Anmer­kung zu: OLG Köln, Beschluss vom 27.01.2014, Az. 11 U 217/12 BGH, Beschluss vom 18.01.2017, Az. VII ZR 30/14 (Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zurückgewiesen)

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) auf der Grund­la­ge der VOB/B mit Flie­ßen-und Kunst­stein­ar­bei­ten. Der AG bean­stan­det Farb­ab­wei­chun­gen. Er begrün­det dies damit, dass der AN das ver­ein­bar­te Bau­ma­te­ri­al von einem ande­ren Lie­fe­ran­ten als ver­ein­bart bezo­gen hat. Der AG erteilt dem AN ein Bau­stel­len­ver­bot. Nach Frist­set­zung und Kün­di­gungs­an­dro­hung kün­digt der AN nach Frist­ab­lauf den Bau­ver­trag und klagt Rest­werk­lohn und ent­gan­ge­nen Gewinn ein. Der Sach­ver­stän­di­ge stellt kei­ne rele­van­ten Farb­ab­wei­chun­gen fest. Das Land­ge­richt gibt der Werk­lohn­kla­ge statt. Der AG legt hier­ge­gen Beru­fung ein. 

Die Beru­fung hat kei­nen Erfolg. Der AN hat das ver­ein­bar­te Bau­ma­te­ri­al ver­wen­det. Es liegt kein Man­gel dar­in, dass der AN das ver­ein­bar­te Bau­ma­te­ri­al bei einem ande­ren Lie­fe­ran­ten als ver­ein­bart beschafft hat. Der AG konn­te letzt­lich nicht nach­wei­sen, dass als ver­trag­li­che Beschaf­fen­heit tat­säch­lich der Bezug des bestimm­ten Bau­ma­te­ri­als bei einem bestimm­ten Lie­fe­ran­ten ver­ein­bart war. 

Hin­weis:

Die Ent­schei­dung stellt eine Ein­zel­fall­ent­schei­dung dar. Es ist letzt­lich Aus­le­gungs­fra­ge, was die Par­tei­en als ver­trag­li­che Beschaf­fen­heit ver­ein­bart haben. Dies­be­züg­lich kann tat­säch­lich die Ver­wen­dung einer ganz bestimm­ten Mate­ri­al­char­ge und / oder der Bezug bei einem bestimm­ten Lie­fe­ran­ten ver­ein­bart wer­den. Dies ist vor allem bei Natur­pro­duk­ten rele­vant, bei denen das opti­sche Erschei­nungs­bild Schwan­kun­gen unter­liegt. Solan­ge die Unter­schie­de in der natür­li­chen Schwan­kungs­brei­te lie­gen, liegt in der Regel kein Man­gel vor. Gera­de in die­sen Fäl­len ist es rat­sam, die Ver­wen­dung einer ganz bestimm­ten Mate­ri­al­char­ge als ver­trag­li­che Beschaf­fen­heit zu ver­ein­ba­ren. Wenn dann Mate­ri­al vom glei­chen Her­stel­ler einer ande­ren Char­ge gelie­fert wird, dürf­te eine Pflicht­ver­let­zung und ein Man­gel vorliegen.

 

Anmer­kung zu: OLG Saar­brü­cken, Urteil vom 12.01.2017, Az. 4 U 4/15

Der AN soll Est­rich­ar­bei­ten erbrin­gen. Die VOB/B sind in das Ver­trags­ver­hält­nis ein­be­zo­gen. Es tre­ten Män­gel auf und der AG for­dert den AN unter Frist­set­zung zur Man­gel­be­sei­ti­gung auf, ohne aller­dings die Kün­di­gung anzu­dro­hen. Nach­dem der AN mit der Man­gel­be­sei­ti­gung in Ver­zug gerät, lässt der AG die Män­gel besei­ti­gen, ohne den Ver­trag zu kün­di­gen. Anschlie­ßend ver­klagt der AG den AN auf Scha­den­er­satz. Nach Auf­rech­nung gegen eine Rest­for­de­rung des AN ver­langt der AG noch rund 65.000,00 €, wovon das Land­ge­richt rund 37.000,00 € zuspricht. Bei­de Par­tei­en gehen in Beru­fung. Zur Beru­fungs­ver­hand­lung erscheint kei­ne der Par­tei­en. Mit dem Archi­tek­ten ver­gleicht sich der AG und erklärt Erle­di­gung zur Haupt­sa­che. Das OLG muss daher noch über die Kos­ten ent­schei­den und meint, dass der Ver­fah­rens­aus­gang unge­wiss gewe­sen sei und legt des­halb dem AG und dem AN die Kos­ten je zur Hälf­te auf.

Der Ver­fah­rens­aus­gang, so das OLG, sei von der Klä­rung einer schwie­ri­gen Rechts­fra­ge abhängig.

Die Ent­schei­dung ist falsch!

Die Kos­ten­ent­schei­dung hät­te zu Las­ten des AG aus­fal­len müs­sen. Im Ver­trags­sta­di­um rich­ten sich Män­gel­an­sprü­che aus­schließ­lich nach § 4 Abs. 7 VOB/B. § 13 VOB/B ist im Sta­di­um vor Abnah­me nicht anwend­bar. Da der AG die Män­gel besei­tigt hat, ohne vor­her den Ver­trag mit dem AN zu kün­di­gen, hat er (ein­deu­tig) kei­nen Anspruch auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten.

Anmer­kung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Im vor­ste­hend geschil­der­ten Fall hat­te der AN nach Auf­tre­ten der Unter­bre­chung wegen der Insol­venz des Vor­un­ter­neh­mers den AG auf­ge­for­dert, ihm zur Fer­tig­stel­lung sei­ner Leis­tung ein bau­rei­fes Grund­stück zur Ver­fü­gung zu stel­len. Er droh­te die Kün­di­gung des Bau­ver­tra­ges an. Der AG teil­te mit, dass die Bau­ar­bei­ten nicht vor dem 4. Quar­tal des Jah­res 2014 wie­der auf­ge­nom­men wer­den kön­nen. Der AN setz­te Nach­frist bis zum 30.11.2012. Am 27.11.2012 kün­dig­te der AG den Bau­ver­trag gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B. Der AN ver­tritt im Fol­gen­den die Auf­fas­sung, es lie­ge eine sog. freie Auf­trag­ge­ber­kün­di­gung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B vor und macht Ver­gü­tung für nicht erbrach­te Leis­tun­gen gel­tend. Er ver­weist zur Begrün­dung auf eine angeb­li­che AGB-Wid­rig­keit des § 6 Abs. 7 VOB/B.

Die Kla­ge hat kei­nen Erfolg. Der AN kann ledig­lich die aus­ge­führ­ten Leis­tun­gen abrech­nen und gemäß vor­ste­hen­der Dar­le­gung die ver­zugs­be­ding­ten Mehr­kos­ten verlangen.

Das Gericht stellt fest, dass die Kün­di­gung kei­ne freie Kün­di­gung nach § 8 Abs. 1 VOB/B ist, son­dern eine Kün­di­gung wegen Unter­bre­chung gem. § 6 Abs. 7 VOB/B. Die­se Vor­schrift hält einer AGB-Kon­trol­le auch stand. Im Gegen­satz zur ent­spre­chen­den Vor­schrift in § 645 BGB hat der AN im Rah­men eines VOB/B‑Vertrages Anspruch auf ent­gan­ge­nen Gewinn nur bei Vor­satz oder gro­ber Fahr­läs­sig­keit. Die­ser Unter­schied zu den Rege­lun­gen des BGB führt jedoch nicht zur AGB-Wid­rig­keit von § 6 Abs. 7 VOB/B.

Hin­weis:

In der­ar­ti­gen Fall­kon­stel­la­tio­nen soll­te bes­ser von der Mög­lich­keit der Ver­trags­kün­di­gung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B Gebrauch gemacht wer­den. Der AN muss den AG in Annah­me­ver­zug set­zen und ist dann berech­tigt, den Ver­trag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B zu kün­di­gen. In die­sem Fall blei­ben etwa­ige wei­ter­ge­hen­de Ansprü­che, somit auch sol­che auf Ersatz des auf den nicht aus­ge­führ­ten Leis­tungs­teil ent­fal­len­den ent­gan­ge­nen Gewinns gemäß § 9 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 VOB/B bestehen.

Anmer­kung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) Ende 2007 mit der Errich­tung einer Sprinkleranlage.

Der VOB/B‑Vertrag sieht eine ver­bind­li­che Fer­tig­stel­lung der Leis­tun­gen im ers­ten Bau­ab­schnitt bis Ende KW 50 des Jah­res 2008 und im zwei­ten Abschnitt bis Ende KW 40 im Jahr 2010 vor.

Die Insol­venz eines Vor­un­ter­neh­mers und die ver­zö­ger­te Archi­tek­ten­pla­nung des AG führt zu Bau­ab­lauf­stö­run­gen. Mit­tels Nach­trag bean­sprucht der AN nach Kün­di­gung Mehr­kos­ten wegen „Preis­er­hö­hung für Tei­le des ers­ten Bau­ab­schnit­tes, die erst im Jahr 2011 durch­ge­führt wer­den konn­ten“. Dringt der AN mit sei­ner For­de­rung durch?

Der AN hat teil­wei­se Erfolg. Die Ver­schie­bung der Arbei­ten führ­te zu höhe­ren Lohn­kos­ten. Das Kam­mer­ge­richt führt aus, dass sich die Höhe der Ent­schä­di­gung gemäß § 642 BGB nach der ver­ein­bar­ten Ver­gü­tung rich­tet. Maß­geb­lich ist die Dif­fe­renz zwi­schen den Ist-Kos­ten und den hypo­the­ti­schen Kos­ten ohne Annah­me­ver­zug des AG. Hin­zu kom­men Zuschlä­ge für Gewinn und All­ge­mei­ne Geschäfts­kos­ten (AGK). Die Höhe der AGK- und Gewinn­zu­schlä­ge soll sich nach der Kal­ku­la­ti­on des AN rich­ten. Wenn die­se Feh­ler auf­weist, soll das Gericht gemäß § 287 ZPO schät­zen können.

Hin­weis:

Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. Es weicht von der bis­he­ri­gen ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung und der bis­he­ri­gen Linie des BGH in zwei Punk­ten ab. Nach bis­he­ri­ger Auf­fas­sung zahl­rei­cher Ober­lan­des­ge­rich­te setzt die Gel­tend­ma­chung eines Ent­schä­di­gungs­an­spru­ches nach § 642 BGB eben­so wie bei einem Scha­den­er­satz­an­spruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B eine kon­kre­te bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­stel­lung vor­aus. Das Kam­mer­ge­richt ist der Auf­fas­sung, dass dies nicht not­wen­dig ist, wenn dem AN durch den Annah­me­ver­zug des AG ein nach­weis­ba­rer Ver­mö­gens­nach­teil ent­stan­den ist. Eben­falls in Abwei­chung zur bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ist das Kam­mer­ge­richt der Auf­fas­sung, dass die ver­zö­ge­rungs-beding­ten Mehr­kos­ten als Bemes­sungs­grund­la­ge für die Ent­schä­di­gung um einen Deckungs­bei­trag für die All­ge­mei­nen Geschäfts­kos­ten und einen Gewinn­an­teil zu erhö­hen sind, soweit sol­che Zuschlä­ge in der ver­ein­bar­ten Ver­gü­tung bereits ent­hal­ten waren.

Wür­de sich der BGH die­ser Ent­schei­dung in sei­ner Recht­spre­chung anglei­chen, wären die Anfor­de­run­gen an die Gel­tend­ma­chung eines Ent­schä­di­gungs­an­spru­ches gemäß § 642 BGB wesent­lich reduziert.

Die Ent­schei­dung des BGH bleibt abzuwarten.

Anmer­kung zu: OLG Jena, Urteil vom 07.05.2014, Az. 2 U 17/13 BGH, Beschluss vom 04.01.2017, Az. VII ZR 133/14 (Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zurückgewiesen)

Ein Inge­nieur wird mit schrift­li­chen Ver­trag mit fol­gen­den For­mu­lie­run­gen von dem Bau­herrn beauftragt: 

„Kon­ti­nu­ier­li­che Kon­trol­le von Bau­leis­tun­gen auf Über­ein­stim­mung mit den vor­lie­gen­den Plä­nen, der aus­ge­schrie­be­nen Qua­li­tä­ten und den ver­ein­bar­ten Ter­mi­nen“… „Ter­min­kon­trol­le zusätz­lich zur Objekt­be­wa­chung“ und der „Kon­trol­le der Män­gel­be­sei­ti­gung (bei Erfordernis)“. 

Ergän­zend wird auf die Bestim­mun­gen der HOAI und die Vor­schrif­ten über den Werk­ver­trag ver­wie­sen. Der Bau­herr nimmt den Inge­nieur nach Fer­tig­stel­lung wegen behaup­te­ter Über­wa­chungs­feh­ler in Anspruch. Im Pro­zess ver­tritt der Inge­nieur die Auf­fas­sung, er hät­te nur eine dienst­ver­trag­li­che Ver­pflich­tung übernommen. 

Sämt­li­che Gerich­te tei­len die­se Auf­fas­sung nicht. Die Abgren­zung zwi­schen Dienst- und Werk­ver­trag hat nach dem ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Leis­tungs­bild zu erfolgen. 

Nach gefes­tig­ter Recht­spre­chung des BGH ist es für die Anwen­dung von Werk­ver­trags­recht nicht not­wen­dig, dass aus­schließ­lich erfolgs­ori­en­tier­te Pflich­ten über­nom­men wer­den. Es kann aus­rei­chen, wenn ein Bün­del von ver­schie­de­nen Auf­ga­ben über­nom­men wird und dies­be­züg­lich die erfolgs­ori­en­tier­ten Auf­ga­ben der­ma­ßen über­wie­gen, dass sie den Ver­trag prä­gen. Im Rah­men der Aus­le­gung sind sämt­li­che in die­sem Fall befass­ten Gerich­te zum Ent­schluss gekom­men, dass die ver­ein­bar­te Leis­tungs­pa­let­te so aus­ge­rich­tet war, dass das Bau­werk man­gel­frei erstellt wer­den soll. Daher war das Ver­trags­werk erfolgs­ori­en­tiert geprägt. Damit war Werk­ver­trags­recht anzuwenden. 

Hin­weis:

In der Pra­xis ist sel­ten von Dienst­ver­trags­recht aus­zu­ge­hen. Denk­bar ist dies allen­falls bei Beauf­tra­gung ein­zel­ner Grund- oder Beson­de­rer Leistungen. 

Ab dem 01.01.2018 dürf­te der dann neu gel­ten­de § 650 p Abs. 1 BGB maß­geb­lich sein. Der Gesetz­ge­ber hat dort ver­sucht, ver­trags­ty­pi­sche Pflich­ten für Archi­tek­ten oder Inge­nieu­re zu nor­mie­ren. Gegen­stand eines Archi­tek­ten- oder Inge­nieur­ver­tra­ges sind dem­nach Leis­tun­gen, die nach dem jewei­li­gen Stand der Pla­nung oder Aus­füh­rung des Bau­werks oder der Außen­an­la­ge erfor­der­lich sind, um die zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Pla­nungs- und Über­wa­chungs­zie­le zu errei­chen. Sofern sol­che Pla­nungs- und Über­wa­chungs­zie­le noch nicht ver­ein­bart sind, ist eine Pla­nungs­grund­la­ge zur Ermitt­lung die­ser Zie­le zu erstel­len. Sind die tat­säch­lich getrof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen die­sen Vor­ga­ben unter­zu­ord­nen, dürf­te es sich dann um einen Archi­tek­ten- bzw. Inge­nieur­ver­trag nach der neu­en Rege­lung im BGB- Werks­ver­trags­recht handeln. 

Die dies­be­züg­li­che Ent­wick­lung in der Recht­spre­chung bleibt abzuwarten.