OLG Jena, Urteil vom 17.02.2022, Az: 8 U 1133/20

Ein Archi­tekt ist mit den Grund­leis­tun­gen der Leis­tungs­pha­sen 1 bis 9 beauf­tragt. Wegen man­gel­haf­ter Putz­ar­bei­ten (feh­len­der Haf­tungs­ver­bund) kommt es zu Ris­sen. Des­halb nimmt der Bau­herr den Archi­tek­ten wegen eines Bau­über­wa­chungs­feh­lers auf Scha­dens­er­satz in Anspruch. Das Land­ge­richt weist die Kla­ge des Bestel­lers ab mit der Begrün­dung, dass es sich bei Putz­ar­bei­ten um hand­werk­li­che Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten han­delt und der Archi­tekt in einem  sol­chen Fall kei­ne Über­wa­chungs­pflicht habe.

Der Bau­herr geht dar­auf­hin in Beru­fung. Mit Erfolg!

Die Annah­me des Land­ge­rich­tes trifft in die­ser All­ge­mein­heit nicht zu. Selbst bei ein­fa­chen Tätig­kei­ten, die für die Funk­tio­na­li­tät der Gesamt­werk­leis­tung nicht wich­tig sind, sind stich­pro­ben­ar­ti­ge Kon­trol­len erfor­der­lich. Gegen die­se Kon­troll­pflicht hat der Archi­tekt ver­sto­ßen, denn aus sei­ner Auf­fas­sung, die betrof­fe­nen Arbei­ten unter­lä­gen über­haupt kei­ner Über­wa­chungs­pflicht, folgt zugleich, dass er kei­ne Über­wa­chung durch­ge­führt hat. Es besteht kein Zwei­fel, dass bei ent­spre­chen­den Kon­trol­len für den Archi­tek­ten erkenn­bar gewe­sen wäre, dass kein Haf­tungs­ver­bund auf­ge­bracht wurde.

Hin­weis:

Auch ande­re Gerich­te haben ent­schie­den, dass Putz­ar­bei­ten nicht beson­ders über­wa­chungs­be­dürf­tig sind. Wer­den Putz­ar­bei­ten aller­dings regel­wid­rig bei zu nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren aus­ge­führt, muss der bau­lei­ten­de Archi­tekt das ver­hin­dern. Außer­dem ist er ver­pflich­tet – wie bei sämt­li­chen hand­werk­li­chen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten – min­des­tens eine Ein­wei­sung, die Vor­nah­me von Stich­pro­ben und eine End­kon­trol­le durchzuführen.

Bei der Aus­füh­rung kri­ti­scher, weil scha­dens­an­fäl­li­ger Bau­werks­ar­bei­ten, muss der bau­über­wa­chen­de Archi­tekt in der Regel zwar nicht stän­dig auf der Bau­stel­le sein. Er ist jedoch zu erhöh­ter Auf­merk­sam­keit ver­pflich­tet und hat die Arbei­ten in ange­mes­se­ner und zumut­ba­rer Wei­se zu über­wa­chen. Dazu gehört auch, dass er sich durch häu­fi­ge Kon­trol­len zu ver­ge­wis­sern hat, dass sei­ne Anwei­sun­gen sach­ge­recht erle­digt wer­den. Über­wa­chungs­pflich­ten wer­den gestei­gert, wenn das aus­füh­ren­de Unter­neh­men erkenn­bar unzu­ver­läs­sig oder tech­nisch schwach ist.

OLG Koblenz, Urteil vom 09.03.2023, Az: 2 U 63/22

Ein Ver­brau­cher­schutz­ver­ein fin­det die zitier­te Klau­sel in einem Ver­trags­for­mu­lar eines Fer­tig­haus­an­bie­ters und klagt dagegen.

Im Ergeb­nis ist die Klau­sel unwirk­sam. Sie ent­spricht nicht den Anfor­de­run­gen des § 650k Abs. 3 S. 1 BGB, wonach ein Ver­brau­cher­ver­trag gemäß § 650i BGB ver­bind­li­che Anga­ben zum Zeit­punkt der Fer­tig­stel­lung des Werks oder, wenn die­ser Zeit­punkt bei Abschluss des Ver­tra­ges nicht ange­ge­ben wer­den kann, zur Dau­er der Bau­aus­füh­rung ent­hal­ten muss. Die­se Bestim­mung kann gemäß § 650o BGB durch Ver­ein­ba­rung nicht zum Nach­teil eines Ver­brau­chers abbe­dun­gen oder umgan­gen werden.

Die Klau­sel erfüllt die gefor­der­ten Anga­ben nicht, was bei Ca.-Angaben grund­sätz­lich nicht der Fall ist. Der Zeit­punkt bis zur abnah­me­fä­hi­gen Fer­tig­stel­lung muss kon­kret und nicht nur unge­fähr ange­ge­ben werden.

Hin­weis:

§ 650k Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt, dass in Erman­ge­lung einer Anga­be zur Bau­zeit die vor­ver­trag­lich in der Bau­be­schrei­bung über­mit­tel­ten Anga­ben Ver­trags­in­halt werden.

Zwei­fel bei der Aus­le­gung eines Ver­tra­ges, der eine All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung ist, gehen im Übri­gen zu Las­ten des Ver­wen­ders. Der Klau­sel­ver­wen­der, also der Fer­tig­haus­an­bie­ter, kann sich nach Treu und Glau­ben nicht auf die Unwirk­sam­keit sei­ner Klau­sel berufen.

OLG Schles­wig, Urteil vom 15.10.2021, Az: 1 U 122/20

Der Auf­trag­ge­ber (AG), ein Ver­brau­cher, und der Auf­trag­neh­mer (AN) schlos­sen einen Bau­ver­trag über Gar­ten­bau­ar­bei­ten. Sie tra­fen sich vor Ort, damit der AN das Grund­stück besich­ti­gen konn­te. Danach unter­brei­te­te der AN pos­ta­lisch das Ange­bot, das der AG tele­fo­nisch annahm. Für die man­gel­frei aus­ge­führ­ten Arbei­ten zahl­te der AG ca. 30.000,00 €. Kurz danach erklärt er den Wider­ruf und begehrt die Rückerstattung.

Ohne Erfolg!

Es liegt kein Fern­ab­satz­ver­trag nach § 312c BGB vor und damit besteht auch kein Wider­rufs­recht. Der Ver­trags­ab­schluss ist zwar aus­schließ­lich durch Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln erfolgt. Aller­dings haben die Ver­trags­ver­hand­lun­gen per­sön­lich statt­ge­fun­den. Nach dem Schutz­be­darf des Ver­brau­chers im Werk­ver­trags­recht lie­gen Ver­trags­ver­hand­lun­gen schon dann vor, wenn der Ver­brau­cher auf­grund eines gemein­sa­men Orts­ter­mi­nes die Mög­lich­keit hat­te, im per­sön­li­chen Gespräch mit dem AN hin­rei­chend Infor­ma­tio­nen zu erfra­gen, um ein spä­te­res Ange­bot sach­ge­recht zu beur­tei­len und einen per­sön­li­chen Ein­druck vom AN zu erhal­ten. Nicht erfor­der­lich ist es, dass die Par­tei­en beim Orts­ter­min Ein­zel­hei­ten des Ver­tra­ges ver­han­deln. Anders als bei Ver­trä­gen über die Lie­fe­rung von Waren kann sich der Ver­brau­cher bei einem Werk­ver­trag über ein noch her­zu­stel­len­des Werk vor­ab ohne­hin kei­nen Ein­druck von des­sen Qua­li­tät ver­schaf­fen. Es kommt des­halb nach dem Schutz­zweck des § 312c BGB vor­lie­gend nicht dar­auf an, dass der Ver­brau­cher die Ware nicht vor Ver­trags­ab­schluss sehen oder prü­fen kann. Außer­dem ist der Ver­trag auch nicht im Rah­men eines für den Fern­ab­satz orga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems des AN zustan­de gekom­men. Hier­für reicht es nicht bereits, dass der AN auf sei­ner Web­site über sein Leis­tungs­an­ge­bot infor­miert und die Kon­takt­mög­lich­keit zur Ver­fü­gung stellt, denn der AN erstellt sein Ange­bot stets erst auf­grund der Durch­füh­rung eines Ortstermines.

Hin­weis:

Es sei trotz­dem mit Nach­druck davor gewarnt, sich dar­auf zu ver­las­sen, dass ein Orts­ter­min immer mit Ver­hand­lun­gen gleich­ge­setzt wird. Dem steht der Geset­zes­wort­laut entgegen.

Geret­tet hat den Unter­neh­mer hier, dass er sei­ne Ange­bo­te regel­mä­ßig erst nach einem vor­he­ri­gen Orts­ter­min abgibt, so dass sein Geschäfts­be­trieb nicht auf den Fern­ab­satz aus­ge­rich­tet ist.

OLG Naum­burg, Urteil vom 07.10.2021, Az: 2 U 33/21

Gestrit­ten wird um die Wirk­sam­keit eines Wider­rufs nach Abschluss eines Ver­tra­ges zur Her­stel­lung von Fens­ter­ar­bei­ten für die Neu­errich­tung eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses eines Ver­brau­chers. Der vom Ver­brau­cher bevoll­mäch­tig­te Archi­tekt hol­te ein Leis­tungs­ver­zeich­nis des Fens­ter­bau­ers ein. Die­ses Ange­bot wur­de auf Wunsch des Ver­brau­chers mehr­fach ange­passt. Das 5. Ange­bot des Fens­ter­bau­ers wur­de in den Geschäfts­räu­men des Archi­tek­ten bei Anwe­sen­heit des Archi­tek­ten, des Ver­brau­chers und des Unter­neh­mers bespro­chen und führ­te zur Fer­ti­gung eines VOB/B‑Vertrages. Der Archi­tekt über­sand­te den Ver­trag dem Fens­ter­bau­er zur Unter­zeich­nung. Die­ser unter­zeich­ne­te den Ver­trag in sei­nen Geschäfts­räu­men und über­sand­te ihn dem Archi­tek­ten zur Gegen­zeich­nung durch den Ver­brau­cher. Der Ver­brau­cher unter­zeich­ne­te sodann in den Geschäfts­räu­men des Archi­tek­ten. Nach Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten erklär­te der Ver­brau­cher den Wider­ruf des Ver­tra­ges und for­dert u. a. die Rück­zah­lung geleis­te­ter Abschlagszahlungen.

Ohne Erfolg!

Es besteht kein gesetz­li­ches Wider­rufs­recht. Des­halb ist der Wider­ruf unwirk­sam. Es hat im Rah­men der Ver­trags­an­bah­nung ein per­sön­li­ches Gespräch zwi­schen den Par­tei­en statt­ge­fun­den. Daher ist der Ver­trag nicht aus­schließ­lich unter Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln zustan­de gekom­men. Das schließt ein Wider­rufs­recht nach § 312g Abs. 1, § 312c Abs. 1 BGB aus. Auch die Vor­aus­set­zun­gen eines außer­halb von Geschäfts­räu­men abge­schlos­se­nen Ver­tra­ges nach § 312b Abs. 1 BGB lie­gen nicht vor, da die zum Ver­trags­ab­schluss füh­ren­de Erklä­rung nicht bei gleich­zei­ti­ger kör­per­li­cher Anwe­sen­heit der Par­tei­en außer­halb der Geschäfts­räu­me abge­ge­ben wur­de, son­dern durch Unter­zeich­nung des Ver­tra­ges in Abwe­sen­heit der jeweils ande­ren Partei.

OLG Dres­den, Urteil vom 29.06.2022, Az: 22 U 1689/20

Der Auf­trag­neh­mer (AN) ist mit Fas­sa­den­rei­ni­gungs­ar­bei­ten beauf­tragt und mel­det Beden­ken an, weil die Fas­sa­de teil­wei­se nicht mehr intakt ist und das vor­ge­se­he­ne Hoch­druck-Heiß­was­ser­strah­len nur bei einer geschlos­se­nen Putz­flä­che zuläs­sig ist. Der Auf­trag­ge­ber (AG) sieht das ganz anders und ver­langt die Aus­füh­rung der Arbei­ten und dass der AN mit höhe­rem Was­ser­druck arbei­tet. Als das der AN nicht tut, kün­digt der AG den Ver­trag, wor­auf­hin der AN die ver­ein­bar­te Ver­gü­tung abzüg­lich erspar­ter Auf­wen­dun­gen verlangt.

Mit Erfolg!

Der AG war nicht berech­tigt, den Ver­trag wegen eines Ver­zugs des AN mit der Leis­tungs­er­brin­gung zu kün­di­gen. Der AN gerät nicht in Ver­zug, wenn er einer Wei­sung des AG nicht folgt, die sei­ne gel­tend gemach­ten Beden­ken treu­wid­rig nicht berück­sich­tigt. Der AN ist auch des­halb nicht zur Fort­set­zung sei­ner Leis­tun­gen ver­pflich­tet gewe­sen, weil der AG inso­weit nicht auf die Gewähr­leis­tung ver­zich­tet hat. Die Ver­trags­kün­di­gung ist dem­entspre­chend in eine freie Kün­di­gung umzu­deu­ten gewesen.

Hin­weis:

Eine Beden­ken­an­mel­dung schützt den AN nur vor Män­gel­an­sprü­chen des AG, nicht aber vor Ansprü­chen Drit­ter, die z. B. durch eine Ver­let­zung der Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht geschä­digt wer­den. Außer­dem kann sich der AN durch eine Beden­ken­an­zei­ge nicht von sei­ner Ver­ant­wor­tung für die Ein­hal­tung der gel­ten­den gesetz­li­chen und behörd­li­chen Bestim­mun­gen befreien.

Selbst­ver­ständ­lich muss der AG die Anord­nung auch dann nicht aus­füh­ren, wenn mit deren Befol­gung eine Gefahr für Leib und Leben ver­bun­den wäre.

BGH, Beschluss vom 01.02.2023, Az: VII ZR 882/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) erle­digt Maler­ar­bei­ten. Die VOB/B ist nicht ver­ein­bart. Der Auf­trag­ge­ber (AG) und der Bau­lei­ter geben vie­le klei­ne­re Zusatz­ar­bei­ten in Auf­trag, die der AN spä­ter für 28.000,00 € als Regie­leis­tun­gen abrech­net. Nach­dem der AG nicht zahlt, erhebt der AN Kla­ge. Das LG weist die Kla­ge ab. Dage­gen legt der AN Beru­fung ein. Das OLG weist die Kla­ge mit der Begrün­dung zurück, der AN habe die von ihm geleis­te­ten Arbei­ten nicht nach­voll­zieh­bar und sub­stan­zi­iert dar­ge­legt. Es sei erfor­der­lich, genau dar­zu­le­gen, wel­che Arbei­ten wann aus­ge­führt wur­den. Statt­des­sen habe der AN nur pau­scha­le Auf­stel­lun­gen von behaup­te­ten aus­ge­führ­ten Leis­tun­gen vor­ge­legt.  Er nen­ne auch nicht die Namen der jewei­li­gen Per­son, die die Arbei­ten aus­ge­führt habe. Das wür­de als Nach­weis für die Aus­füh­rung der Arbei­ten nicht aus­rei­chen. Der AN ruft den BGH an.

Der BGH hebt die Ent­schei­dung des OLG auf und weist den Rechts­streit an das OLG zurück. Der BGH stellt fest, dass das OLG die Sub­stan­zi­ie­rungs­an­for­de­run­gen an den Vor­trag zur Höhe für einen auf einer Stun­den­lohn­ver­ein­ba­rung beru­hen­den Ver­gü­tungs­an­spruch über­spannt habe. Der AN muss zur schlüs­si­gen Begrün­dung eines nach Zeit­auf­wand zu bemes­sen­den Ver­gü­tungs­an­spru­ches nur dar­le­gen und ggf. bewei­sen, wie vie­le Stun­den für die Erbrin­gung der Ver­trags­leis­tun­gen mit wel­chen Stun­den­sät­zen ange­fal­len sind. Erfor­der­lich ist grund­sätz­lich kei­ne Dif­fe­ren­zie­rung der­ge­stalt, dass die abge­rech­ne­ten Arbeits­stun­den ein­zel­nen Tätig­kei­ten zuge­ord­net und/oder nach zeit­li­chen Abschnit­ten auf­ge­schlüs­selt wer­den. Das ist zur nach­prüf­ba­ren Dar­le­gung des ver­gü­tungs­pflich­ti­gen Zeit­auf­wan­des nicht erfor­der­lich, weil die Bemes­sung des Zeit­auf­wan­des hier­von nicht abhängt.

Eine der­art detail­lier­te Abrech­nung muss der AN nur dann durch­füh­ren, wenn sie ver­trag­lich ver­ein­bart ist.

Hin­weis:

Im VOB/B‑Vertrag muss der AN Stun­den­lohn­zet­tel aus­fül­len und Anga­ben über die geleis­te­ten Arbeits­stun­den machen. Die­se sind nach ein­hel­li­ger Ansicht so weit zu spe­zi­fi­zie­ren, dass der AG nach­voll­zie­hen kann, wer wo was womit geleis­tet hat.

BGH, Urteil vom 11.11.2022, Az: V ZR 213/21

Eine WEG zieht in den Jah­ren 2014 und 2015 kauf­recht­li­che Män­gel­an­sprü­che der Erwer­ber wegen Alt­las­ten zur gemein­schaft­li­chen Ver­fol­gung an sich und zwar nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG a.F. § 9a Abs. 2 WEG der aktu­el­len Fas­sung unter­schei­det sich von die­ser Vor­schrift dahin­ge­hend, dass dort nur noch die „gebo­re­ne Aus­übungs­be­fug­nis“ gere­gelt ist.

Es stellt sich dem­zu­fol­ge die Fra­ge nach dem recht­li­chen Schick­sal die­ser „alten“ Beschlüs­se, ins­be­son­de­re, ob sie noch die umfas­sen­de Beschluss­kom­pe­tenz zur Ver­fol­gung von Män­gel­an­sprü­chen besitzt. Das OLG Mün­chen als Vor­in­stanz hat dies bejaht und fest­ge­stellt, dass kauf­recht­li­che Nach­er­fül­lungs­an­sprü­che nach § 9a Abs. 2 WEG wei­ter­hin gemein­schafts­be­zo­gen seien.

Der BGH stellt fest, dass dies nur im Ergeb­nis rich­tig ist. Die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis folgt aus den Beschlüs­sen aus den Jah­ren 2014 und 2015, lässt sich aber nicht aus § 9a Abs. 2 WEG her­lei­ten. Eine Beschluss­fas­sung war damals erfor­der­lich, weil kein Fall der sog. gebo­re­nen Aus­übungs­be­fug­nis vor­liegt. Die­se bezog sich nur auf die Durch­set­zung der Ansprü­che auf Min­de­rung und Scha­dens­er­satz. Nach dem alten WEG-Recht konn­te die WEG auch die Ansprü­che auf ord­nungs­ge­mä­ße Her­stel­lung des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch Mehr­heits­be­schluss an sich zie­hen. Dar­un­ter fie­len die Ansprü­che auf Erfül­lung und Nach­er­fül­lung sowie kauf­recht­li­che Ansprüche.

Der Gesetz­ge­ber hat mit dem neu­en § 9a Abs. 2 WEG das Kon­zept, zwi­schen gebo­re­ner und geko­re­ner Aus­übungs­be­fug­nis zu unter­schei­den, auf­ge­ge­ben. Die­se Geset­zes­än­de­rung führt jedoch nicht zu einem Ent­fall der Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis der WEG. Die auf Besei­ti­gung von Män­geln am Gemein­schafts­ei­gen­tum gerich­te­ten Ansprü­che der Erwer­ber unter­fal­len zwar nicht der Aus­übungs­be­fug­nis nach § 9a Abs. 2 WEG, aber die WEG kann nach wie vor gemäß § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG durch Mehr­heits­be­schluss deren Durch­set­zung an sich zie­hen. Eine sol­che Kom­pe­tenz bestand näm­lich bereits vor der Nor­mie­rung der Aus­übungs­be­fug­nis in § 10 WEG a.F. und stütz­te sich auf § 21 Abs. 1, 2 Nr. 5 WEG a.F. Die­se Befug­nis der WEG über­la­ger­te die indi­vi­du­el­le Rechts­ver­fol­gungs­kom­pe­tenz des Einzelnen.

Fer­ner soll nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung zur Ver­ge­mein­schaf­tung von auf das Gemein­schafts­ei­gen­tum bezo­ge­nen Erfül­lungs- und Män­gel­an­sprü­chen bei­be­hal­ten wer­den. Der Geset­zes­wort­laut steht dem nicht entgegen.

Hin­weis:

Das neue WEG ändert also, was die Ansich­zie­hung und die Aus­übungs­be­fug­nis von Män­gel­rech­ten anbe­langt, nichts.

OLG Hamm, Urteil vom 19.12.2022, Az: 22 U 211/21

Der Käu­fer erwirbt eine gebrauch­te Immo­bi­lie. Die Gewähr­leis­tung wird aus­ge­schlos­sen. Im Mak­ler­ex­po­sé wird die Immo­bi­lie der­ge­stalt beschrie­ben, dass sie in den Jah­ren 2009 bis 2010 „top­sa­niert“ wor­den sei. Die Wohn­räu­me sei­en „hell und ein­la­dend“, das Ambi­en­te sei „groß­zü­gig“ und es sei­en „moderns­te Haus­tech­nik wie eine Sole-Wär­me­pum­pe, digi­ta­le Ver­net­zung der Wohn- und Arbeits­räu­me … rea­li­siert“ worden.

Der Erwer­ber klagt auf Scha­dens­er­satz, weil das Gäs­te-WC im Erd­ge­schoss kei­ne Fuß­bo­den­hei­zung und auch sonst kei­ne Hei­zung hat.

Das OLG meint, es liegt ein Sach­man­gel vor. Die geschul­de­te Soll-Beschaf­fen­heit kann sich auch aus einem Mak­ler­ex­po­sé erge­ben. Sol­che Anga­ben sind öffent­li­che Äuße­run­gen i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F. Dem­zu­fol­ge sind die Anga­ben im Expo­sé bestim­mend für die Beschaf­fen­heit, die der Käu­fer erwar­ten kann. Des­halb durf­te der Käu­fer nach dem Mak­ler­ex­po­sé auch davon aus­ge­hen, dass das Gäs­te-WC mit einer Fuß­bo­den­hei­zung aus­ge­stat­tet ist. Die­se Ein­schät­zung stützt das OLG auf die Beschrei­bung als „top­sa­niert“. Fer­ner auf den Ver­weis auf moderns­te Haus­tech­nik, die groß­zü­gi­ge Dimen­sio­nie­rung des Gäs­te-WCs mit 7 m², dem Vor­han­den­sein einer Fuß­bo­den­hei­zung in den übri­gen Räu­men des Erd­ge­schos­ses sowie die zen­tra­le Lage des Gäs­te-WC als ein­zi­gem WC im Erdgeschoss.

Der Käu­fer wuss­te von der feh­len­den Fuß­bo­den­hei­zung im Gäs­te-WC nichts, weil er hier­über nicht auf­ge­klärt wor­den ist. Der Beweis kann inso­fern auch durch eine infor­ma­to­ri­sche Anhö­rung der Par­tei­en geführt werden.

Hin­weis:

Dass Anga­ben in einem Mak­ler­ex­po­sé zu einer Beschaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung füh­ren, gilt auch bei form­be­dürf­ti­gen Ver­trä­gen. Das hilft dem Käu­fer beim Kauf einer gebrauch­ten Immo­bi­lie aller­dings nur dann, wenn der Ver­käu­fer arg­lis­tig gehan­delt hat. Ansons­ten umfasst ein all­ge­mei­ner Haf­tungs­aus­schluss auch die nach den öffent­li­chen Äuße­run­gen des Ver­käu­fers zu erwar­ten­den Eigen­schaf­ten des Grund­stücks. Es bedarf daher immer der Fest­stel­lung von Arg­list, um den Haf­tungs­aus­schluss zu überwinden.

OLG Karls­ru­he, Urteil vom 13.12.2021, Az: 4 U 112/18

Der mit der Errich­tung eines Hoch­was­ser­schut­zes beauf­trag­te Auf­trag­neh­mer (AN) erbringt sei­ne Leis­tun­gen nur zöger­lich. Daher wird er vom Auf­trag­ge­ber (AG) unter Frist­set­zung auf­ge­for­dert, ihm nach­zu­wei­sen, dass er in der Lage ist, den Bau­ver­trag recht­zei­tig zu erfül­len. Als der AN dem nicht nach­kommt, kün­digt der AG und ver­langt Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten.

Mit Erfolg!

Der AG kann ver­lan­gen, dass bereits vor Ver­zugs­ein­tritt die frist­ge­rech­te Erfüll­bar­keit des Bau­ver­tra­ges nach­ge­wie­sen wird. Bei sei­ner Ent­schei­dungs­ver­kün­dung muss der AG die Pro­gno­se anstel­len, ob es dem AN noch gelin­gen wird, den Auf­trag frist­ge­recht aus­zu­füh­ren. In die­se Pro­gno­se kön­nen aber nur die zum Zeit­punkt der Ent­schei­dungs­fin­dung erkenn­ba­ren objek­ti­ven Umstän­de ein­flie­ßen und nicht die Ver­spre­chun­gen des in Ver­zug gera­te­nen AN. Im Zwei­fel sind die in der Ver­gan­gen­heit fest­stell­ba­ren per­so­nel­len und sach­li­chen Kapa­zi­tä­ten des AN und sei­ne bis­he­ri­ge Arbeits­wei­se auf die Zukunft umzu­le­gen und die Fra­ge zu beant­wor­ten, ob der AN bei Fort­set­zung sei­ner Arbei­ten in glei­cher Inten­si­tät die Frist ein­hal­ten wird, es sei denn, es sind objek­tiv erkenn­ba­re Ver­bes­se­run­gen festzustellen.

Hin­weis:

Der AG hat kei­ne zwin­gen­den Grün­de vor­ge­tra­gen, wes­halb der ver­ein­bar­te Ver­trags­ter­min nicht ein­zu­hal­ten war und damit der Ver­zugs­ein­tritt fest­stand. Nach Auf­fas­sung des OLG Köln ist genau das aber Vor­aus­set­zung für eine Kün­di­gung vor Verzugseintritt.

Das OLG Karls­ru­he hat nun mit sei­ner Ent­schei­dung das Pro­gno­se­ri­si­ko des AG für den Ver­zugs­ein­tritt reduziert.

OLG Olden­burg, Urteil vom 23.09.2019, Az: 13 U 20/17

Nach­dem es bereits 2012 zu einem Groß­brand gekom­men war, brennt 2013 ein Elek­tro­fach­markt erneut ab. Nach dem zwei­ten Brand zahlt die Ver­si­che­rung 3 Mio. Euro. Sie nimmt nun­mehr den Elek­tri­ker in Regress, der im Zuge des Wie­der­auf­baus die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge auf dem Dach instal­liert hat. Die Pla­nung wur­de ihm vom Eigen­tü­mer vor­ge­ge­ben. Die PV-Modu­le wur­den eben­falls vom Eigen­tü­mer gestellt.

Der Elek­tri­ker haf­tet aller­dings nur zu 60%. Er hat den Brand schuld­haft ver­ur­sacht. Zu dem Brand kam es, weil es in einer Kom­po­nen­te der PV-Anla­ge zu einem Kurz­schluss gekom­men ist. Dabei sind Kabel­um­hül­lun­gen geschmol­zen, glü­hend her­ab­ge­tropft und haben die aus brenn­ba­ren Kunst­stoff- und Bitu­men­bah­nen bestehen­de Dach­haut ent­zün­det. Der Elek­tri­ker hat die DIN VDE 0100–482 bzw. DIN VDE 0100–100 nicht beach­tet. Danach sind elek­tri­sche Betriebs­mit­tel, die hohe Tem­pe­ra­tu­ren oder elek­tri­sche Licht­bö­gen ver­ur­sa­chen kön­nen, so anzu­brin­gen oder zu schüt­zen, dass kein Risi­ko der Ent­zün­dung brenn­ba­rer Mate­ria­li­en besteht. Der Elek­tri­ker hät­te sich vor Durch­füh­rung sei­ner Arbei­ten über die Art der Ein­de­ckung und ihre Brenn­bar­keit infor­mie­ren müs­sen. Des­halb muss der Elek­tri­ker sowohl den Scha­den des Eigen­tü­mers als auch des Mie­ters erset­zen. Der Mie­ter ist in den Schutz­be­reich des Instal­la­ti­ons­ver­tra­ges einbezogen.

Dem Elek­tri­ker hel­fen auch sei­ne AGB nicht wei­ter. Die­se sehen eine Haf­tungs­be­gren­zung auf das Dop­pel­te des Auf­trags­wer­tes bei leich­ter Fahr­läs­sig­keit vor. Es liegt aber wegen des Ver­sto­ßes gegen die aner­kann­ten Regeln der Tech­nik kei­ne nur ein­fa­che Fahr­läs­sig­keit vor.

Die Haf­tung des Elek­tri­kers wur­de aller­dings auf 60% gekürzt, weil der Brand auch auf einer man­gel­haf­ten Pla­nung der PV-Anla­ge beruht. Auch die Pla­ner hät­ten die DIN beach­ten müs­sen. Außer­dem hät­ten sie im Hin­blick auf die Brand­ge­fahr wegen des bereits im Jahr 2012 auf­ge­tre­te­nen Bran­des beson­ders sen­si­bi­li­siert sein müs­sen. Das Ver­schul­den der Pla­ner muss sich der Bau­herr zurech­nen lassen.

Hin­weis:

Die Fest­stel­lun­gen des Gerichts, dass jeder Ver­stoß gegen die aner­kann­ten Regeln der Tech­nik grob fahr­läs­sig ist, ist zu all­ge­mein. Es darf bezwei­felt wer­den, ob das Brand­ver­hal­ten von Dach­bah­nen inner­halb der betrof­fe­nen Fach­krei­se hin­rei­chend gut bekannt ist. Bau­ord­nungs­recht­lich rele­vant ist die Anfor­de­rung „Har­te Beda­chung“ unter PV-Anla­gen. Die­se Anfor­de­rung scheint nicht zu genü­gen. Auch das Argu­ment, dass mit PV-Anla­gen beschäf­tig­te Unter­neh­men mit Bah­nen­res­ten selbst Brand­ver­su­che machen könn­ten, ist wenig hilf­reich. Dach­bah­nen sind grund­sätz­lich brennbar.

Die Gefahr des Urteils besteht zudem dar­in, dass betrof­fe­ne Gebäu­de nicht ohne wei­te­res mehr ver­si­cher­bar sein könnten.

Zu den Aache­ner Bau­sach­ver­stän­di­gen­ta­gen 2023 wird die Fra­ge dis­ku­tiert wer­den, wie gesi­chert wer­den kann, dass PV-Anla­gen auf Dächern weit­ge­spann­ter Trag­wer­ke ohne das Risi­ko erheb­li­cher Brand­fol­ge­schä­den errich­tet und die Gebäu­de ver­si­chert wer­den kön­nen, ins­be­son­de­re bei Bestands­bau­ten. Die­se zusätz­li­chen Anfor­de­run­gen an Dächer müs­sen drin­gend dis­ku­tiert und the­ma­ti­siert wer­den, um Lösun­gen zu fin­den, die schnell umsetz­bar sind.