Anmerkung zu: BGH, Beschluss vom 10.02.2016, Az: VII ZR 175/13

Für den Bau zweier Raumschießanlagen der Polizei wird ein Ingenieur mit Fachplanungsleistungen beauftragt. Im Vertrag steht, dass der AN den vorgegebenen Kostenrahmen mit den fachlich Beteiligten einzuhalten hat und dass die Baukostenobergrenze für beide Parteien als Beschaffenheitsvereinbarung gilt, weshalb der AN verpflichtet ist, seine Leistungen so zu erbringen, dass die Baumaßnahme für den vereinbarten Betrag errichtet werden kann.

Ohne das Zahlenwerk auf Plausibilität zu überprüfen, stellt der Ingenieur erst nach Vertragsabschluss fest, dass die Vorgabe des AG nicht eingehalten werden kann. Der Vertrag wird vom AG wegen Nichteinhaltung der Baukostenobergrenze gekündigt, woraufhin der Architekt auf Zahlung von Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen klagt.

Ohne Erfolg!

Der Vertrag wurde vom AG berechtigt aus wichtigem Grund gekündigt und zwar wegen Überschreitens der Baukostenobergrenze. Deshalb steht dem Architekten nur ein Honorar für erbrachte Leistungen zu. Die Überschreitung der Baukostenobergrenze stellt einen Mangel dar, weshalb die Differenz, um die die tatsächlichen Kosten die vereinbarten übersteigen, bei der Honorarabrechnung nicht angesetzt werden können.

Hinweis:

Eine Baukostenobergrenze kann entfallen, wenn die Kostensteigerung auf einer nachträglichen Änderung der Leistungsbeschreibung beruht. Allerdings geht mit einer konkludenten Aufhebung der Bausummenobergrenze ein faktischer Verzicht auf vertraglich vereinbarte Rechte einher. An eine entsprechende Willenserklärung sind daher strenge Voraussetzungen geknüpft, die nicht in der bloßen Fortführung des Bauvorhabens trotz Kenntnis höherer Kosten gesehen werden können.

 

Anmerkung zu: OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2016, Az.: 10 U 137/15

Eine bayerische Gemeinde führte ein Bauvorhaben durch. Hierfür bewerben sich im Rahmen eines VOF-Verfahrens die „A+B Freie Architekten“ als GbR. Die Gesellschafter dieser GbR sind beide auch Geschäftsführer der „A + B GmbH“. Der Gemeinderat beschließt, den Auftrag der GbR zu erteilen. Daraufhin unterzeichnet der 1. Bürgermeister einen von der GmbH übersandten Architektenvertrag, in dem die GmbH als AN ausgewiesen ist. Die GmbH sendet den Vertrag nach Gegenzeichnung zurück. Als es zum Streit kommt, beschließt der Gemeinderat, den vom 1. Bürgermeister unterzeichneten Architektenvertrag nicht im Nachhinein zu genehmigen.

Entscheidung:

Der Architektenvertrag zwischen der Gemeinde und der GmbH ist unwirksam. Daran ändert auch die Vertragsunterzeichnung durch den 1. Bürgermeister nichts, da der Ratsbeschluss sich auf die GbR und nicht auf die GmbH bezogen hat. Schon aus vergaberechtlichen Gründen hätte der 1. Bürgermeister den Vertrag nur mit der GbR abschließen dürfen. Er war auch kommunalverfassungsrechtlich nicht dazu berechtigt, einen Vertrag mit der GmbH zu schließen. In Bayern hängt die dem 1. Bürgermeister eingeräumte Vertretungsmacht von einem entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss ab. Eine andere Auslegung aus Gründen der Rechtssicherheit oder zum Schutz des Vertragspartners einer Gemeinde ist nicht geboten. Der Vertragspartner kann vom 1. Bürgermeister den Nachweis der Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen. Es ist vorliegend der Gemeinde auch nicht nach Treu und Glauben versagt, sich auf die Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses zu berufen, da die GmbH wusste, dass sie am VOF-Verfahren nicht beteiligt war. Ein mögliches Vertrauen der GmbH sei auch nicht schutzwürdig.

Hinweis:

Planer und Bauunternehmer, die mit bayerischen Gemeinden Verträge schließen, müssen diese Rechtslage kennen und gegebenenfalls vom 1. Bürgermeister oder einem anderen Vertreter der Gemeinde den Nachweis verlangen, dass diese zur Vornahme des betreffenden Geschäfts befugt sind.

 

Anmerkung zu: OLG Dresden, Urteil vom 02.02.2016, Az.: 6 O 1271/15

Der AG beauftragt den AN unter Einbeziehung der VOB/ mit der Lieferung und dem Einbau von zwei Schließanlagen (Insassen- und Technikschließanlage) in eine JVA. Nach Einbau und Abnahme gelang es Gefangenen, die Schließzylinder mit Manipulationswerkzeugen (Kugelschreiberbügeln) zu öffnen. Der AG forderte den AN erfolglos zur Mangelbeseitigung auf und ließ die Schließanlage schließlich im Wege der Ersatzvornahme austauschen. Er verlangt nun die Kosten der Ersatzvornahme.

Ohne Erfolg!

Der Sachverständige hat zwar festgestellt, dass beiden Schließanlagen die nach DIN 18252 notwendige Parazentrizität fehle. Die Ersatzansprüche scheitern aber daran, dass dieser Mangel nicht ursächlich für die Manipulationsmöglichkeiten sei. Eine Manipulation z.B. durch Kugelschreiberbügel sei – so der Sachverständige – auch bei Vorhandensein der Parazentrizität nicht zu verhindern. Ein Mangel der Schließanlage liege also nicht darin, dass diese bezogen auf die notwendige Funktionalität nicht geeignet sei. Der AN habe auch unter Berücksichtigung des Einsatzortes ohne besondere Vereinbarung keine Schließanlage mit besonderen sicherheitsrelevanten Funktionen anbieten müssen. Außerdem habe der AG darauf hingewiesen, dass ein „Bohr- und Zehschutz“ nicht gefordert wäre, sodass der AN nicht mit besonderen Vorkehrungen gegen Manipulation rechnen musste.

Hinweis:

Die Argumentation des OLG Dresden zweifelhaft. Es stellen sich folgende Fragen:

1. Wieso ist bei Einsatz in einer JVA nicht grundsätzlich immer ein besonderer Schutz vor Manipulationen durch Gefangene erforderlich?
2. Ein Verstoß gegen die Bedenkenhinweispflicht begründet nicht die Haftung des AN. Haftungsgrund ist alleine der Mangel. Das Erfüllen der Bedenkenhinweispflicht lässt die Haftung entfallen.

Anmerkung zu: OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2016, Az: 19 U 133/14

Die Erwerberin (E) erwirbt vom Bauträger (BT) Sondereigentum. E wünscht an-stelle der vorgesehenen Radiatorenheizung eine Fußbodenheizung. Der Nach-unternehmer des BT führt die Fußbodenheizung aus und rechnet den Aufpreis für diese direkt gegenüber E ab.

Die E leitet ein selbstständiges Beweisverfahren ein, weil das Wohnhaus nicht ausreichend beheizt werden kann. Ein Sachverständiger stellt einen entsprechen-den Mangel fest und empfiehlt u.a. den Einbau von Raumthermostaten. Der BT ist der Auffassung, dass er nicht für die von seinem Nachunternehmer verursachten Ausführungsfehler verantwortlich ist. Zwischen E und seinem Nachunternehmer sei ein selbstständiger „Sonderwunschvertrag“ geschlossen. Dies war zwischen den Parteien unstreitig.

Der Rechtsauffassung des BT widerspricht das OLG Karlsruhe.

Den BT trifft als Sachwalter gegenüber der E eine Koordinierungspflicht. Selbst bei eigenständigen Verträgen zwischen den Erwerbern und den ausführenden Unter-nehmen ist der Bauträger verpflichtet, sicher zu stellen, dass sich der Sonder-wunsch in das Gesamtkonzept störungsfrei einfügt. Den BT traf hier eine Über-prüfungspflicht und ggf. die Pflicht zur Anweisung in planerischer Hinsicht. Der BT muss für das störungsfreie Funktionieren beider Bestandteile im Rahmen des Gesamtwerkes sorgen.

In der Praxis wird dies häufig übersehen. Der Bauträger muss mithin auch die Sonderwünsche seiner Erwerber, deren grundsätzliche Realisierbarkeit und deren tatsächliche Ausführung überwachen, um seiner Koordinierungspflicht nachzukommen.

 

Anmerkung zu: VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 06.01.2016 – Fall 1746

Der öffentliche Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit Mauer-, Stahlbeton- und Verblendarbeiten. Hierzu war die Stellung von Gerüsten erforderlich. Die zeitliche Reihenfolge der auszuführenden Leistung konnte der AN selbst bestimmen. Er führte die Verblend- und Stahlbetonarbeiten an den Decken parallel aus. Deshalb wurde zur Absturzsicherung eine Gerüstverbreiterung benötigt. Laut LV waren alle Gerüste während der Bauzeit vom AN beizustellen. Das LV enthielt auch eine eigene Position für Gerüste über 2 m Arbeitshöhe. Der AN macht nunmehr zusätzliche Kosten für die Gerüstverbreiterung als Nachtrag geltend. Zu Recht?

Nein, der hat AN keinen Zusatzvergütungsanspruch. Die VOB-Stelle stützt sich im Wesentlichen auf Abschnitt 4.1.2 der DIN 18330 für Mauerarbeiten. Danach ist das Aufbauen und Vorhalten der für die eigene Leistung notwendigen Gerüste eine vertraglich geschuldete und somit nicht zusätzlich zu vergütende Nebenleistung. Hierzu gehört auch jedwede erforderliche Absturzsicherung. Des Weiteren wird Abschnitt 4.1.4 der DIN 18299 zu Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen aus den staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerken zum Arbeitsschutz herangezogen. Die Einhaltung dieser Regeln schuldet der AN ebenfalls als Nebenleistung. Auch hierzu zählt die Absturzsicherung. Ergänzend wird die Entscheidung damit begründet, dass der AN seinen Bauablauf auch anders hätte organisieren können. Wären die Verblend- und Stahlbetonarbeiten zeitlich nacheinander ausgeführt worden, wäre eine Gerüstverbreiterung nicht erforderlich gewesen.

 

Anmerkung zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015 – 4 U 26/12

Der Bauherr beauftragt den AN mit der Erbringung von Rohbauarbeiten einschließlich Abdichtungsarbeiten für die Errichtung eines Einfamilienhauses. Bereits vor Abnahme der Bauleistungen werden Mängel an den Abdichtungs-arbeiten festgestellt.

Der AN lehnt die Haftung für die Mängel mit der Begründung ab, er habe sich bei der Ausführung der Abdichtungsarbeiten an die im LV vorgegebene Ausführung gehalten. Sein Werk sei also mangelfrei.

Der Einwand des AN ist unbeachtlich.

Das Gericht stellt fest, dass der AN aus diversen Umständen hätte schlussfolgern müssen, dass nicht nur eine Abdichtung gegen nichtdrückendes Wasser, sondern eine Abdichtung gegen aufstauendes Sickerwasser erforderlich ist. Dies hätte er zum Anlass nehmen müssen, den Bauherrn auf seine Bedenken hinsichtlich der im LV vorgegebenen Ausführung hinzuweisen. Zumindest habe er die Pflicht gehabt, auf den Widerspruch zwischen LV und Planung hinzuweisen und Klärung zu verlangen.

Diese Prüfungs- und Hinweispflicht besteht auch dann, wenn ein Fachingenieur oder Architekt die Leistung geplant und ausgeschrieben hat.

Hinweis:

Die Fachkunde der planenden Fachingenieure oder Architekten entlastet den AN nicht. Er ist trotzdem gehalten, die ihm vorliegende Planung und die Leistungsverzeichnisse bzw. Ausführungsvorgaben dahingehend zu überprüfen, ob damit der ihm bekannte werkvertraglich geschuldete Erfolg auch erreicht werden kann. Er muss grundsätzlich auf Bedenken hinweisen. Es besteht ansonsten die Gefahr, trotz Ausführung nach den Vorgaben des LV einen Mangel zu produzieren und hierfür zu haften.

 

Anmerkung zu: OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.12.2015, Az: 4 U 140/14

Der AG erwirbt 2009 eine gebrauchte Wohnimmobilie und beauftragt mit der Sanierung des Daches einen Architekten sowie mit Zimmerer-, Klempner- und Dachdeckerarbeiten einen Handwerksbetrieb.

Keiner der Beteiligten erkennt den fortgeschrittenen Befall des Dachstuhls mit Holzwurm. Nach Abschluss der Sanierung stellt ein Gutachter fest, dass die Standsicherheit des Daches gefährdet ist. Der AG verlangt vom Handwerker (AN) 52.000,00 € Kostenvorschuss. Der AN wendet zutreffend ein, er habe alle ihm vom Architekten vorgegebenen und nach Vertrag geschuldeten Leistungen erbracht. Der Holzwurmbefall sei nicht erkennbar gewesen.

Der AN wird zu einem Drittel Haftung verurteilt. Das OLG begründet ausführlich, dass ein Handwerksbetrieb nicht bloß die Abarbeitung der Leistungsvorgaben des AG oder Architekten schuldet, sondern die „Funktion“ des Werkes. Das beinhaltet vorliegend auch die Standsicherheit des Daches. Da diese nicht gegeben ist, ist das Werk des Handwerkers mangelhaft. Seine haftungsbefreiende Prüf- und Hinweispflicht hat der AN nicht erfüllt. Den Schädlingsbefall hätte der Handwerker ohne weiteres erkennen können. Entlastend für den AN wirkt nur das Planungsverschulden des Architekten, welches sich der Bauherr zu 2/3 anrechnen lassen muss.

 

Anmerkung zu: OLG Bamberg, Urteil vom 17.04.2013, Az: 3 U 127/12 – BGH, Beschluss vom 16.12.2015, Az: VII ZR 125/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) lässt auf Studentenwohnheimen Photovoltaik-anlagen planen und errichten. Er schließt Stromeinspeiseverträge ab. Aufgrund einer vermeidbaren  Verschattung wird jedoch nicht die maximale Stromausbeute erzielt. Der AG verklagt den AN, die Firma, die die PV-Anlagen errichtet hat, auf Schadensersatz.

Ohne Erfolg!

Das OLG Bamberg weist die Klage ab. Den AN traf keine Pflicht zur Mitteilung von Bedenken. Zwar bestehen für einen Werkunternehmer Aufklärungs- und Bera-tungspflichten. Diese sind aber nicht uferlos. Letztlich kommt es darauf an, ob der AN über einen Wissensvorsprung in Bezug auf Risiken verfügt, die der AG aufgrund seiner eigenen Sach- und Fachkunde nicht allein erkennen kann. Soweit jedoch auf Seiten des AG Sonderfachleute eingeschaltet sind, ist davon auszugehen, dass der AG durch diese umfassend aufgeklärt wird. Der Werkunternehmer ist deshalb nicht verpflichtet, deren Erkenntnisse auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht wiederum nur, wenn – wie das OLG Bamberg wörtlich ausführt – „ein Fehler ins Auge springt.“.

Hinweis:

Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings sind gerade in diesem Bereich der Mitteilung von Bedenken Einzelfallentscheidungen zu treffen. Von entscheidender Bedeutung dürfte vorliegend der Umstand gewesen sein, dass der ausführenden Firma keinerlei maßgebliche Umstände bekannt waren. Die Verschattung war der ausführenden Firma während der Errichtung aufgefallen. Allerdings war ihr nicht bekannt, in welchem Zeitraum sich nach Vorstellung des AG die Anlage amortisieren sollte.

Wäre ihr dies bekannt gewesen, müsste über die Entscheidung neu nachgedacht werden.

 

Anmerkung zu: OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.2015, Az. 6 U 174/14

Der Kläger führt einen Installateurbetrieb und ist im Installateurverzeichnis der Beklagten eingetragen. Die Beklagte ist Trägerin der öffentlichen Wasserver-sorgung. Der Kläger ist der Auffassung, schadhafte Trinkwasserleitungen können mittels Epoxidharz saniert werden und dies entspreche den anerkannten Regeln der Technik. Die Beklagte forderte den Kläger auf, eine entsprechende Sanierung zu unterlassen. Der Kläger klagt auf Feststellung, dass er im Versorgungsgebiet der Beklagten das Sanierungsverfahren mit Epoxidharz einsetzen kann. Mit Erfolg?

Nein!

Der Kläger schuldet sämtliche Leistungen gemäß den anerkannten Regeln der Technik. Dies sind diejenigen Prinzipien und Lösungen, die sich in der Praxis erprobt und bewährt haben und die sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben. Sie müssen somit in Theorie und Praxis anerkannt sein. Dies liege aufgrund des fachlichen Dissenses bei der Rohrinnensanierung mit Epoxidharz eben gerade nicht vor.

Hinweis:

Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter.

DIN-Normen, VDI-Richtlinien, VDE-Bestimmungen oder sonstige Handwerksregeln können anerkannte Regeln der Technik darstellen, aber auch hinter diesen zurückbleiben.
Bestehen solche technischen Normen, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die anerkannten Regeln der Technik darin zutreffend wiedergegeben werden. Allerdings gehen die allgemein anerkannten Regeln der Technik in Einzelfällen auch über die etwa in DIN-Normen festgelegten Grenzen hinaus, so z.B. im Bereich des Schallschutzes. Jeder Unternehmer schuldet auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik als qualitatives Mindestmaß. Oftmals wird nicht berücksichtigt, dass allgemein anerkannte Regeln der Technik erst dann vorliegen, wenn sie sich in der Praxis erprobt und bewährt haben. Dies kann meist erst von Werkstoffen oder Herstellungsverfahren behauptet werden, die über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgreich eingesetzt wurden.

 

Anmerkung zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 02.12.2015, Az: 11 U 102/12

Bei nahezu sämtlichen Bauvorhaben werden Leistungen nach Beginn geändert oder zusätzliche Leistungen angeordnet. Meist verlangt der Auftraggeber (AG) vom ausführenden Unternehmen die Vorlage eines sog. „Nachtragsangebotes“. Auf dessen Grundlage soll dann die Entscheidung über die Beauftragung der geänderten oder zusätzlichen Leistungen erfolgen. Der Auftragnehmer (AN) hat in diesem Fall Kosten. In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall musste der AN ein Leistungsverzeichnis erstellen. Für dieses rechnete er gegenüber dem AG 613,00 € ab. Dieser verweigerte die Zahlung. Der AN erhob Klage.

Ohne Erfolg!

Eine vertragliche Vereinbarung, auf die der AN seine Forderung hätte stützen können, war nicht festzustellen. Aus § 632 Abs. 3 BGB folgt, dass die Kosten für die Erstellung eines Angebotes und die hierfür notwendigen Vorarbeiten regelmäßig dem AN zur Last fallen. Dies gilt entsprechend einhelliger Auffassung auch für Nachtragsangebote im Rahmen einer bereits bestehenden bauvertraglichen Beziehung.

Hinweis:

Im entschiedenen Fall bestand für die Kosten im Rahmen der Erstellung des Nachtragsangebotes keine Rechtsgrundlage. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Es ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

Liegt z.B. dem Bauvorhaben ein ausführliches – vom Architekten des Bauherrn erstelltes – Leistungsverzeichnis zugrunde, kann der AN bei Anordnung von Zusatz-leistungen oder Anordnung geänderter Leistungen vom AG verlangen, dass ihm der Bauherr über seinen Architekten ein notwendiges Leistungsverzeichnis kosten-los zur Verfügung stellt. Aufgabe des AN ist es dann allerdings, dies zu verpreisen. Die Verpreisung löst keine Vergütung aus.

Verlangt der Bauherr vom AN jedoch, Zeichnungen, Berechnungen oder Unter-lagen zu erstellen, die er nach dem Vertrag nicht zu beschaffen hat, so ist an § 2 Abs. 9 VOB/B als Anspruchsgrundlage für eine besondere Vergütung zu denken.

Diesen Anspruch sollte der AN dem AG jedoch, bevor er mit der Nachtrags-kalkulation beginnt, vorher ankündigen.