OLG Cel­le, Urteil vom 01.02.2023, Az: 3 U 60/22

Ein Notar beur­kun­det zwi­schen 2013 und 2015 zehn Bau­trä­ger­ver­trä­ge, wonach „mit der Prü­fung der Abnah­me­r­ei­fe ein vom zukünf­ti­gen Ver­wal­ter noch zu benen­nen­der Sach­ver­stän­di­ger beauf­tragt wird und die Erwer­ber zur Abnah­me ver­pflich­tet sind, wenn der Sach­ver­stän­di­ge kei­ne wesent­li­chen Män­gel, die die Gebrauchs­fä­hig­keit des Gemein­schafts­ei­gen­tums beein­flus­sen, fest­stellt“. Die Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums in Anwen­dung die­ser Klau­sel erfolg­te am 03.11.2015.

In einem Pro­zess mit einem Erwer­ber wird der Bau­trä­ger dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die beur­kun­de­te Klau­sel unwirk­sam ist, wes­halb der Bau­trä­ger den Notar zu einer Erklä­rung dahin auf­for­dert, dass der Notar dem Bau­trä­ger die Schä­den erset­zen muss, die dem Bau­trä­ger durch die unwirk­sa­men Abnah­me­klau­seln entstehen.

Die Fest­stel­lungs­kla­ge hat Erfolg!

Der Notar hat sei­ne Hin­weis- und Beleh­rungs­pflich­ten ver­letzt. Er ist ver­pflich­tet, in allen Pha­sen sei­ner Tätig­keit den sichers­ten Weg zu gehen. Dazu gehört auch, AGB-Klau­seln, die zu Zwei­feln an ihrer Wirk­sam­keit Anlass geben, einer nähe­ren Prü­fung zu unter­zie­hen. Lässt sich die recht­li­che Wirk­sam­keit einer sol­chen Klau­sel nicht zwei­fels­frei klä­ren, darf der Notar das Rechts­ge­schäft erst dann beur­kun­den, wenn die Par­tei­en nach Beleh­rung über die offe­ne Rechts­fra­ge und das mit ihr ver­bun­de­ne Risi­ko auf Beur­kun­dung bestehen.

Die Klau­sel ist des­halb unwirk­sam, weil damit die Ent­schei­dungs­frei­heit der Erwer­ber­bei bei der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums ein­ge­schränkt wird. Ent­spre­chen­de Recht­spre­chung exis­tiert bereits seit 1985.

OLG Frank­furt, Beschluss vom 13.03.2023, Az: 21 U 52/22

Der Auf­trag­neh­mer (AN) soll für den Auf­trag­ge­ber (AG) Elek­tro­ar­bei­ten durch­füh­ren. Die VOB/B ist Ver­trags­be­stand­teil. Nach Abnah­me macht der AN mit Schluss­rech­nung vom 01.11.2016 offe­nen Rest­werk­lohn in erheb­li­cher Höhe geltend.

Dar­auf­hin wird die Schluss­rech­nung von dem vom AG beauf­trag­ten Inge­nieur­bü­ro als nicht prüf­bar zurück­ge­wie­sen. Der AN über­sen­det dar­auf­hin noch Auf­maß­un­ter­la­gen, wor­auf­hin die Rech­nung erneut als nicht prüf­bar zurück­ge­wie­sen wird. Die letz­te Zurück­wei­sung der Schluss­rech­nung erfolg­te am 02.12.2016.

Im Jahr 2020 ver­klagt der AN den AG auf Zah­lung des offe­nen Rest­werk­loh­nes. Der AG beruft sich auf Ver­jäh­rung. Er meint, die Rest­werk­lohn­for­de­rung sei bereits seit 2016 fäl­lig gewor­den, wes­halb die­se am 31.12.2019 verjährt.

Die Ver­jäh­rungs­ein­re­de hat Erfolg!

Der Werk­lohn ist nach Abnah­me und Über­mitt­lung der Schluss­rech­nung im Jahr 2016 fäl­lig gewor­den. Vor­aus­set­zung für die Fäl­lig­keit der For­de­rung ist neben der Abnah­me eine prüf­ba­re Schluss­rech­nung. Das Gericht stellt fest, dass die erteil­te Schluss­rech­nung prüf­bar war. Dar­an ändert auch die wie­der­hol­te Zurück­wei­sung durch den AG nichts.

Dem AG ist ins­be­son­de­re auch nicht die Ver­jäh­rungs­ein­re­de des­halb ver­wehrt, weil er sich mehr­fach auf die feh­len­de Prüf­bar­keit beru­fen hat. Wider­sprüch­li­ches Ver­hal­ten ist grund­sätz­lich zuläs­sig und nur dann rechts­miss­bräuch­lich, wenn für den Ande­ren ein Ver­trau­en­s­tat­be­stand geschaf­fen wor­den ist oder ande­re beson­de­re Umstän­de vorliegen.

OLG Saar­brü­cken, Urteil vom 10.11.2021, Az: 2 U 63/20

Ein Ehe­mann (E) schließt mit einem Han­dels­ver­tre­ter, der Herrn A ver­tritt, einen Ver­trag über die Lie­fe­rung und den Ein­bau von Fens­ter­ele­men­ten zu einem Gesamt­be­trag von 25.000,00 €. Der Han­dels­ver­tre­ter erteilt eine Quit­tung, in der es heißt: „Anzah­lung von 10.000,00 € von Fam. E an Herrn A für Fens­ter und Mon­ta­ge erhal­ten; Rest­be­trag von 15.000,00 € nach Ein­bau“. Die Fens­ter wer­den gelie­fert und ein­ge­baut und zwar von A. Die­ser erteilt am 21.09.2010 eine Rech­nung über 18.700,85 €. Davon zahlt E zunächst nur 15.000,00 € und spä­ter, obwohl sich bereits in den ver­putz­ten Fens­ter­lai­bun­gen Feuch­tig­keit zeigt, noch den Restbetrag.

Wie sich her­aus­stellt, sind die Fens­ter grob man­gel­haft ein­ge­baut, wes­halb E Kla­ge auf Kos­ten­vor­schuss zur Man­gel­be­sei­ti­gung in Höhe von ca. 22.000,00 €  erhebt. Im Pro­zess behaup­tet A das Vor­lie­gen einer „Ohne-Rech­nung-Abre­de“. Noch vor Ertei­lung sei­ner Rech­nung habe er von der Bar­zah­lung an den Han­dels­ver­tre­ter erfah­ren und von die­sem nach­träg­lich 4.000,00 € erhal­ten. Das Land­ge­richt ver­ur­teilt A trotz­dem zum Kos­ten­vor­schuss, wor­auf­hin A Beru­fung einlegt.

Die Beru­fung hat Erfolg!

Der Han­dels­ver­tre­ter hat A ver­tre­ten. Jeden­falls hat A mit der Ent­ge­gen­nah­me der 4.000,00 € vor Rech­nung­s­tel­lung das Han­deln des Han­dels­ver­tre­ters geneh­migt. Der Werk­ver­trag ist daher nich­tig, weil er gegen § 1 Abs. 2 Schwarz­ArbG verstößt.

Die Zah­lung der 10.000,00 € erfolg­te ohne Rech­nungs­er­stel­lung, wes­halb E erkannt haben muss­te, dass für die geleis­te­te Abschlags­zah­lung kei­ne Umsatz­steu­er berech­net wer­den soll­te und er hat dies zu sei­nem eige­nem Vor­teil aus­ge­nutzt. Das A zunächst nichts von der Abre­de wuss­te, ist uner­heb­lich, da er die­se nach­träg­lich geneh­migt hat, so dass ihm das Wis­sen des Han­dels­ver­tre­ters zuge­rech­net wird.

Obwohl sich die Abre­de nur auf einen Teil­be­trag bezieht, erfasst sie den gesam­ten Vertrag.

Da der Ver­trag ins­ge­samt nich­tig ist, hat E kei­ne Män­gel­rech­te und des­halb auch kei­nen Anspruch auf Kostenvorschuss.

Hin­weis:

Die Ent­schei­dung ent­spricht der herr­schen­den Mei­nung. Ohne-Rech­nung-Abre­den füh­ren wegen Ver­sto­ßes gegen gesetz­li­che Vor­schrif­ten zur Nich­tig­keit des Ver­tra­ges. Part­ner der­ar­ti­ger Ver­ein­ba­run­gen haben also kei­ner­lei Rechtsansprüche.

Bar­geld­zah­lun­gen ohne Rech­nung sind gewich­ti­ge Indi­zi­en für eine Schwarz­geld­ab­re­de. Fer­ner muss der Ver­stoß gegen das Schwarz­ArbG bei Gericht von Amts wegen berück­sich­tigt wer­den, d. h. auch ohne dass sich eine Par­tei dar­auf beru­fen hat. Das Ver­bot gilt nicht nur für Bau- son­dern auch Architektenverträge.

Auch ein feh­len­der Ein­trag in der Hand­werks­rol­le ist Schwarz­ar­beit und führt zur Nich­tig­keit des Ver­tra­ges, wenn von die­sem Umstand bei­de Ver­trags­par­tei­en Kennt­nis hatten.

OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2023, Az: 2 U 78/22

Der Ver­käu­fer ver­kauft an den Käu­fer ein Sport­stu­dio für 35.000,00 €. Schrift­lich wird fest­ge­hal­ten, dass ein Betrag in Höhe von 5.000,00 € gezahlt wird. Die übri­gen 30.000,00 € soll­ten in bar gezahlt wer­den. Dann erklärt der Ver­käu­fer den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Der Käu­fer ver­klagt ihn auf Rück­zah­lung von 31.000,00  €. Er habe 1.000,00 € über­wie­sen und 30.000,00 € in bar über­ge­ben. Das Land­ge­richt ver­ur­teilt den Ver­käu­fer auf Rück­zah­lung. Der Ver­käu­fer legt hier­ge­gen Beru­fung ein.

Mit Erfolg!

Der Ver­trag ist nich­tig, wenn mit ihm Steu­ern ver­kürzt wer­den soll­ten. Damit lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen für das Ent­ste­hen eines Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses (wirk­sa­mer Kauf­ver­trag) nicht vor.

Unter Bezug­nah­me auf die Recht­spre­chung des Bau­se­nats des BGH zur Schwarz­ar­beit ver­neint das OLG die Ver­pflich­tung zur Rück­zah­lung der gezahl­ten Beträ­ge. Ver­bots­wid­ri­ge Ver­ein­ba­run­gen ver­die­nen gene­rell kei­nen Schutz und füh­ren zur Nich­tig­keit des Ver­tra­ges. Den Par­tei­en eines ver­bots­wid­rig geschlos­se­nen Ver­tra­ges ste­hen weder Pri­mär- noch Sekun­där­an­sprü­che gleich aus wel­chem Rechts­grund zu.

Die­se Schutz­lo­sig­keit der Ver­trags­part­ner sei gewollt und die­ne der Ein­däm­mung sol­cher Rechts­ge­schäf­te. Der vor­lie­gen­de Fall sei auch des­halb mit Ver­stö­ßen gegen das Schwarz­ar­beits­be­kämp­fungs­ge­setz ver­gleich­bar, weil auch hier der Wett­be­werb ver­zerrt wur­de. Der Ver­käu­fer habe höher dotier­te Ange­bo­te abge­lehnt und sich für das güns­ti­ge­re Bar­an­ge­bot ent­schie­den. Durch die Geld­an­nah­me hat er gegen ein gesetz­li­ches Ver­bot ver­sto­ßen, so dass die Rück­for­de­rung aus­ge­schlos­sen sei.

Der VII. Zivil­se­nat des BGH (Bau­se­nat) hat die Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben, wonach ein Behal­ten des Gel­des nicht mit Treu und Glau­ben ver­ein­bar sei. Dem folgt das OLG, da dies erfor­der­lich sei, um die Ziel­set­zung des Gesetz­ge­bers zu för­dern, die Steu­er­hin­ter­zie­hung und die damit ein­her­ge­hen­de Wett­be­werbs­ver­zer­rung einzudämmen.

Hin­weis:

Das vom OLG Hamm genann­te Argu­ment der Wett­be­werbs­ver­zer­rung dürf­te auch auf Immo­bi­li­en­ge­schäf­te unter Gewer­be­trei­ben­den anzu­wen­den sein.

OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2022, Az: 24 U 65/21

Es soll in einem Wohn­haus der Boden erneu­ert wer­den. Der Auf­trag­neh­mer (AN) ist für die Her­stel­lung der Fuß­bo­den­hei­zung ver­ant­wort­lich. Nach­dem die Fuß­bo­den­hei­zung instal­liert und der Est­rich ver­legt ist, mel­det das dar­auf­fol­gen­de Gewerk Beden­ken an,  da sei­ner Auf­fas­sung nach die Funk­tio­na­li­tät des Boden­auf­baus nicht gege­ben ist. Die Ursa­che für die Funk­ti­ons­lo­sig­keit liegt dar­in begrün­det, dass der vor dem AN aus­füh­ren­de Vor­un­ter­neh­mer kei­ne Last­ver­tei­lungs­plat­ten unter der Fuß­bo­den­hei­zung ein­ge­baut hat. Der Auf­trag­ge­ber (AG) ver­langt dar­auf­hin vom AN (nicht vom Vor­ge­werk) Scha­dens­er­satz für die Kos­ten der Man­gel­be­sei­ti­gung, da er kei­nen Beden­ken­hin­weis erteilt hat.

Mit Erfolg!

Der AN kann sich nicht dar­auf beru­fen, dass der Vor­un­ter­neh­mer und nicht er die Last­ver­tei­lungs­plat­ten hät­te ver­bau­en müs­sen. Die Leis­tung des AN ist man­gel­haft, wenn die geschul­de­te Funk­ti­on nicht gege­ben ist. Der AN hät­te vor Aus­füh­rung dar­auf hin­wei­sen müs­sen, dass die vom Vor­ge­werk her­ge­stell­te Leis­tung, von der die Funk­ti­ons­fä­hig­keit sei­ner Werk­leis­tung abhängt, Feh­ler auf­weist. Da der AN selbst Fach­un­ter­neh­mer ist, hät­te er die Feh­ler des Vor­ge­werks erken­nen und anzei­gen müssen.

Es kommt auch kei­ne Ein­schrän­kung der Haf­tung wegen Mit­ver­schul­dens des AG in Betracht, denn der Vor­un­ter­neh­mer ist nicht Erfül­lungs­ge­hil­fe des AG. Auch der Ein­wand des Mit­ver­schul­dens, da eine für die Aus­füh­rung erfor­der­li­che Pla­nungs­un­ter­la­ge nicht vor­ge­le­gen habe, führt zu kei­nem ande­ren Ergeb­nis. Selbst wenn die Pla­nung vom AG nicht bei­gebracht wur­de, hät­te der AN dies­be­züg­lich Beden­ken anmel­den müs­sen, was nicht geschehen.

Hin­weis:

Die Ent­schei­dung ist rich­tig. Die Werk­leis­tung des AN ist nicht funk­ti­ons­fä­hig und daher man­gel­haft. Wenn dafür eine feh­ler­haf­te Leis­tung des Vor­un­ter­neh­mers ver­ant­wort­lich ist und er es hät­te erken­nen müs­sen, haf­tet er für sei­ne feh­ler­haf­te Werk­leis­tung uneingeschränkt.

OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2023, Az: 24 U 77/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) soll auf der Grund­la­ge eines BGB-Ver­tra­ges Putz­ar­bei­ten an einer Gar­ten­mau­er aus­füh­ren. Die Flä­che wird vom Auf­trag­ge­ber (AG) mit ca. 102,86 m² ange­ge­ben. Als Werk­lohn wer­den 5.355,00 € ver­ein­bart. Vor Aus­füh­rung kommt es zu Pla­nungs­än­de­run­gen bezüg­lich der Mau­er. Nach deren Errich­tung sol­len die Putz­ar­bei­ten aus­ge­führt wer­den. Der AN mel­det wegen unzu­rei­chen­der Vor­ar­bei­ten Beden­ken an. Unter Berück­sich­ti­gung der gering­fü­gig ver­än­der­ten Flä­che der Gar­ten­mau­er unter­brei­tet der AN ein Nach­trags­an­ge­bot über 5.980,00 €. Er macht die Arbei­ten von der Beauf­tra­gung des Nach­tragsan­ge-botes abhän­gig. Der AG erklärt dar­auf­hin die Kün­di­gung und ver­langt Erstat­tung der Mehr­kos­ten, die durch die Beauf­tra­gung eines ande­ren Put­zers entstehen.

Der AN ist nicht berech­tigt gewe­sen, sei­ne Leis­tun­gen ein­zu­stel­len bzw. gar nicht erst mit der Leis­tung zu begin­nen. Soweit Vor­ar­bei­ten nicht ord­nungs­ge­mäß erfolgt sind, berech­tigt und ver­pflich­tet das zu einem Beden­ken­hin­weis. Der AN hat jedoch kei­nen Anspruch dar­auf, dass der AG sei­nen Beden­ken Rech­nung trägt. Viel­mehr besteht sei­ne Leis­tungs­pflicht grund­sätz­lich fort, soweit der AG trotz der geäu­ßer­ten Beden­ken die Aus­füh­rung der Leis­tung ver­langt. Dass die Aus­füh­rung der Leis­tung für den AN unzu­mut­bar gewe­sen sei, ist weder vor­ge­tra­gen noch ersicht­lich. Auch in Bezug auf die Ände­rungs­an­ord­nung war der AN nicht zur Leis­tungs­ver­wei­ge­rung berechtigt.

Es kann zwar unzu­mut­bar sein, dass der AN mit sei­nen Leis­tun­gen beginnt, wenn der AG eine tat­säch­lich bestehen­de zusätz­li­che Ver­gü­tungs­pflicht von vorn­her­ein end­gül­tig in Abre­de stellt und des­halb davon aus­zu­ge­hen ist, dass die Ver­gü­tung vom AN gericht­lich durch­ge­setzt wer­den muss.

Dabei ist aber eine Abwä­gung der wech­sel­sei­ti­gen Inter­es­sen vor­zu­neh­men. Tat­säch­lich dürf­te eine der­ar­ti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung nur in sel­te­nen Fäl­len mög­lich sein.

Hin­weis:

Ent­ste­hen wäh­rend der Ver­trags­durch­füh­rung Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten müs­sen auf­grund des bestehen­den Koope­ra­ti­ons­ge­bo­tes die Ver­trags­part­ner grund­sätz­lich zunächst ver­su­chen, ihre Dif­fe­ren­zen auf dem Ver­hand­lungs­weg bei­zu­le­gen. Bei strit­ti­gen Nach­trä­gen gilt zudem der Grund­satz, dass Bau­fort­schritt vor Ver­gü­tungs­si­cher­heit geht. Der AN soll­te des­halb sorg­fäl­tig über­le­gen, ob er tat­säch­lich sei­ne Arbei­ten wegen einer nicht erfolg­ten Nach­trags­be­auf­tra­gung ein­stellt. Soll­te sich im Nach­hin­ein her­aus­stel­len, dass er dazu nicht berech­tigt gewe­sen ist, ris­kiert er wegen einer even­tu­el­len Ver­trags­kün­di­gung des AG hohe Schadensersatzansprüche.

OLG Jena, Urteil vom 17.02.2022, Az: 8 U 1133/20

Ein Archi­tekt ist mit den Grund­leis­tun­gen der Leis­tungs­pha­sen 1 bis 9 beauf­tragt. Wegen man­gel­haf­ter Putz­ar­bei­ten (feh­len­der Haf­tungs­ver­bund) kommt es zu Ris­sen. Des­halb nimmt der Bau­herr den Archi­tek­ten wegen eines Bau­über­wa­chungs­feh­lers auf Scha­dens­er­satz in Anspruch. Das Land­ge­richt weist die Kla­ge des Bestel­lers ab mit der Begrün­dung, dass es sich bei Putz­ar­bei­ten um hand­werk­li­che Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten han­delt und der Archi­tekt in einem  sol­chen Fall kei­ne Über­wa­chungs­pflicht habe.

Der Bau­herr geht dar­auf­hin in Beru­fung. Mit Erfolg!

Die Annah­me des Land­ge­rich­tes trifft in die­ser All­ge­mein­heit nicht zu. Selbst bei ein­fa­chen Tätig­kei­ten, die für die Funk­tio­na­li­tät der Gesamt­werk­leis­tung nicht wich­tig sind, sind stich­pro­ben­ar­ti­ge Kon­trol­len erfor­der­lich. Gegen die­se Kon­troll­pflicht hat der Archi­tekt ver­sto­ßen, denn aus sei­ner Auf­fas­sung, die betrof­fe­nen Arbei­ten unter­lä­gen über­haupt kei­ner Über­wa­chungs­pflicht, folgt zugleich, dass er kei­ne Über­wa­chung durch­ge­führt hat. Es besteht kein Zwei­fel, dass bei ent­spre­chen­den Kon­trol­len für den Archi­tek­ten erkenn­bar gewe­sen wäre, dass kein Haf­tungs­ver­bund auf­ge­bracht wurde.

Hin­weis:

Auch ande­re Gerich­te haben ent­schie­den, dass Putz­ar­bei­ten nicht beson­ders über­wa­chungs­be­dürf­tig sind. Wer­den Putz­ar­bei­ten aller­dings regel­wid­rig bei zu nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren aus­ge­führt, muss der bau­lei­ten­de Archi­tekt das ver­hin­dern. Außer­dem ist er ver­pflich­tet – wie bei sämt­li­chen hand­werk­li­chen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten – min­des­tens eine Ein­wei­sung, die Vor­nah­me von Stich­pro­ben und eine End­kon­trol­le durchzuführen.

Bei der Aus­füh­rung kri­ti­scher, weil scha­dens­an­fäl­li­ger Bau­werks­ar­bei­ten, muss der bau­über­wa­chen­de Archi­tekt in der Regel zwar nicht stän­dig auf der Bau­stel­le sein. Er ist jedoch zu erhöh­ter Auf­merk­sam­keit ver­pflich­tet und hat die Arbei­ten in ange­mes­se­ner und zumut­ba­rer Wei­se zu über­wa­chen. Dazu gehört auch, dass er sich durch häu­fi­ge Kon­trol­len zu ver­ge­wis­sern hat, dass sei­ne Anwei­sun­gen sach­ge­recht erle­digt wer­den. Über­wa­chungs­pflich­ten wer­den gestei­gert, wenn das aus­füh­ren­de Unter­neh­men erkenn­bar unzu­ver­läs­sig oder tech­nisch schwach ist.

OLG Koblenz, Urteil vom 09.03.2023, Az: 2 U 63/22

Ein Ver­brau­cher­schutz­ver­ein fin­det die zitier­te Klau­sel in einem Ver­trags­for­mu­lar eines Fer­tig­haus­an­bie­ters und klagt dagegen.

Im Ergeb­nis ist die Klau­sel unwirk­sam. Sie ent­spricht nicht den Anfor­de­run­gen des § 650k Abs. 3 S. 1 BGB, wonach ein Ver­brau­cher­ver­trag gemäß § 650i BGB ver­bind­li­che Anga­ben zum Zeit­punkt der Fer­tig­stel­lung des Werks oder, wenn die­ser Zeit­punkt bei Abschluss des Ver­tra­ges nicht ange­ge­ben wer­den kann, zur Dau­er der Bau­aus­füh­rung ent­hal­ten muss. Die­se Bestim­mung kann gemäß § 650o BGB durch Ver­ein­ba­rung nicht zum Nach­teil eines Ver­brau­chers abbe­dun­gen oder umgan­gen werden.

Die Klau­sel erfüllt die gefor­der­ten Anga­ben nicht, was bei Ca.-Angaben grund­sätz­lich nicht der Fall ist. Der Zeit­punkt bis zur abnah­me­fä­hi­gen Fer­tig­stel­lung muss kon­kret und nicht nur unge­fähr ange­ge­ben werden.

Hin­weis:

§ 650k Abs. 3 S. 2 BGB bestimmt, dass in Erman­ge­lung einer Anga­be zur Bau­zeit die vor­ver­trag­lich in der Bau­be­schrei­bung über­mit­tel­ten Anga­ben Ver­trags­in­halt werden.

Zwei­fel bei der Aus­le­gung eines Ver­tra­ges, der eine All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung ist, gehen im Übri­gen zu Las­ten des Ver­wen­ders. Der Klau­sel­ver­wen­der, also der Fer­tig­haus­an­bie­ter, kann sich nach Treu und Glau­ben nicht auf die Unwirk­sam­keit sei­ner Klau­sel berufen.

OLG Schles­wig, Urteil vom 15.10.2021, Az: 1 U 122/20

Der Auf­trag­ge­ber (AG), ein Ver­brau­cher, und der Auf­trag­neh­mer (AN) schlos­sen einen Bau­ver­trag über Gar­ten­bau­ar­bei­ten. Sie tra­fen sich vor Ort, damit der AN das Grund­stück besich­ti­gen konn­te. Danach unter­brei­te­te der AN pos­ta­lisch das Ange­bot, das der AG tele­fo­nisch annahm. Für die man­gel­frei aus­ge­führ­ten Arbei­ten zahl­te der AG ca. 30.000,00 €. Kurz danach erklärt er den Wider­ruf und begehrt die Rückerstattung.

Ohne Erfolg!

Es liegt kein Fern­ab­satz­ver­trag nach § 312c BGB vor und damit besteht auch kein Wider­rufs­recht. Der Ver­trags­ab­schluss ist zwar aus­schließ­lich durch Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln erfolgt. Aller­dings haben die Ver­trags­ver­hand­lun­gen per­sön­lich statt­ge­fun­den. Nach dem Schutz­be­darf des Ver­brau­chers im Werk­ver­trags­recht lie­gen Ver­trags­ver­hand­lun­gen schon dann vor, wenn der Ver­brau­cher auf­grund eines gemein­sa­men Orts­ter­mi­nes die Mög­lich­keit hat­te, im per­sön­li­chen Gespräch mit dem AN hin­rei­chend Infor­ma­tio­nen zu erfra­gen, um ein spä­te­res Ange­bot sach­ge­recht zu beur­tei­len und einen per­sön­li­chen Ein­druck vom AN zu erhal­ten. Nicht erfor­der­lich ist es, dass die Par­tei­en beim Orts­ter­min Ein­zel­hei­ten des Ver­tra­ges ver­han­deln. Anders als bei Ver­trä­gen über die Lie­fe­rung von Waren kann sich der Ver­brau­cher bei einem Werk­ver­trag über ein noch her­zu­stel­len­des Werk vor­ab ohne­hin kei­nen Ein­druck von des­sen Qua­li­tät ver­schaf­fen. Es kommt des­halb nach dem Schutz­zweck des § 312c BGB vor­lie­gend nicht dar­auf an, dass der Ver­brau­cher die Ware nicht vor Ver­trags­ab­schluss sehen oder prü­fen kann. Außer­dem ist der Ver­trag auch nicht im Rah­men eines für den Fern­ab­satz orga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems des AN zustan­de gekom­men. Hier­für reicht es nicht bereits, dass der AN auf sei­ner Web­site über sein Leis­tungs­an­ge­bot infor­miert und die Kon­takt­mög­lich­keit zur Ver­fü­gung stellt, denn der AN erstellt sein Ange­bot stets erst auf­grund der Durch­füh­rung eines Ortstermines.

Hin­weis:

Es sei trotz­dem mit Nach­druck davor gewarnt, sich dar­auf zu ver­las­sen, dass ein Orts­ter­min immer mit Ver­hand­lun­gen gleich­ge­setzt wird. Dem steht der Geset­zes­wort­laut entgegen.

Geret­tet hat den Unter­neh­mer hier, dass er sei­ne Ange­bo­te regel­mä­ßig erst nach einem vor­he­ri­gen Orts­ter­min abgibt, so dass sein Geschäfts­be­trieb nicht auf den Fern­ab­satz aus­ge­rich­tet ist.

OLG Naum­burg, Urteil vom 07.10.2021, Az: 2 U 33/21

Gestrit­ten wird um die Wirk­sam­keit eines Wider­rufs nach Abschluss eines Ver­tra­ges zur Her­stel­lung von Fens­ter­ar­bei­ten für die Neu­errich­tung eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses eines Ver­brau­chers. Der vom Ver­brau­cher bevoll­mäch­tig­te Archi­tekt hol­te ein Leis­tungs­ver­zeich­nis des Fens­ter­bau­ers ein. Die­ses Ange­bot wur­de auf Wunsch des Ver­brau­chers mehr­fach ange­passt. Das 5. Ange­bot des Fens­ter­bau­ers wur­de in den Geschäfts­räu­men des Archi­tek­ten bei Anwe­sen­heit des Archi­tek­ten, des Ver­brau­chers und des Unter­neh­mers bespro­chen und führ­te zur Fer­ti­gung eines VOB/B‑Vertrages. Der Archi­tekt über­sand­te den Ver­trag dem Fens­ter­bau­er zur Unter­zeich­nung. Die­ser unter­zeich­ne­te den Ver­trag in sei­nen Geschäfts­räu­men und über­sand­te ihn dem Archi­tek­ten zur Gegen­zeich­nung durch den Ver­brau­cher. Der Ver­brau­cher unter­zeich­ne­te sodann in den Geschäfts­räu­men des Archi­tek­ten. Nach Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten erklär­te der Ver­brau­cher den Wider­ruf des Ver­tra­ges und for­dert u. a. die Rück­zah­lung geleis­te­ter Abschlagszahlungen.

Ohne Erfolg!

Es besteht kein gesetz­li­ches Wider­rufs­recht. Des­halb ist der Wider­ruf unwirk­sam. Es hat im Rah­men der Ver­trags­an­bah­nung ein per­sön­li­ches Gespräch zwi­schen den Par­tei­en statt­ge­fun­den. Daher ist der Ver­trag nicht aus­schließ­lich unter Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln zustan­de gekom­men. Das schließt ein Wider­rufs­recht nach § 312g Abs. 1, § 312c Abs. 1 BGB aus. Auch die Vor­aus­set­zun­gen eines außer­halb von Geschäfts­räu­men abge­schlos­se­nen Ver­tra­ges nach § 312b Abs. 1 BGB lie­gen nicht vor, da die zum Ver­trags­ab­schluss füh­ren­de Erklä­rung nicht bei gleich­zei­ti­ger kör­per­li­cher Anwe­sen­heit der Par­tei­en außer­halb der Geschäfts­räu­me abge­ge­ben wur­de, son­dern durch Unter­zeich­nung des Ver­tra­ges in Abwe­sen­heit der jeweils ande­ren Partei.