BGH, Beschluss vom 01.02.2023, Az: VII ZR 882/21

Der Auftragnehmer (AN) erledigt Malerarbeiten. Die VOB/B ist nicht vereinbart. Der Auftraggeber (AG) und der Bauleiter geben viele kleinere Zusatzarbeiten in Auftrag, die der AN später für 28.000,00 € als Regieleistungen abrechnet. Nachdem der AG nicht zahlt, erhebt der AN Klage. Das LG weist die Klage ab. Dagegen legt der AN Berufung ein. Das OLG weist die Klage mit der Begründung zurück, der AN habe die von ihm geleisteten Arbeiten nicht nachvollziehbar und substanziiert dargelegt. Es sei erforderlich, genau darzulegen, welche Arbeiten wann ausgeführt wurden. Stattdessen habe der AN nur pauschale Aufstellungen von behaupteten ausgeführten Leistungen vorgelegt.  Er nenne auch nicht die Namen der jeweiligen Person, die die Arbeiten ausgeführt habe. Das würde als Nachweis für die Ausführung der Arbeiten nicht ausreichen. Der AN ruft den BGH an.

Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und weist den Rechtsstreit an das OLG zurück. Der BGH stellt fest, dass das OLG die Substanziierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe für einen auf einer Stundenlohnvereinbarung beruhenden Vergütungsanspruch überspannt habe. Der AN muss zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruches nur darlegen und ggf. beweisen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen mit welchen Stundensätzen angefallen sind. Erforderlich ist grundsätzlich keine Differenzierung dergestalt, dass die abgerechneten Arbeitsstunden einzelnen Tätigkeiten zugeordnet und/oder nach zeitlichen Abschnitten aufgeschlüsselt werden. Das ist zur nachprüfbaren Darlegung des vergütungspflichtigen Zeitaufwandes nicht erforderlich, weil die Bemessung des Zeitaufwandes hiervon nicht abhängt.

Eine derart detaillierte Abrechnung muss der AN nur dann durchführen, wenn sie vertraglich vereinbart ist.

Hinweis:

Im VOB/B-Vertrag muss der AN Stundenlohnzettel ausfüllen und Angaben über die geleisteten Arbeitsstunden machen. Diese sind nach einhelliger Ansicht so weit zu spezifizieren, dass der AG nachvollziehen kann, wer wo was womit geleistet hat.

BGH, Urteil vom 11.11.2022, Az: V ZR 213/21

Eine WEG zieht in den Jahren 2014 und 2015 kaufrechtliche Mängelansprüche der Erwerber wegen Altlasten zur gemeinschaftlichen Verfolgung an sich und zwar nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG a.F. § 9a Abs. 2 WEG der aktuellen Fassung unterscheidet sich von dieser Vorschrift dahingehend, dass dort nur noch die „geborene Ausübungsbefugnis“ geregelt ist.

Es stellt sich demzufolge die Frage nach dem rechtlichen Schicksal dieser „alten“ Beschlüsse, insbesondere, ob sie noch die umfassende Beschlusskompetenz zur Verfolgung von Mängelansprüchen besitzt. Das OLG München als Vorinstanz hat dies bejaht und festgestellt, dass kaufrechtliche Nacherfüllungsansprüche nach § 9a Abs. 2 WEG weiterhin gemeinschaftsbezogen seien.

Der BGH stellt fest, dass dies nur im Ergebnis richtig ist. Die Prozessführungsbefugnis folgt aus den Beschlüssen aus den Jahren 2014 und 2015, lässt sich aber nicht aus § 9a Abs. 2 WEG herleiten. Eine Beschlussfassung war damals erforderlich, weil kein Fall der sog. geborenen Ausübungsbefugnis vorliegt. Diese bezog sich nur auf die Durchsetzung der Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz. Nach dem alten WEG-Recht konnte die WEG auch die Ansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen. Darunter fielen die Ansprüche auf Erfüllung und Nacherfüllung sowie kaufrechtliche Ansprüche.

Der Gesetzgeber hat mit dem neuen § 9a Abs. 2 WEG das Konzept, zwischen geborener und gekorener Ausübungsbefugnis zu unterscheiden, aufgegeben. Diese Gesetzesänderung führt jedoch nicht zu einem Entfall der Prozessführungsbefugnis der WEG. Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Ansprüche der Erwerber unterfallen zwar nicht der Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG, aber die WEG kann nach wie vor gemäß § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss deren Durchsetzung an sich ziehen. Eine solche Kompetenz bestand nämlich bereits vor der Normierung der Ausübungsbefugnis in § 10 WEG a.F. und stützte sich auf § 21 Abs. 1, 2 Nr. 5 WEG a.F. Diese Befugnis der WEG überlagerte die individuelle Rechtsverfolgungskompetenz des Einzelnen.

Ferner soll nach dem Willen des Gesetzgebers die bisherige Rechtsprechung zur Vergemeinschaftung von auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Mängelansprüchen beibehalten werden. Der Gesetzeswortlaut steht dem nicht entgegen.

Hinweis:

Das neue WEG ändert also, was die Ansichziehung und die Ausübungsbefugnis von Mängelrechten anbelangt, nichts.

OLG Hamm, Urteil vom 19.12.2022, Az: 22 U 211/21

Der Käufer erwirbt eine gebrauchte Immobilie. Die Gewährleistung wird ausgeschlossen. Im Maklerexposé wird die Immobilie dergestalt beschrieben, dass sie in den Jahren 2009 bis 2010 „topsaniert“ worden sei. Die Wohnräume seien „hell und einladend“, das Ambiente sei „großzügig“ und es seien „modernste Haustechnik wie eine Sole-Wärmepumpe, digitale Vernetzung der Wohn- und Arbeitsräume … realisiert“ worden.

Der Erwerber klagt auf Schadensersatz, weil das Gäste-WC im Erdgeschoss keine Fußbodenheizung und auch sonst keine Heizung hat.

Das OLG meint, es liegt ein Sachmangel vor. Die geschuldete Soll-Beschaffenheit kann sich auch aus einem Maklerexposé ergeben. Solche Angaben sind öffentliche Äußerungen i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F. Demzufolge sind die Angaben im Exposé bestimmend für die Beschaffenheit, die der Käufer erwarten kann. Deshalb durfte der Käufer nach dem Maklerexposé auch davon ausgehen, dass das Gäste-WC mit einer Fußbodenheizung ausgestattet ist. Diese Einschätzung stützt das OLG auf die Beschreibung als „topsaniert“. Ferner auf den Verweis auf modernste Haustechnik, die großzügige Dimensionierung des Gäste-WCs mit 7 m², dem Vorhandensein einer Fußbodenheizung in den übrigen Räumen des Erdgeschosses sowie die zentrale Lage des Gäste-WC als einzigem WC im Erdgeschoss.

Der Käufer wusste von der fehlenden Fußbodenheizung im Gäste-WC nichts, weil er hierüber nicht aufgeklärt worden ist. Der Beweis kann insofern auch durch eine informatorische Anhörung der Parteien geführt werden.

Hinweis:

Dass Angaben in einem Maklerexposé zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führen, gilt auch bei formbedürftigen Verträgen. Das hilft dem Käufer beim Kauf einer gebrauchten Immobilie allerdings nur dann, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat. Ansonsten umfasst ein allgemeiner Haftungsausschluss auch die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften des Grundstücks. Es bedarf daher immer der Feststellung von Arglist, um den Haftungsausschluss zu überwinden.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2021, Az: 4 U 112/18

Der mit der Errichtung eines Hochwasserschutzes beauftragte Auftragnehmer (AN) erbringt seine Leistungen nur zögerlich. Daher wird er vom Auftraggeber (AG) unter Fristsetzung aufgefordert, ihm nachzuweisen, dass er in der Lage ist, den Bauvertrag rechtzeitig zu erfüllen. Als der AN dem nicht nachkommt, kündigt der AG und verlangt Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten.

Mit Erfolg!

Der AG kann verlangen, dass bereits vor Verzugseintritt die fristgerechte Erfüllbarkeit des Bauvertrages nachgewiesen wird. Bei seiner Entscheidungsverkündung muss der AG die Prognose anstellen, ob es dem AN noch gelingen wird, den Auftrag fristgerecht auszuführen. In diese Prognose können aber nur die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung erkennbaren objektiven Umstände einfließen und nicht die Versprechungen des in Verzug geratenen AN. Im Zweifel sind die in der Vergangenheit feststellbaren personellen und sachlichen Kapazitäten des AN und seine bisherige Arbeitsweise auf die Zukunft umzulegen und die Frage zu beantworten, ob der AN bei Fortsetzung seiner Arbeiten in gleicher Intensität die Frist einhalten wird, es sei denn, es sind objektiv erkennbare Verbesserungen festzustellen.

Hinweis:

Der AG hat keine zwingenden Gründe vorgetragen, weshalb der vereinbarte Vertragstermin nicht einzuhalten war und damit der Verzugseintritt feststand. Nach Auffassung des OLG Köln ist genau das aber Voraussetzung für eine Kündigung vor Verzugseintritt.

Das OLG Karlsruhe hat nun mit seiner Entscheidung das Prognoserisiko des AG für den Verzugseintritt reduziert.

OLG Oldenburg, Urteil vom 23.09.2019, Az: 13 U 20/17

Nachdem es bereits 2012 zu einem Großbrand gekommen war, brennt 2013 ein Elektrofachmarkt erneut ab. Nach dem zweiten Brand zahlt die Versicherung 3 Mio. Euro. Sie nimmt nunmehr den Elektriker in Regress, der im Zuge des Wiederaufbaus die Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert hat. Die Planung wurde ihm vom Eigentümer vorgegeben. Die PV-Module wurden ebenfalls vom Eigentümer gestellt.

Der Elektriker haftet allerdings nur zu 60%. Er hat den Brand schuldhaft verursacht. Zu dem Brand kam es, weil es in einer Komponente der PV-Anlage zu einem Kurzschluss gekommen ist. Dabei sind Kabelumhüllungen geschmolzen, glühend herabgetropft und haben die aus brennbaren Kunststoff- und Bitumenbahnen bestehende Dachhaut entzündet. Der Elektriker hat die DIN VDE 0100-482 bzw. DIN VDE 0100-100 nicht beachtet. Danach sind elektrische Betriebsmittel, die hohe Temperaturen oder elektrische Lichtbögen verursachen können, so anzubringen oder zu schützen, dass kein Risiko der Entzündung brennbarer Materialien besteht. Der Elektriker hätte sich vor Durchführung seiner Arbeiten über die Art der Eindeckung und ihre Brennbarkeit informieren müssen. Deshalb muss der Elektriker sowohl den Schaden des Eigentümers als auch des Mieters ersetzen. Der Mieter ist in den Schutzbereich des Installationsvertrages einbezogen.

Dem Elektriker helfen auch seine AGB nicht weiter. Diese sehen eine Haftungsbegrenzung auf das Doppelte des Auftragswertes bei leichter Fahrlässigkeit vor. Es liegt aber wegen des Verstoßes gegen die anerkannten Regeln der Technik keine nur einfache Fahrlässigkeit vor.

Die Haftung des Elektrikers wurde allerdings auf 60% gekürzt, weil der Brand auch auf einer mangelhaften Planung der PV-Anlage beruht. Auch die Planer hätten die DIN beachten müssen. Außerdem hätten sie im Hinblick auf die Brandgefahr wegen des bereits im Jahr 2012 aufgetretenen Brandes besonders sensibilisiert sein müssen. Das Verschulden der Planer muss sich der Bauherr zurechnen lassen.

Hinweis:

Die Feststellungen des Gerichts, dass jeder Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik grob fahrlässig ist, ist zu allgemein. Es darf bezweifelt werden, ob das Brandverhalten von Dachbahnen innerhalb der betroffenen Fachkreise hinreichend gut bekannt ist. Bauordnungsrechtlich relevant ist die Anforderung „Harte Bedachung“ unter PV-Anlagen. Diese Anforderung scheint nicht zu genügen. Auch das Argument, dass mit PV-Anlagen beschäftigte Unternehmen mit Bahnenresten selbst Brandversuche machen könnten, ist wenig hilfreich. Dachbahnen sind grundsätzlich brennbar.

Die Gefahr des Urteils besteht zudem darin, dass betroffene Gebäude nicht ohne weiteres mehr versicherbar sein könnten.

Zu den Aachener Bausachverständigentagen 2023 wird die Frage diskutiert werden, wie gesichert werden kann, dass PV-Anlagen auf Dächern weitgespannter Tragwerke ohne das Risiko erheblicher Brandfolgeschäden errichtet und die Gebäude versichert werden können, insbesondere bei Bestandsbauten. Diese zusätzlichen Anforderungen an Dächer müssen dringend diskutiert und thematisiert werden, um Lösungen zu finden, die schnell umsetzbar sind.