OLG Schleswig, Urteil vom 15.10.2021, Az: 1 U 122/20

Der Auftraggeber (AG), ein Verbraucher, und der Auftragnehmer (AN) schlossen einen Bauvertrag über Gartenbauarbeiten. Sie trafen sich vor Ort, damit der AN das Grundstück besichtigen konnte. Danach unterbreitete der AN postalisch das Angebot, das der AG telefonisch annahm. Für die mangelfrei ausgeführten Arbeiten zahlte der AG ca. 30.000,00 €. Kurz danach erklärt er den Widerruf und begehrt die Rückerstattung.

Ohne Erfolg!

Es liegt kein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB vor und damit besteht auch kein Widerrufsrecht. Der Vertragsabschluss ist zwar ausschließlich durch Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt. Allerdings haben die Vertragsverhandlungen persönlich stattgefunden. Nach dem Schutzbedarf des Verbrauchers im Werkvertragsrecht liegen Vertragsverhandlungen schon dann vor, wenn der Verbraucher aufgrund eines gemeinsamen Ortstermines die Möglichkeit hatte, im persönlichen Gespräch mit dem AN hinreichend Informationen zu erfragen, um ein späteres Angebot sachgerecht zu beurteilen und einen persönlichen Eindruck vom AN zu erhalten. Nicht erforderlich ist es, dass die Parteien beim Ortstermin Einzelheiten des Vertrages verhandeln. Anders als bei Verträgen über die Lieferung von Waren kann sich der Verbraucher bei einem Werkvertrag über ein noch herzustellendes Werk vorab ohnehin keinen Eindruck von dessen Qualität verschaffen. Es kommt deshalb nach dem Schutzzweck des § 312c BGB vorliegend nicht darauf an, dass der Verbraucher die Ware nicht vor Vertragsabschluss sehen oder prüfen kann. Außerdem ist der Vertrag auch nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems des AN zustande gekommen. Hierfür reicht es nicht bereits, dass der AN auf seiner Website über sein Leistungsangebot informiert und die Kontaktmöglichkeit zur Verfügung stellt, denn der AN erstellt sein Angebot stets erst aufgrund der Durchführung eines Ortstermines.

Hinweis:

Es sei trotzdem mit Nachdruck davor gewarnt, sich darauf zu verlassen, dass ein Ortstermin immer mit Verhandlungen gleichgesetzt wird. Dem steht der Gesetzeswortlaut entgegen.

Gerettet hat den Unternehmer hier, dass er seine Angebote regelmäßig erst nach einem vorherigen Ortstermin abgibt, so dass sein Geschäftsbetrieb nicht auf den Fernabsatz ausgerichtet ist.

OLG Naumburg, Urteil vom 07.10.2021, Az: 2 U 33/21

Gestritten wird um die Wirksamkeit eines Widerrufs nach Abschluss eines Vertrages zur Herstellung von Fensterarbeiten für die Neuerrichtung eines Einfamilienhauses eines Verbrauchers. Der vom Verbraucher bevollmächtigte Architekt holte ein Leistungsverzeichnis des Fensterbauers ein. Dieses Angebot wurde auf Wunsch des Verbrauchers mehrfach angepasst. Das 5. Angebot des Fensterbauers wurde in den Geschäftsräumen des Architekten bei Anwesenheit des Architekten, des Verbrauchers und des Unternehmers besprochen und führte zur Fertigung eines VOB/B-Vertrages. Der Architekt übersandte den Vertrag dem Fensterbauer zur Unterzeichnung. Dieser unterzeichnete den Vertrag in seinen Geschäftsräumen und übersandte ihn dem Architekten zur Gegenzeichnung durch den Verbraucher. Der Verbraucher unterzeichnete sodann in den Geschäftsräumen des Architekten. Nach Fertigstellung der Arbeiten erklärte der Verbraucher den Widerruf des Vertrages und fordert u. a. die Rückzahlung geleisteter Abschlagszahlungen.

Ohne Erfolg!

Es besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht. Deshalb ist der Widerruf unwirksam. Es hat im Rahmen der Vertragsanbahnung ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden. Daher ist der Vertrag nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Das schließt ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1, § 312c Abs. 1 BGB aus. Auch die Voraussetzungen eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrages nach § 312b Abs. 1 BGB liegen nicht vor, da die zum Vertragsabschluss führende Erklärung nicht bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien außerhalb der Geschäftsräume abgegeben wurde, sondern durch Unterzeichnung des Vertrages in Abwesenheit der jeweils anderen Partei.

OLG Dresden, Urteil vom 29.06.2022, Az: 22 U 1689/20

Der Auftragnehmer (AN) ist mit Fassadenreinigungsarbeiten beauftragt und meldet Bedenken an, weil die Fassade teilweise nicht mehr intakt ist und das vorgesehene Hochdruck-Heißwasserstrahlen nur bei einer geschlossenen Putzfläche zulässig ist. Der Auftraggeber (AG) sieht das ganz anders und verlangt die Ausführung der Arbeiten und dass der AN mit höherem Wasserdruck arbeitet. Als das der AN nicht tut, kündigt der AG den Vertrag, woraufhin der AN die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verlangt.

Mit Erfolg!

Der AG war nicht berechtigt, den Vertrag wegen eines Verzugs des AN mit der Leistungserbringung zu kündigen. Der AN gerät nicht in Verzug, wenn er einer Weisung des AG nicht folgt, die seine geltend gemachten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigt. Der AN ist auch deshalb nicht zur Fortsetzung seiner Leistungen verpflichtet gewesen, weil der AG insoweit nicht auf die Gewährleistung verzichtet hat. Die Vertragskündigung ist dementsprechend in eine freie Kündigung umzudeuten gewesen.

Hinweis:

Eine Bedenkenanmeldung schützt den AN nur vor Mängelansprüchen des AG, nicht aber vor Ansprüchen Dritter, die z. B. durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geschädigt werden. Außerdem kann sich der AN durch eine Bedenkenanzeige nicht von seiner Verantwortung für die Einhaltung der geltenden gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen befreien.

Selbstverständlich muss der AG die Anordnung auch dann nicht ausführen, wenn mit deren Befolgung eine Gefahr für Leib und Leben verbunden wäre.