OLG Celle, Urteil vom 08.01.2020, Az. 14 U 96/19

 

Ein AG beauftragt einen Architekten mit Arbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung eines Mehrfamilienhauses.

Nach mehr als einem Jahr und einer geleisteten Zahlung von Honorarabschlägen über 90.000,00 € vereinbaren sie auf Basis einer Honorarermittlung des Architekten ein Pauschalhonorar in Höhe von 190.000,00 € netto. Es erfolgt die außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses. Der Architekt verlangt wegen Sonderleistungen und abweichender Honorarzonen das Min-destsatzhonorar.

Der AG begehrt hingegen die Rückzahlung überzahlten Honorars, weil die Abschläge wertmäßig nicht dem bis zur Kündigung erbrachten Leistungsstand entsprechen.

Die Honorarforderung des Architekten ist nicht begründet. Die in § 7 Abs. 5 HOAI 2013 geregelten Mindestsätze verstoßen gegen die Dienstleistungsrichtlinie. Aufgrund des Vorrangs des Europa-rechts entfalten die Feststellungen des EuGH auch für nationale Gerichte das Verbot, die Mindest- und Höchstsätze weiter anzuwenden. Dies gilt auch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten, die sich auf ein abweichendes Honorar geeinigt haben. Anderenfalls würden die Gerichte durch die weitere Anwendung der HOAI in dieses Rechtsverhältnis eingreifen. Ferner dient § 7 Abs. 1, Abs. 5 HOAI 2013 dem europarechtlich nicht legitimen Ziel, ein Abweichen von Mindest- und Höchstsätzen zu erschweren. Ferner gehe die Annahme, der Mindestsatz stelle die übliche Vergütung dar, fehl. Das OLG Celle führt aus, dass es sich hierbei lediglich um eine bloße Unterstellung handeln würde.

Hinweis:

Innerhalb der Rechtsprechung ist es umstritten, ob bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten die Mindest- und Höchstsätze der HOAI nicht mehr von den nationalen Gerichten angewendet wer-den dürfen. Erstmals hat ein Gericht ausgeurteilt, dass die Mindestsätze der HOAI nicht als Grundlage für die Ermittlung der üblichen Vergütung herangezogen werden können. Üblich ist eine Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt. Dies lässt sich nur mit sachverstän-diger Hilfe feststellen. Das OLG Celle hat die Revision zugelassen.

OLG Koblenz, Urteil vom 23.02.2017, Az. 6 U 150/16

 

Der AG beauftragt den AN mit der Errichtung eines Drogeriemarktes. Der AN macht nach der Abnahme mit seiner Schlussrechnung einen Restwerklohnanspruch geltend. Der AG zahlte nicht, weil der Fliesenbelag abweichend von der Baubeschreibung nicht im Dünnbettverfahren verlegt, sondern zusätzlich gerüttelt worden war. Außerdem gewährleiste die Bodenplatte nicht die ver-traglich vereinbarte Nutzlast von 5.000 kN/m². Der AG erklärte die Aufrechnung mit einem Vorschussanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Die erklärte Aufrechnung bleibt erfolglos. Hinsichtlich der Verlegung von Fliesen und auch in Bezug auf die Nutzlast der Bodenplatte ist zwar von der vereinbarten Beschaffenheit abgewichen worden. Nach Treu und Glauben können je-doch keine Gewährleistungsansprüche hieraus hergeleitet werden, weil beide Abweichungen zu einer qualitativ hochwertigeren Ausführung geführt haben.

Durch das zusätzliche Einrütteln der Fliesen ist deren Bruchfestigkeit erhöht und auch die Belastbarkeit der Bodenplatte übersteige mit 5.900 kN/m² den vertraglich vereinbarten Wert.

Hinweis:

Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung des Gerichts als selbstverständlich, weil eine höherwertige Ausführung als die vereinbarte keinen Mangel darstellen könne. Es ist jedoch auf die Ge-setzessystematik abzustellen, die auf den versprochenen Erfolg und damit letztlich auf die subjektiven Wünsche des Bestellers und nicht auf die vielleicht aus objektiver Sicht vorzugswürdige Aus-führungsart abstellt. Erst wenn es keine Beschaffenheitsvereinbarungen gibt, ist auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die für die gewöhnliche Verwendung erforderliche Funktionstaug-lichkeit des Werks abzustellen. Jede noch so geringe Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung stellt damit einen Mangel dar, selbst wenn es sich für den AG als technisch oder wirt-schaftlich vorteilhafter erweist. Der AN ist jedoch nicht schutzlos gestellt. Dem Besteller können nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Berufung auf Gewährleistungsansprüche ver-wehrt werden. Andere OLG-Urteile stellen zusätzlich darauf ab, dass der Besteller auf die vereinbarte Ausführungsart u.U. keinen besonderen Wert gelegt habe. Ferner sind die Parteivereinbarun-gen der Auslegung zugänglich. Im vorliegenden Fall konnte die vorliegende Baubeschreibung als bloße Mindestanforderung an die Herstellung einer bestimmten Belastbarkeit von Bodenplatten und Fliesenbelag verstanden werden. Eine höherwertigere Ausführung stellt jedoch dann bereits keinen Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung dar.

OLG München, Beschluss vom 02.10.2018, Az. 18 U 4070/17

 

Der AG und der AN stehen in Vertragsverhandlungen. Gegenstand dieser Verhandlung ist die Entwicklung und die Herstellung eines Prototyps eines Werkshuttles, das mit einem Schlepperfahr-zeug vom Typ LP 250 gezogen werden kann. Der AN weist in seinem Angebot darauf hin, dass ein Schleppfahrzeug mit einer „Stützkupplung mit 2.500 kg“ erforderlich ist. Im Rahmen der Bestel-lung beauftragt der AG den AN ausdrücklich mit der Erstellung einer „Stützkupplung mit 25 kg Schlepper LP 250“. Diese Leistung ist als gesonderte Position aufgelistet und der Preis sollte 4.600,00 € betragen. Bei dieser Position findet sich der durch Fettdruck hervorgehobene Passus „Hinweise zur Position – bitte in Lieferschein übernehmen“. Der AN widerspricht dem nicht. Das vom AN entwickelte Werkshuttle kann wegen der an der Kupplung auftretenden Stützlasten nicht mit einem Schleppfahrzeug vom Typ LP 250 betrieben werden. Der AG setzte dem AN erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung. Nach fruchtlosem Fristablauf erklärte der AG den Rücktritt vom Vertrag und verlangt vom AN die Rückerstattung der geleisteten Anzahlung in Höhe von 127.000,00 €.

Der AG ist mit seiner Klage erfolgreich. Inhalt des geschlossenen Werkvertrages ist die Entwicklung und die Herstellung des Prototyps eines Werkshuttles, das mit einem Schlepper vom Typ LG 250 gezogen werden kann.

Zwar erfolgte seitens AN in seinem Angebot der Hinweis, dass ein Schleppfahrzeug mit einer „Stützkupplung mit 2.500 kg“ erforderlich sei. Nach Auffassung des Gerichts ist der Hinweis auf die Erforderlichkeit dahingehend zu verstehen, dass der AG ein dieser Vorgabe genügendes Zugfahrzeug bereitzustellen habe. In seinem Auftragsschreiben hat der AG den AN jedoch mit der Erstel-lung einer „Stützkupplung mit 2.500 kg Schlepper LP 250“ zum Preis von 4.600,00 € beauftragt. Der AG hat den Lieferumfang gegenüber dem Angebot des AN erweitert, so dass in seiner Bestel-lung keine Annahme des Angebots des AN zu sehen ist, sondern eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot. Dieses Angebot wurde durch den AN durch schlüssiges Verhalten angenom-men, indem er der Erweiterung seines Leistungsumfangs durch die Position „Stützkupplung mit 2.500 kg für Schlepper LP 250“ nicht widersprochen hat, sondern die Entwicklung des Prototyps aufgenommen hat.

Hinweis:

Das OLG München legt bei der Beantwortung der Fallfrage allgemeine zivilrechtliche Grundsätze zugrunde. Jedoch ist zu beachten, dass nach Ansicht des OLG Koblenz in der Durchführung der Bauarbeiten keine schlüssige Annahme eines abgeänderten Angebotes vorliegt, wenn das Auftragsschreiben so weit vom Inhalt der bisherigen Vertragsverhandlungen abweicht, dass der AG ver-nünftigerweise nicht mit einem Einverständnis des AN rechnen kann. Dies ist wie so oft anhand des Einzelfalls zu beurteilen.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.08.2019, Az. 12 U 96/17

 

Die Parteien haben einen Vertrag über Um- und Ausbauarbeiten im Erdgeschoss des Gewerbeobjekts des Auftraggebers (AG) geschlossen. Zwischen den Parteien wurde zudem ein Pauschalpreis vereinbart. Im Rahmen der Ausführung wurde der Auftragnehmer (AN) auch mit dem Um- und Ausbau der Räume des Obergeschosses sowie mit Malerarbeiten beauftragt. Bezüglich dieser Ar-beiten wurde dem AG ein Angebot des AN vorgelegt, in dem eine Gesamtsumme unter Aufschlüsselung von Mengen und Massen angegeben war sowie der Hinweis, dass es sich um „Circa-Preise“ handele und eine Abrechnung nach tatsächlich erbrachten Leistungen erfolgen werde. Der AN klagte gegen den AG auf Werklohn auf Basis einer Abrechnung nach Einheitspreisen. Der AG be-hauptet, es sei ein Pauschalpreis geschlossen worden.

Das OLG Brandenburg vertritt die Auffassung, dass im Fall der Behauptung eines Pauschalpreisvertrags seitens des AG der AN darlegungs- und beweisbelastet dahingehend ist, dass eine solche Abrede nicht getroffen wurde und er daher berechtigt ist, nach Einheitspreisen abzurechnen oder die übliche Vergütung zu verlangen. Es ist jedoch erforderlich, dass der AG die angebliche Ver-einbarung über die Höhe der Vergütung zunächst substantiiert darlegt. Im vorliegenden Fall fehlte es hieran, so dass der AN mit seiner Klage obsiegte.

Hinweis:

Die Klärung der Frage, ob die Parteien eines Bauvertrags einen Pauschalvertrag oder einen Einheitspreisvertrag geschlossen haben, richtet sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Ver-tragsinhalt.

Es ist also danach zu fragen, ob der vereinbarte Preis unabhängig von der Mengenentwicklung sein sollte oder nicht. Im Rahmen eines Werklohnprozesses muss der AN, der die Vergütung fordert, alle anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen. Dies entspricht den allgemeinen Beweislastregeln. Der AN hat somit entweder die behauptete Vergütungshöhe darzulegen und zu beweisen, oder wenn er die übliche Vergütung fordert, dass keine Einigung über die Vergütungshöhe getroffen worden ist. Gleichzeitig trägt der AN damit die Beweislast für die Abrechnungsart. Behauptet der AG, es sei eine niedrigere Pauschale vereinbart worden, muss der AG hiergegen den Negativbeweis führen. Zur Führung eines solchen Negativbeweises ist der AN nur dann in der Lage, wenn der AG zunächst zu den Umständen des von ihm behaupteten Pauschalpreisvertrags vorträgt. Der Beweis der Unrichtigkeit des Vortrages obliegt dann dem AN.