OLG Dres­den, Beschluss vom 24.11.2022, Az: 14 U 538/22

Eine bio­lo­gi­sche Klär­an­la­ge wird errich­tet und im Dezem­ber 2015 fer­tig­ge­stellt. Es fin­det kei­ne aus­drück­li­che Abnah­me statt. Die im Janu­ar 2016 gestell­te Schluss­rech­nung zahlt der Auf­trag­ge­ber (AG) über­wie­gend. Sodann beauf­tragt der AG Dritt­un­ter­neh­men mit der War­tung der Anla­ge. Nach­dem Pro­ble­me mit der Anla­ge auf­tre­ten, bean­tragt der AG im Okto­ber 2017 die Durch­füh­rung eines selbst­stän­di­gen Beweis­ver­fah­rens und for­dert den Auf­trag­neh­mer (AN) dann im Okto­ber 2019 zur Nach­er­fül­lung auf, die nicht erfolgt. Im Rechts­streit ver­langt der AG vom AN Vor­schuss zur Mangelbeseitigung.

Ohne Erfolg!

Der AG hat die Anla­ge vor Ein­lei­tung des selbst­stän­di­gen Beweis­ver­fah­rens kon­klu­dent abge­nom­men. Eine kon­klu­den­te Abnah­me kommt in Betracht, wenn ein im Wesent­li­chen funk­ti­ons­tüch­ti­ges Werk bestim­mungs­ge­mäß in Gebrauch genom­men wird und ein ange­mes­se­ner Erpro­bungs­zeit­raum abge­lau­fen ist. Fer­ner hat sich der Abnah­me­wil­le des AG in der weit über­wie­gen­den Zah­lung auf die Schluss­rech­nung mani­fes­tiert. Auch hat der AG nicht dar­ge­legt, dass zu die­sem Zeit­punkt die Anla­ge nicht im Wesent­li­chen funk­ti­ons­tüch­tig gewe­sen wäre. Damit gilt die Anla­ge als kon­klu­dent abge­nom­men und der AG trägt die Beweis­last für die Mangelhaftigkeit.

Die­se Beweis­füh­rung ist ihm nicht gelun­gen, da der Sach­ver­stän­di­ge fest­ge­stellt hat, dass die Män­gel nicht ihren Grund in einer man­gel­haf­ten Pla­nung oder Errich­tung der Anla­ge gehabt haben, son­dern in einer unzu­rei­chen­den War­tung und Bedienung.

OLG Frank­furt, Urteil vom 09.03.2023, Az: 15 U 295/21

Es kommt bei der Durch­füh­rung von Roh­bau­ar­bei­ten an einem Bestands­bau wegen Schad­stoff­fun­den zu einer Bau­zeit­ver­län­ge­rung. Der Auf­trag­neh­mer (AN) meint, ihm ste­he gegen den Auf­trag­ge­ber (AG) ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer stö­rungs­be­ding­ten Unter­de­ckung der All­ge­mei­nen Geschäfts­kos­ten (AGK) einer­seits und Wagnis/Gewinn ande­rer­seits sowie Pro­duk­ti­vi­täts­ver­lus­ten und wit­te­rungs­be­ding­ten Leis­tungs­min­de­run­gen sowie Vor­hal­te­kos­ten zu.

Das OLG sieht dies anders:

Zwar erfasst § 2 Abs. 5 VOB/B auch Mehr­kos­ten des AN, die auf ange­ord­ne­te Ände­run­gen des Bau­ent­wur­fes zurück­zu­füh­ren sind. Dabei sind aller­dings die bau­zeit­be­ding­ten Mehr­kos­ten auf der Grund­la­ge einer bau­ab­lauf­be­zo­ge­nen Dar­stel­lung, also die Gegen­über­stel­lung der Ist- mit den Soll-Abläu­fen, schlüs­sig dar­zu­le­gen. Der AN hat dar­zu­stel­len, wie er den Bau­ab­lauf geplant hat­te. Dem ist der tat­säch­li­che Bau­ab­lauf gegen­über­zu­stel­len. Die ein­zel­nen Behin­de­run­gen sind mit ihren tat­säch­li­chen Aus­wir­kun­gen auf den Bau­ab­lauf zu erläutern.

Fer­ner kann bei § 2 Abs. 5 VOB/B eine Mehr­kos­ten­be­rech­nung  nicht auf eine umsatz­be­zo­ge­ne Unter­de­ckung der AGK bzw. Wagnis/Gewinn gestützt wer­den. Außer­dem haben hier Nach­trags­ver­ein­ba­run­gen vor­ge­le­gen, die im Hin­blick auf die Bau­zeit­ver­zö­ge­rungs­fol­gen abschlie­ßend sind.

Hin­weis:

Der Fall ist typisch. Immer wie­der wird vom AN ver­sucht, ohne bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­stel­lun­gen zu einem Zah­lungs­an­spruch zu gelan­gen. § 2 Abs. 5 VOB/B gewährt einen Ver­gü­tungs­an­spruch für ent­stan­de­ne Mehr­kos­ten. Aus­ge­blie­be­ne Umsät­ze für AGK und Wagnis/Gewinn stel­len aber kei­ne ver­trags­be­zo­ge­nen Mehr­kos­ten dar. Von § 2 Abs. 5 VOB/B wer­den nur sol­che tat­säch­lich erfor­der­li­chen Mehr­kos­ten erfasst, die als Fol­ge einer Anord­nung ent­stan­den sind und bei Aus­füh­rung der ursprüng­lich ver­ein­bar­ten Leis­tung nicht ent­stan­den wären. Nur hier­auf kann dann ein ange­mes­se­ner Zuschlag für AGK sowie Wagnis/Gewinn berech­net werden.

OLG Mün­chen, Urteil vom 26.07.2022, Az: 9 U 7532/21 Bau

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) mit Tief­bau­ar­bei­ten. Die VOB/B ist Ver­trags­be­stand­teil. Der AN führt die Arbei­ten größ­ten­teils aus. Aller­dings ver­lässt er noch vor Ein­bau der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Asphalt­trag­schicht die Bau­stel­le und zieht sämt­li­che Mit­ar­bei­ter ab. Drei Wochen spä­ter lässt der AG, ohne den AN zuvor zur Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten auf­ge­for­dert zu haben, die noch aus­ste­hen­den Arbei­ten durch einen ande­ren Unter­neh­mer aus­füh­ren und rech­net mit den ent­stan­de­nen Kos­ten gegen den Ver­gü­tungs­an­spruch des AN auf.

Ohne Erfolg!

Es wäre vor Beauf­tra­gung des Dritt­un­ter­neh­mers mit der Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten erfor­der­lich gewe­sen, dem AN zuvor eine Frist mit Kün­di­gungs­an­dro­hung zu set­zen. Die­se Frist­set­zung war hier nicht ent­behr­lich. Allein das Ver­las­sen der Bau­stel­le ist kei­ne Erfül­lungs­ver­wei­ge­rung. Viel­mehr erfor­dert in einem sol­chen Fall das Koope­ra­ti­ons­ge­bot, dass der AG sich mit dem AN in Ver­bin­dung setzt, um das wei­te­re Vor­ge­hen zu besprechen.

Hin­weis:

Auch wenn die Arbei­ten grund­los ein­ge­stellt wer­den, soll­te der AG eine Frist zur Fer­tig­stel­lung set­zen und die­se mit einer Kün­di­gungs­an­dro­hung ver­bin­den. Dabei muss auch dar­auf geach­tet wer­den, dass die gesetz­te Nach­frist ange­mes­sen ist.

Es ist grund­sätz­lich so, dass Part­ner eines Bau­ver­tra­ges auf­grund des bau­ver­trag­li­chen Koope­ra­ti­ons­ge­bo­tes bei allen auf­tre­ten­den Kom­pli­ka­tio­nen zunächst ver­su­chen sol­len, mit­ein­an­der ins Gespräch zu kom­men, um eine ange­mes­se­ne Lösung zu fin­den. Bei Ver­stoß gegen die­ses Gebot kann Rechts­ver­lust drohen.

OLG Mün­chen, Urteil vom 21.11.2023, Az: 9 U 301/23 Bau e

Ein Archi­tekt macht für sei­ne offe­nen Hono­rar­an­sprü­che einen Anspruch auf Sicher­heit nach § 648a BGB a. F. in Höhe von ca. 4,3 Mio. € gel­tend. Das Land­ge­richt weist die Kla­ge ab, weil der Anspruch ver­jährt sei. Die Ver­jäh­rung begin­ne nicht zum Schluss des Jah­res, in dem der Anspruch ent­stan­den sei. Viel­mehr errech­ne sich die Ver­jäh­rungs­frist tag­ge­nau ab dem ers­ten Siche­rungs­ver­lan­gen. Der Archi­tekt legt Beru­fung ein.

Mit Erfolg!

Das OLG stellt fest, dass der BGH zwar offen­ge­las­sen habe, ob die Ver­jäh­rung am Schluss des Jah­res, in dem der Anspruch ent­stan­den sei, beginnt. Die über­wie­gen­de Mei­nung in der Lite­ra­tur geht jedoch davon aus. Die Rechts­auf­fas­sung des LG sei des­halb unzu­tref­fend. Damit beginnt die Ver­jäh­rung des Anspruchs auf Stel­lung einer Bau­hand­wer­ker­si­cher­heit am Schluss des Jah­res, in dem der Unter­neh­mer die Sicher­heit ver­langt hat.

Hin­weis:

Im Zusam­men­hang mit der Bau­hand­wer­ker­si­cher­heit nach dem neu­en § 650f BGB müs­sen eini­ge Ver­jäh­rungs­fris­ten beach­tet werden.

Zunächst darf der Anspruch auf Sicher­heits­leis­tung nicht ver­jäh­ren. Wird Sicher­heit durch Bürg­schaft geleis­tet, muss der Auf­trag­neh­mer (AN) dafür sor­gen, dass der Anspruch gegen den Bür­gen nicht ver­jährt. Außer­dem ist natür­lich dafür Sor­ge zu tra­gen, dass der eigent­li­che Anspruch nicht verjährt.

OLG Frank­furt, Urteil vom 21.12.2023, Az: 15 U 211/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) führ­te 2012 Arbei­ten an der Dach­ein­de­ckung des Neu­baus eines Büro­ge­bäu­des für den Auf­trag­ge­ber (AG) aus. Die VOB/B wur­de in den Ver­trag ein­be­zo­gen. Das Dach ist seit 2014 undicht. In den Fol­ge­jah­ren stan­den die Par­tei­en mehr­fach in Kon­takt. Am 28.06.2016 bat der Geschäfts­füh­rer des AG den AN per Whats­App, sich das Dach noch­mals anzu­schau­en, weil es immer noch lecke. Der AN ant­wor­te­te mit „ok“ und sah sich das Dach am 29.06.2016 an. Der AG will nun Ersatz der Kos­ten für die zwi­schen­zeit­lich aus­ge­führ­te Dach­sa­nie­rung in Höhe von ca. 100.000,00 €. Der AN wen­det Ver­jäh­rung ein.

Das OLG hält die For­de­rung für ver­jährt. Durch die Bege­hung des Daches am 29.06.2016 kön­ne zwar eine Hem­mung der Ver­jäh­rung abge­lei­tet wer­den. Danach sei­en die Ver­hand­lun­gen aber ein­ge­schla­fen, denn nach der Dach­be­ge­hung habe der AG nicht wei­ter reagiert. Eine Reak­ti­on sei inner­halb eines Monats zu erwar­ten gewe­sen, daher sei die Hem­mung am 29.07.2016 been­det gewe­sen. Die Whats­App-Nach­richt des AG vom 28.06.2016 habe auch kei­nen Qua­si-Neu­be­ginn einer geson­der­ten 2‑jährigen Frist nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B aus­ge­löst. Bei die­ser Whats­App-Nach­richt feh­le es an dem hier­zu erfor­der­li­chen schrift­li­chen Man­gel­be­sei­ti­gungs­ver­lan­gen. Zwar gel­te für das Schrift­form­erfor­der­nis der VOB/B nicht § 126 BGB, son­dern § 127 Abs. 2 S. 1 BGB. Dem­zu­fol­ge kön­ne die gewill­kür­te Schrift­form durch eine tele­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung gewahrt wer­den. Hier­zu sei aber eine Erklä­rung erfor­der­lich, die in glei­cher Wei­se wie ein Schrift­stück ver­fasst sei, aus der sich unzwei­deu­tig der Erklä­ren­de ergebe.

Zudem müs­se der Erklä­rungs­emp­fän­ger in der Lage sein, das Schrift­stück aus­zu­dru­cken und dau­er­haft abzu­spei­chern bzw. zu archi­vie­ren. All das sei hier nicht gege­ben. Außer­dem kön­ne ein Mes­sen­ger-Dienst, der zum raschen Aus­tausch rein pri­va­ter Nach­rich­ten und gera­de nicht zur Abga­be rechts­ge­schäft­li­cher Erklä­run­gen bestimmt sei, nicht die not­wen­di­ge Warn­funk­ti­on eines Form­erfor­der­nis­ses erfüllen.

Hin­weis:

Wer rechts­si­cher die (gewill­kür­te) Schrift­form wah­ren will, muss min­des­tens eine E‑Mail schreiben.

OLG Mün­chen, Urteil vom 15.02.2022, Az: 28 U 2563/13 Bau

BGH, Beschluss vom 14.12.2022, Az: VII ZR 56/22

Die Ver­käu­fer sanie­ren eine rund 50 Jah­re alte Dop­pel­haus­hälf­te. Neu instal­liert wer­den dabei ein Gas­brenn­wert­kes­sel, eine Solar­an­la­ge, Heiz­kör­per, die Fuß­bo­den­hei­zung, Haus­was­ser­in­stal­la­ti­on, Fens­ter, Haus­tür und Dach­ein­de­ckung. Anschlie­ßend bie­ten sie die Dop­pel­haus­hälf­te als „kern­sa­niert“ an und schlie­ßen im Kauf­ver­trag – wie bei Grund­stücks­kauf­ver­trä­gen üblich – Män­gel­rech­te des Käu­fers aus. Die Käu­fer machen nach Durch­füh­rung eines selbst­stän­di­gen Beweis­ver­fah­rens nach Werk­ver­trags­recht (nicht nach Kauf­recht) einen Kos­ten­vor­schuss­an­spruch in Höhe von ca. 170.000,00 € geltend.

Mit Erfolg!

Das OLG Mün­chen stellt fest, dass die Käu­fer Scha­dens­er­satz­an­sprü­che haben, da die Immo­bi­li­en nicht die ver­trag­lich geschul­de­te Beschaf­fen­heit auf­weist. Die Par­tei­en hät­ten einen Ver­trag abge­schlos­sen, der sowohl kauf- als auch werk­ver­trag­li­che Ele­men­te enthalte.

Zwar lie­ge kein Bau­trä­ger­ver­trag vor, die Ver­käu­fer hät­ten aber eine umfas­sen­de Sanie­rung ver­spro­chen, für deren Durch­füh­rung tie­fe Ein­grif­fe in die Bau­sub­stanz erfor­der­lich gewe­sen sei­en. In wirt­schaft­li­cher Hin­sicht wür­den die klas­si­schen werk­ver­trag­li­chen Kom­po­nen­ten des Ver­tra­ges die kauf­ver­trag­li­chen Ele­men­te über­ra­gen, wes­halb die gel­tend gemach­ten Ansprü­che nach Werk­ver­trags­recht zu beur­tei­len sei­en. Die Bezeich­nung des Ver­tra­ges als „Kauf­ver­trag“ sei hier­bei unschädlich.

Hin­weis:

§ 650u BGB erfor­dert für das Vor­lie­gen eines Bau­trä­ger­ver­tra­ges kei­nen „erheb­li­chen“ Umbau, wes­halb das Gericht den vor­lie­gen­den Ver­trag als Bau­trä­ger­ver­trag ein­ord­net. Die Durch­füh­rung der Sanie­rungs­ar­bei­ten vor Abschluss des nota­ri­el­len Ver­tra­ges steht der Anwen­dung von Werk­ver­trags­recht nicht ent­ge­gen (sog. Nach­züg­ler-Recht­spre­chung). Fer­ner kann ein Bau­trä­ger­ver­trag auch dann vor­lie­gen, wenn auf der Ver­äu­ße­rer­sei­te ein Ver­brau­cher handelt.

LG Mün­chen II, Urteil vom 20.04.2023, Az: 3 O 5314/19 Bau

Ein Bau­trä­ger ver­langt vom Erwer­ber Rest­ver­gü­tung in Höhe von ca. 6.000,00 €. Die Eigen­tums­woh­nung wur­de im Novem­ber 2016 unter Män­gel­vor­be­halt abge­nom­men. Die Besitz­über­ga­be erfolg­te im Dezem­ber 2016. Die Schluss­rech­nung des Bau­trä­gers datiert eben­falls vom Dezem­ber 2016. Dort wird die Fer­tig­stel­lungs­ra­te in Höhe von 3,5% gefor­dert.  Die Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums erfolgt eben­falls unter Män­gel­vor­be­halt am 17.01.2017. Auf die Schluss­rech­nung zahl­te der Erwer­ber einen Abschlag in Höhe der Hälfte.

Das Gericht weist die Kla­ge des Bau­trä­gers ab. Die For­de­rung des Bau­trä­gers sei man­gels „voll­stän­di­ger Fer­tig­stel­lung“ nicht fäl­lig gewor­den. Voll­stän­di­ge Fer­tig­stel­lung liegt nach Ansicht des Gerichts dann vor, wenn alle wesent­li­chen und auch die unwe­sent­li­chen bei der Abnah­me gerüg­ten Män­gel, sog. Pro­to­koll­män­gel, besei­tigt sind.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat im Gerichts­ver­fah­ren das Vor­han­den­sein der Pro­to­koll­män­gel bestä­tigt und Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten im Son­der­ei­gen­tum in Höhe von ca. 5.500,00 € und im Gemein­schafts­ei­gen­tum in Höhe von ca. 20.000,00 € fest­ge­stellt. Auch wenn die Män­gel im Gemein­schafts­ei­gen­tum mög­li­cher­wei­se unwe­sent­li­che Män­gel sind, darf sich der Erwer­ber hier­auf beru­fen und zwar auch dann, wenn die Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft die Man­gel­ver­fol­gung an sich gezo­gen hat. Die Ein­re­de der feh­len­den Fäl­lig­keit unter­liegt zudem kei­ner betrags­mä­ßi­gen Begren­zung auf die Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten oder einer Miteigentumsquote.

Hin­weis:

Es han­delt sich um die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung eines Land­ge­rich­tes. Das Land­ge­richt hat sich aller­dings mit sei­ner sehr aus­führ­lich begrün­de­ten Ent­schei­dung mit dem Mei­nungs­stand zur „voll­stän­di­gen Fer­tig­stel­lung“ aus­ein­an­der­ge­setzt, wes­halb der Ent­schei­dung zuzu­stim­men ist.

Die­se Ent­schei­dung zur sog. Fer­tig­stel­lungs­ra­te ist auch über­trag­bar auf die Fäl­lig­keit des 5%-igen Sicherheitseinbehaltes.

Erwer­ber soll­ten vor Zah­lung des Sicher­heits­ein­be­hal­tes in Höhe von 5% und der Fer­tig­stel­lungs­ra­te prü­fen, ob der Bau­trä­ger tat­säch­lich Zah­lung ver­lan­gen kann und sich hier­zu ggf. auch bera­ten las­sen. Erfah­rungs­ge­mäß ist die Nei­gung des Bau­trä­gers zur Man­gel­be­sei­ti­gung gering, wenn von den Erwer­bern kei­ne oder nur noch gerin­ge Zah­lun­gen zu erwar­ten sind.

OLG Köln, Urteil vom 12.04.2021, Az: 19 U 76/20

BGH, Beschluss vom 15.02.2023, Az: VII ZR 413/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) soll Bau­ar­bei­ten bei einem Groß­bau­vor­ha­ben aus­füh­ren. Dabei kommt es zu Stö­run­gen des Bau­ab­laufs und der AN legt einen Bau­zei­ten­nach­trag vor. Der Bau­zei­ten­nach­trag wird geprüft, eine ver­bind­li­che Ver­ein­ba­rung kommt aber nicht zustan­de. Dar­auf­hin erhebt der AN Klage.

Ohne Erfolg!

Die Gerich­te ver­mis­sen eine kon­kre­te bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­stel­lung nebst Gegen­über­stel­lung der Ist- und Soll-Abläu­fe. Es nützt dem AN auch nichts, dass er ein­wen­det, dass der Bau­zei­ten­nach­trag geprüft wur­de und der Pro­jekt­steue­rer des­sen Ange­mes­sen­heit bestä­tigt habe und er sich mit dem dama­li­gen Ober­bür­ger­meis­ter (OB) auf eine Ver­gü­tung ver­stän­digt habe. Erleich­te­run­gen der Dar­le­gungs- und Beweis­last jeden­falls sei­en des­halb – so die Gerich­te – nicht gerecht­fer­tigt. Es habe sich bei den Äuße­run­gen des OB und des Pro­jekt­steue­rers ledig­lich um Absichts­be­kun­dun­gen gehan­delt. Dem AN sei bekannt gewe­sen, dass die maß­geb­li­chen Ent­schei­dun­gen von den kom­mu­na­len Gre­mi­en zu tref­fen sind.

Hin­weis:

Scha­dens­er­satz­an­sprü­che schei­tern meis­tens am feh­len­den Ver­schul­den des Auf­trag­ge­bers (AG). Der AG muss sich Ver­säum­nis­se des Vor­un­ter­neh­mers, die zu Bau­ab­lauf­stö­run­gen füh­ren, nicht zurech­nen las­sen, da die Vor­un­ter­neh­mer im Ver­hält­nis zum AN kei­ne Erfül­lungs­ge­hil­fen des AG sind.

Gleich­wohl kann der AN gegen den AG ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­ge Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che aus § 642 BGB haben, auch wenn dem AG in Bezug auf die Bau­ab­lauf­stö­rung kein Ver­schul­den vor­zu­wer­fen ist.

Eine bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­stel­lung ist dann nicht erfor­der­lich, wenn im Ver­zö­ge­rungs­zeit­raum ein abso­lu­ter Bau­stopp herrsch­te. Wenn der AN nicht baut, gibt es kei­nen Bau­ab­lauf, der dar­ge­stellt wer­den müsste.

OLG Nürn­berg, Beschluss vom 29.04.2022, Az. 13 U 4656/21

Der Bau­trä­ger hat die voll­stän­di­ge Fer­tig­stel­lung der vom Erwer­ber erwor­be­nen Eigen­tums­woh­nung bis zum 31.01.2016 zuge­si­chert. Die Abnah­me erfolg­te jedoch erst am 15.08.2016, die Über­ga­be der Woh­nung erst am 24.10.2017, nach­dem der Bau­trä­ger trotz vor­han­de­ner Män­gel und trotz ent­stan­de­nem Ver­zugs­scha­den zunächst auf den voll­stän­di­gen Aus­gleich des Erwerbs­prei­ses bestan­den hat­te. Der Erwer­ber klagt auf Eigen­tums­um­schrei­bung und obsiegt vor dem Landgericht.

Das OLG Nürn­berg misst der Beru­fung des Bau­trä­gers gegen die­se Ent­schei­dung kei­ne Erfolgs­aus­sich­ten bei. Nach erfolg­ter Auf­rech­nung bestehe mit ca. 2,3 % nur noch ein gering­fü­gi­ger rest­li­cher Erwerbs­preis Die Ver­wei­ge­rung der Auf­las­sung ver­sto­ße daher gegen Treu und Glau­ben, zumal der Bau­trä­ger die ver­trag­li­che Abwick­lung erheb­lich ver­zö­gert hat. Das OLG Nürn­berg ver­weist zutref­fend auf die ein­schlä­gi­ge BGH-Recht­spre­chung sowie zwei Ent­schei­dun­gen des OLG München.

Hin­weis:

Grund­sätz­lich setzt die Eigen­tums­um­schrei­bung die voll­stän­di­ge Zah­lung des Kauf­prei­ses vor­aus. Der Erwer­ber kann jedoch Tei­le der Kauf­preis­for­de­rung durch Auf­rech­nung, z. B. mit Ver­zugs­scha­den oder einem Vor­schuss auf Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten, zum Erlö­schen bringen.

Außer­dem kann der Erwer­ber auch bei Vor­lie­gen eines Zurück­be­hal­tungs­rechts wegen vor­han­de­ner Män­gel die Eigen­tums­um­schrei­bung ver­lan­gen, ins­be­son­de­re dann, wenn der Bau­trä­ger trotz wie­der­hol­ter Mah­nun­gen die Män­gel nicht beseitigt.

In letz­ter Zeit häu­fen sich Fäl­le, in denen Bau­trä­ger die letz­ten bis zur voll­stän­di­gen Fer­tig­stel­lung des Gebäu­des zu erbrin­gen­den Rest­leis­tun­gen nur zöger­lich erbrin­gen und dadurch ver­ur­sa­chen, dass die letz­te Kauf­preis­ra­te nicht fäl­lig wird. Auch bei der­ar­ti­gen Kon­stel­la­tio­nen besteht u. U. ein Anspruch auf Eigen­tums­um­schrei­bung vor voll­stän­di­ger Kaufpreiszahlung.

OLG Düs­sel­dorf, Urteil vom 29.11.2022, Az. 21 U 71/22

Es wer­den Abbruch- und Sanie­rungs­ar­bei­ten an einer Schu­le aus­ge­schrie­ben. Die Arbei­ten umfas­sen auch die Ent­fer­nung von 9.000 m² asbest­hal­ti­gem Putz inkl. Far­be, Spach­tel­mas­se und Beton, bei einer wei­te­ren LV-Posi­ti­on die Ent­sor­gung von 120 t Asbest. Tat­säch­lich fal­len 563,56 t asbest­hal­ti­ger Putz an, wes­halb der AN einen Nach­trag in Höhe von 115.000,00 € gel­tend macht. Er ist der Auf­fas­sung, dass sein kal­ku­lier­ter Auf­wand deut­lich erhöht wur­de. Er habe mehr Mate­ri­al abge­stemmt, in Säcke ver­packt und wesent­lich mehr Säcke hät­ten inner­halb des soge­nann­ten Schwarz­be­reichs trans­por­tiert, gerei­nigt und aus­ge­schleust wer­den müs­sen. Der AG ver­wei­gert die Bezah­lung, wes­halb der AN Kla­ge erhebt.

Ohne Erfolg! Die Aus­schrei­bung ent­hielt kei­ne Anga­ben zur Dicke des asbest­hal­ti­gen Put­zes, son­dern ledig­lich eine qm-Anga­be. Bei den durch­zu­füh­ren­den Asbest­ar­bei­ten wuss­te kei­ne Par­tei genau, wo sich die Kon­ta­mi­nie­rung kon­kret befand. Zudem han­del­te es sich um einen Alt­bau, der zu ver­schie­de­nen Zei­ten errich­tet und ergänzt wor­den war. Außer­dem fehl­ten ein­deu­ti­ge Bau­un­ter­la­gen. Auf­grund die­ser Beschrei­bung hät­te dem AN als Spe­zi­al­un­ter­neh­men klar sein müs­sen, dass die kon­kre­te Lage des Asbests und des­sen Men­ge unbe­kannt waren. Die­se Unge­wiss­heit hät­te er in sei­ner Kal­ku­la­ti­on berück­sich­ti­gen müssen.

Hin­weis:

Nach der Recht­spre­chung des BGH darf sich ein AN auf ein erkenn­bar kal­ku­la­to­risch unkla­res LV nicht ver­las­sen. Er darf sol­che LV-Posi­tio­nen nicht ein­fach hin­neh­men, son­dern muss Zwei­fels­fra­gen vor Abga­be des Ange­bots klä­ren. Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn sich aus dem LV und den über­las­se­nen Unter­la­gen die Bau­aus­füh­rung nicht mit hin­rei­chen­der Klar­heit ergibt, der AN aber hier­auf maß­geb­lich abstel­len will.