Anmerkung zu: OLG Braunschweig, Urteil vom 29.12.2016, Az. 8 U 2/16

Ein Architekt wird von einer Kommune mit der Planung, Überwachung und Objektbetreuung eines Gebäudes beauftragt.

Eine Objektbegehung vor Ablauf der Mängelverjährungsfrist gegenüber den Bauhandwerkern, die 2008 erforderlich gewesen wäre, führt der Architekt nicht durch.

2013 zeigt sich, dass die Dampfbremse im Dach fehlerhaft ausgeführt worden ist.

Der Schaden beläuft sich auf 240.000,00 €, den die Kommune gerichtlich geltend macht.

Ohne Erfolg!

Die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Objektbetreuung ist für den Schaden nicht kausal geworden. Der Mangel an der Dampfbremse war ohne Bauteilöffnung vor 2013 nicht von außen erkennbar. Zu genaueren Untersuchungen ist ein Architekt nur verpflichtet, wenn Anhaltspunkte für Mängel vorhanden sind. Der Architekt ist nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung verpflichtet, nach dem Auftreten von Baumängeln den Ursachen ohne Rücksicht auf eine eigene Haftung nachzugehen und dem Bauherrn rechtzeitig ein zutreffendes Bild von den Möglichkeiten der Mangelbeseitigung zu verschaffen. Dabei hat der Architekt den Bauherrn auch auf die Möglichkeit eines Anspruches gegen ihn selbst ausdrücklich hinzuweisen. Tut er dies nicht, haftet er nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung mit der Folge, dass er sich auf die Verjährung der gegen ihn gerichteten Mängelansprüche nicht berufen kann. Die Grundsätze der Sekundärhaftung sind jedoch vorliegend nicht anwendbar, da der Mangel zu dem Zeitpunkt, als die Objektbegehung hätte durchgeführt werden müssen, nicht erkennbar war.

 

Anmerkung zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 15.12.2016, Az: 12 U 179/15

Ein öffentlicher AG schreibt Brücken- und Straßenbaumaßnahmen aus. Das Vergabeverfahren verzögert sich, so dass der AN sich mit Zuschlagsfristverlänge-rungen einverstanden erklärt. Mit dem Zuschlag teilt der AG neue Bauzeiten mit. Der AN antwortet hierauf, indem er mitteilt, dass er derzeit noch nicht abschätzen könne, inwiefern Mehr- bzw. Minderkosten durch die Bauzeitverschiebung zu erwarten seien. Danach erstellt der AN ein Nachtragsangebot unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bauzeiten. Nach Ansicht des AG sind Ansprüche wegen der Bauzeitverschiebung, die auf den verspäteten Zuschlag zurückzuführen sind, ausgeschlossen. Der AN klagt.

Mit Erfolg!

Die Zustimmung zur Zuschlagsfristverlängerung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der angebotene Preis auch dann gelten soll, wenn sich der Leistungszeitraum durch Verzögerungen im Vergabeverfahren ändert. Die Ver-mutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung steht in Abhängigkeit zur vereinbarten Leistungszeit. Die Parteien hätten sich daher hier so verständigt – so das OLG -, dass die Vergütung entsprechend der neuen Ausführungszeiten anzupassen ist. Die Zuschlagsmitteilung, die eine neue Bauzeitbestimmung enthält, ist danach als neues Angebot zu werten. Das Antwortschreiben des AN stellt jedoch keine Annahme dar, sondern seinerseits ein neues Angebot, welches vom AG zumindest stillschweigend angenommen wurde.

Hinweis:

Das Risiko der Verzögerungen im Vergabeverfahren liegt beim AG. Für Auftrag-nehmer bedeutet die Entscheidung Kalkulationssicherheit, denn eine seriöse Angebotskalkulation, die für ungewisse Zeit Gültigkeit haben soll, ist unmöglich.

Anmerkung zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 08.12.2016, Az. 12 U 192/15

Dem AN in dem oben diskutierten Fall steht eine Vergütung allerdings deshalb zu, weil der AG die ursprünglich auftragslos erbrachten Leistungen nachträglich anerkannt hat (§ 2 Abs. 8 Nr. 1 S. 1 VOB/B).

Der Bauherr war in die Korrespondenz zwischen dem Architekten und dem AN über die Direkt- und Notabläufe eingebunden. Der AG hat nicht widersprochen und zudem die geänderte Leistung abgenommen. Darin hat das OLG eine nachträgliche Genehmigung gesehen.

Hinweis:

Der AN hat Glück gehabt, denn ohne weitere Anhaltspunkte wird man in der bloßen Abnahme wohl kein Anerkenntnis von Zusatzarbeiten sehen können. Insbesondere ist auch die Zahlung von Abschlagsrechnungen nicht als Anerkenntnis der in Rechnung gestellten Zusatzarbeiten zu werten.

Helfen können dem AN in solchen Fällen ggf. die Grundsätze über Anscheins- und Duldungsvollmacht.

Außerdem sind auftragslos erbrachte aber technisch zwingend notwendige Zusatzleistungen nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag zusätzlich zu vergüten. Dazu muss die Ausführung dem mutmaßlichen Willen des AG entsprochen haben, wovon bei technischer Notwendigkeit auszugehen ist. Ferner müssen derartige Leistungen im VOB-Vertrag unverzüglich angezeigt worden sein.

Anmerkung zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 08.12.2016, Az. 12 U 192/15

Der mit der Ausführung von Rohbauarbeiten beauftragte AN verlangt eine zusätzliche Vergütung für vom Architekten zusätzlich in Auftrag gegebene Direkt- und Notüberläufe.

Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B wäre, dass die geänderte oder zusätzliche Leistung auf eine Anordnung des AG zurückzuführen ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Insbesondere ist der Architekt nicht bereits aufgrund seiner Beauftragung dazu bevollmächtigt, den AG beim Abschuss von Verträgen zu vertreten oder rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, die dem AG eine Verpflichtung auferlegen. Da vorliegend im Vertrag die Vollmacht des Architekten für jedwede Erteilung von Zusatzaufträgen ausdrücklich ausgeschlossen war, stellt sich auch die Frage nicht, inwieweit der Architekt möglicherweise bevollmächtigt war, geringfügige Zusatzaufträge zu erteilen. Aus diesem Grund kommt auch keine Anscheins- oder Duldungsvollmacht in Betracht, da dem AN aufgrund der vertraglichen Regelungen bekannt war, dass der Architekt keine Vollmacht zur Vergabe von Nachtragsaufträgen hatte.

Infrage kommt allerdings, dass der AN einen Anspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag hat (§ 2 Abs. 8 VOB/B bzw. §§ 677 ff. BGB).

Hinweis:

Viele Auftragnehmer sind nach wie vor der Meinung, dass der Architekt Vertreter des Bauherrn ist und deshalb geänderte und zusätzliche Leistungen in Auftrag geben kann, die der AG dann zusätzlich zu bezahlen hat.

Diese Vorstellung ist falsch.

Die Architektenvollmacht endet grundsätzlich dort, wo der Geldbeutel des AG anfängt. Der Architekt darf also keine Zusatzaufträge erteilen, Anordnungen treffen oder den Bauentwurf ändern, wenn die Folge davon eine Erhöhung der Zahlungsverpflichtung des Bauherrn ist.

Ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (in diesem Fall der Architekt) würde dem AN normalerweise haften, wenn der Vertretene (AG) die Genehmigung der Nachtragsbeauftragung verweigert. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt in der Baubranche aber nicht, denn es wird davon ausgegangen, dass einem Bauunternehmen bekannt sein muss, dass ein Architekt ohne ausdrückliche Vollmacht nicht dazu befugt ist, Änderungsaufträge zu vergeben, die zu einer Kostensteigerung führen. Die Inanspruchnahme des Architekten auf Schadensersatz ist in solchen Fällen also auch nicht möglich.