs­macht von einem ent­spre­chen­den Gemein­de­rats- oder Aus­schuss­be­schluss ab. Eine ande­re Aus­le­gung aus Grün­den der Rechts­si­cher­heit oder zum Schutz des Ver­trags­part­ners einer Gemein­de ist nicht gebo­ten. Der Ver­trags­part­ner kann vom 1. Bür­ger­meis­ter den Nach­weis der Befug­nis zur Vor­nah­me des betref­fen­den Geschäfts ver­lan­gen. Es ist vor­lie­gend der Gemein­de auch nicht nach Treu und Glau­ben ver­sagt, sich auf die Unwirk­sam­keit des Ver­trags­ab­schlus­ses zu beru­fen, da die GmbH wuss­te, dass sie am VOF-Ver­fah­ren nicht betei­ligt war. Ein mög­li­ches Ver­trau­en der GmbH sei auch nicht schutzwürdig.

Hin­weis:

Pla­ner und Bau­un­ter­neh­mer, die mit baye­ri­schen Gemein­den Ver­trä­ge schlie­ßen, müs­sen die­se Rechts­la­ge ken­nen und gege­be­nen­falls vom 1. Bür­ger­meis­ter oder einem ande­ren Ver­tre­ter der Gemein­de den Nach­weis ver­lan­gen, dass die­se zur Vor­nah­me des betref­fen­den Geschäfts befugt sind.

 

Anmer­kung zu: OLG Dres­den, Urteil vom 02.02.2016, Az.: 6 O 1271/15

Der AG beauf­tragt den AN unter Ein­be­zie­hung der VOB/ mit der Lie­fe­rung und dem Ein­bau von zwei Schließ­an­la­gen (Insas­sen- und Tech­nik­schließ­an­la­ge) in eine JVA. Nach Ein­bau und Abnah­me gelang es Gefan­ge­nen, die Schließ­zy­lin­der mit Mani­pu­la­ti­ons­werk­zeu­gen (Kugel­schrei­ber­bü­geln) zu öff­nen. Der AG for­der­te den AN erfolg­los zur Man­gel­be­sei­ti­gung auf und ließ die Schließ­an­la­ge schließ­lich im Wege der Ersatz­vor­nah­me aus­tau­schen. Er ver­langt nun die Kos­ten der Ersatzvornahme.

Ohne Erfolg!

Der Sach­ver­stän­di­ge hat zwar fest­ge­stellt, dass bei­den Schließ­an­la­gen die nach DIN 18252 not­wen­di­ge Para­zen­tri­zi­tät feh­le. Die Ersatz­an­sprü­che schei­tern aber dar­an, dass die­ser Man­gel nicht ursäch­lich für die Mani­pu­la­ti­ons­mög­lich­kei­ten sei. Eine Mani­pu­la­ti­on z.B. durch Kugel­schrei­ber­bü­gel sei — so der Sach­ver­stän­di­ge — auch bei Vor­han­den­sein der Para­zen­tri­zi­tät nicht zu ver­hin­dern. Ein Man­gel der Schließ­an­la­ge lie­ge also nicht dar­in, dass die­se bezo­gen auf die not­wen­di­ge Funk­tio­na­li­tät nicht geeig­net sei. Der AN habe auch unter Berück­sich­ti­gung des Ein­satz­or­tes ohne beson­de­re Ver­ein­ba­rung kei­ne Schließ­an­la­ge mit beson­de­ren sicher­heits­re­le­van­ten Funk­tio­nen anbie­ten müs­sen. Außer­dem habe der AG dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ein „Bohr- und Zeh­schutz“ nicht gefor­dert wäre, sodass der AN nicht mit beson­de­ren Vor­keh­run­gen gegen Mani­pu­la­ti­on rech­nen musste.

Hin­weis:

Die Argu­men­ta­ti­on des OLG Dres­den zwei­fel­haft. Es stel­len sich fol­gen­de Fragen:

1. Wie­so ist bei Ein­satz in einer JVA nicht grund­sätz­lich immer ein beson­de­rer Schutz vor Mani­pu­la­tio­nen durch Gefan­ge­ne erfor­der­lich?
2. Ein Ver­stoß gegen die Beden­ken­hin­weis­pflicht begrün­det nicht die Haf­tung des AN. Haf­tungs­grund ist allei­ne der Man­gel. Das Erfül­len der Beden­ken­hin­weis­pflicht lässt die Haf­tung entfallen.

Anmer­kung zu: OLG Karls­ru­he, Urteil vom 15.01.2016, Az: 19 U 133/14

Die Erwer­be­rin (E) erwirbt vom Bau­trä­ger (BT) Son­der­ei­gen­tum. E wünscht an-stel­le der vor­ge­se­he­nen Radia­to­ren­hei­zung eine Fuß­bo­den­hei­zung. Der Nach-unter­neh­mer des BT führt die Fuß­bo­den­hei­zung aus und rech­net den Auf­preis für die­se direkt gegen­über E ab.

Die E lei­tet ein selbst­stän­di­ges Beweis­ver­fah­ren ein, weil das Wohn­haus nicht aus­rei­chend beheizt wer­den kann. Ein Sach­ver­stän­di­ger stellt einen ent­spre­chen-den Man­gel fest und emp­fiehlt u.a. den Ein­bau von Raum­ther­mo­sta­ten. Der BT ist der Auf­fas­sung, dass er nicht für die von sei­nem Nach­un­ter­neh­mer ver­ur­sach­ten Aus­füh­rungs­feh­ler ver­ant­wort­lich ist. Zwi­schen E und sei­nem Nach­un­ter­neh­mer sei ein selbst­stän­di­ger „Son­der­wunsch­ver­trag“ geschlos­sen. Dies war zwi­schen den Par­tei­en unstreitig.

Der Rechts­auf­fas­sung des BT wider­spricht das OLG Karlsruhe.

Den BT trifft als Sach­wal­ter gegen­über der E eine Koor­di­nie­rungs­pflicht. Selbst bei eigen­stän­di­gen Ver­trä­gen zwi­schen den Erwer­bern und den aus­füh­ren­den Unter-neh­men ist der Bau­trä­ger ver­pflich­tet, sicher zu stel­len, dass sich der Son­der-wunsch in das Gesamt­kon­zept stö­rungs­frei ein­fügt. Den BT traf hier eine Über-prü­fungs­pflicht und ggf. die Pflicht zur Anwei­sung in pla­ne­ri­scher Hin­sicht. Der BT muss für das stö­rungs­freie Funk­tio­nie­ren bei­der Bestand­tei­le im Rah­men des Gesamt­wer­kes sorgen.

In der Pra­xis wird dies häu­fig über­se­hen. Der Bau­trä­ger muss mit­hin auch die Son­der­wün­sche sei­ner Erwer­ber, deren grund­sätz­li­che Rea­li­sier­bar­keit und deren tat­säch­li­che Aus­füh­rung über­wa­chen, um sei­ner Koor­di­nie­rungs­pflicht nachzukommen.

 

Anmer­kung zu: VOB-Stel­le Nie­der­sach­sen, Ent­schei­dung vom 06.01.2016 — Fall 1746

Der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) mit Mauer‑, Stahl­be­ton- und Ver­blend­ar­bei­ten. Hier­zu war die Stel­lung von Gerüs­ten erfor­der­lich. Die zeit­li­che Rei­hen­fol­ge der aus­zu­füh­ren­den Leis­tung konn­te der AN selbst bestim­men. Er führ­te die Ver­blend- und Stahl­be­ton­ar­bei­ten an den Decken par­al­lel aus. Des­halb wur­de zur Absturz­si­che­rung eine Gerüst­ver­brei­te­rung benö­tigt. Laut LV waren alle Gerüs­te wäh­rend der Bau­zeit vom AN bei­zu­stel­len. Das LV ent­hielt auch eine eige­ne Posi­ti­on für Gerüs­te über 2 m Arbeits­hö­he. Der AN macht nun­mehr zusätz­li­che Kos­ten für die Gerüst­ver­brei­te­rung als Nach­trag gel­tend. Zu Recht?

Nein, der hat AN kei­nen Zusatz­ver­gü­tungs­an­spruch. Die VOB-Stel­le stützt sich im Wesent­li­chen auf Abschnitt 4.1.2 der DIN 18330 für Mau­er­ar­bei­ten. Danach ist das Auf­bau­en und Vor­hal­ten der für die eige­ne Leis­tung not­wen­di­gen Gerüs­te eine ver­trag­lich geschul­de­te und somit nicht zusätz­lich zu ver­gü­ten­de Neben­leis­tung. Hier­zu gehört auch jed­we­de erfor­der­li­che Absturz­si­che­rung. Des Wei­te­ren wird Abschnitt 4.1.4 der DIN 18299 zu Schutz- und Sicher­heits­maß­nah­men aus den staat­li­chen und berufs­ge­nos­sen­schaft­li­chen Regel­wer­ken zum Arbeits­schutz her­an­ge­zo­gen. Die Ein­hal­tung die­ser Regeln schul­det der AN eben­falls als Neben­leis­tung. Auch hier­zu zählt die Absturz­si­che­rung. Ergän­zend wird die Ent­schei­dung damit begrün­det, dass der AN sei­nen Bau­ab­lauf auch anders hät­te orga­ni­sie­ren kön­nen. Wären die Ver­blend- und Stahl­be­ton­ar­bei­ten zeit­lich nach­ein­an­der aus­ge­führt wor­den, wäre eine Gerüst­ver­brei­te­rung nicht erfor­der­lich gewesen.