Pho­to­vol­ta­ik und brenn­ba­re Dachhaut!

OLG Olden­burg, Urteil vom 23.09.2019, Az: 13 U 20/17

Nach­dem es bereits 2012 zu einem Groß­brand gekom­men war, brennt 2013 ein Elek­tro­fach­markt erneut ab. Nach dem zwei­ten Brand zahlt die Ver­si­che­rung 3 Mio. Euro. Sie nimmt nun­mehr den Elek­tri­ker in Regress, der im Zuge des Wie­der­auf­baus die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge auf dem Dach instal­liert hat. Die Pla­nung wur­de ihm vom Eigen­tü­mer vor­ge­ge­ben. Die PV-Modu­le wur­den eben­falls vom Eigen­tü­mer gestellt.

Der Elek­tri­ker haf­tet aller­dings nur zu 60%. Er hat den Brand schuld­haft ver­ur­sacht. Zu dem Brand kam es, weil es in einer Kom­po­nen­te der PV-Anla­ge zu einem Kurz­schluss gekom­men ist. Dabei sind Kabel­um­hül­lun­gen geschmol­zen, glü­hend her­ab­ge­tropft und haben die aus brenn­ba­ren Kunst­stoff- und Bitu­men­bah­nen bestehen­de Dach­haut ent­zün­det. Der Elek­tri­ker hat die DIN VDE 0100–482 bzw. DIN VDE 0100–100 nicht beach­tet. Danach sind elek­tri­sche Betriebs­mit­tel, die hohe Tem­pe­ra­tu­ren oder elek­tri­sche Licht­bö­gen ver­ur­sa­chen kön­nen, so anzu­brin­gen oder zu schüt­zen, dass kein Risi­ko der Ent­zün­dung brenn­ba­rer Mate­ria­li­en besteht. Der Elek­tri­ker hät­te sich vor Durch­füh­rung sei­ner Arbei­ten über die Art der Ein­de­ckung und ihre Brenn­bar­keit infor­mie­ren müs­sen. Des­halb muss der Elek­tri­ker sowohl den Scha­den des Eigen­tü­mers als auch des Mie­ters erset­zen. Der Mie­ter ist in den Schutz­be­reich des Instal­la­ti­ons­ver­tra­ges einbezogen.

Dem Elek­tri­ker hel­fen auch sei­ne AGB nicht wei­ter. Die­se sehen eine Haf­tungs­be­gren­zung auf das Dop­pel­te des Auf­trags­wer­tes bei leich­ter Fahr­läs­sig­keit vor. Es liegt aber wegen des Ver­sto­ßes gegen die aner­kann­ten Regeln der Tech­nik kei­ne nur ein­fa­che Fahr­läs­sig­keit vor.

Die Haf­tung des Elek­tri­kers wur­de aller­dings auf 60% gekürzt, weil der Brand auch auf einer man­gel­haf­ten Pla­nung der PV-Anla­ge beruht. Auch die Pla­ner hät­ten die DIN beach­ten müs­sen. Außer­dem hät­ten sie im Hin­blick auf die Brand­ge­fahr wegen des bereits im Jahr 2012 auf­ge­tre­te­nen Bran­des beson­ders sen­si­bi­li­siert sein müs­sen. Das Ver­schul­den der Pla­ner muss sich der Bau­herr zurech­nen lassen.

Hin­weis:

Die Fest­stel­lun­gen des Gerichts, dass jeder Ver­stoß gegen die aner­kann­ten Regeln der Tech­nik grob fahr­läs­sig ist, ist zu all­ge­mein. Es darf bezwei­felt wer­den, ob das Brand­ver­hal­ten von Dach­bah­nen inner­halb der betrof­fe­nen Fach­krei­se hin­rei­chend gut bekannt ist. Bau­ord­nungs­recht­lich rele­vant ist die Anfor­de­rung „Har­te Beda­chung“ unter PV-Anla­gen. Die­se Anfor­de­rung scheint nicht zu genü­gen. Auch das Argu­ment, dass mit PV-Anla­gen beschäf­tig­te Unter­neh­men mit Bah­nen­res­ten selbst Brand­ver­su­che machen könn­ten, ist wenig hilf­reich. Dach­bah­nen sind grund­sätz­lich brennbar.

Die Gefahr des Urteils besteht zudem dar­in, dass betrof­fe­ne Gebäu­de nicht ohne wei­te­res mehr ver­si­cher­bar sein könnten.

Zu den Aache­ner Bau­sach­ver­stän­di­gen­ta­gen 2023 wird die Fra­ge dis­ku­tiert wer­den, wie gesi­chert wer­den kann, dass PV-Anla­gen auf Dächern weit­ge­spann­ter Trag­wer­ke ohne das Risi­ko erheb­li­cher Brand­fol­ge­schä­den errich­tet und die Gebäu­de ver­si­chert wer­den kön­nen, ins­be­son­de­re bei Bestands­bau­ten. Die­se zusätz­li­chen Anfor­de­run­gen an Dächer müs­sen drin­gend dis­ku­tiert und the­ma­ti­siert wer­den, um Lösun­gen zu fin­den, die schnell umsetz­bar sind.