OLG Dresden, Beschluss vom 24.11.2022, Az: 14 U 538/22

Eine biologische Kläranlage wird errichtet und im Dezember 2015 fertiggestellt. Es findet keine ausdrückliche Abnahme statt. Die im Januar 2016 gestellte Schlussrechnung zahlt der Auftraggeber (AG) überwiegend. Sodann beauftragt der AG Drittunternehmen mit der Wartung der Anlage. Nachdem Probleme mit der Anlage auftreten, beantragt der AG im Oktober 2017 die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens und fordert den Auftragnehmer (AN) dann im Oktober 2019 zur Nacherfüllung auf, die nicht erfolgt. Im Rechtsstreit verlangt der AG vom AN Vorschuss zur Mangelbeseitigung.

Ohne Erfolg!

Der AG hat die Anlage vor Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens konkludent abgenommen. Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn ein im Wesentlichen funktionstüchtiges Werk bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen wird und ein angemessener Erprobungszeitraum abgelaufen ist. Ferner hat sich der Abnahmewille des AG in der weit überwiegenden Zahlung auf die Schlussrechnung manifestiert. Auch hat der AG nicht dargelegt, dass zu diesem Zeitpunkt die Anlage nicht im Wesentlichen funktionstüchtig gewesen wäre. Damit gilt die Anlage als konkludent abgenommen und der AG trägt die Beweislast für die Mangelhaftigkeit.

Diese Beweisführung ist ihm nicht gelungen, da der Sachverständige festgestellt hat, dass die Mängel nicht ihren Grund in einer mangelhaften Planung oder Errichtung der Anlage gehabt haben, sondern in einer unzureichenden Wartung und Bedienung.

OLG Frankfurt, Urteil vom 09.03.2023, Az: 15 U 295/21

Es kommt bei der Durchführung von Rohbauarbeiten an einem Bestandsbau wegen Schadstofffunden zu einer Bauzeitverlängerung. Der Auftragnehmer (AN) meint, ihm stehe gegen den Auftraggeber (AG) ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer störungsbedingten Unterdeckung der Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) einerseits und Wagnis/Gewinn andererseits sowie Produktivitätsverlusten und witterungsbedingten Leistungsminderungen sowie Vorhaltekosten zu.

Das OLG sieht dies anders:

Zwar erfasst § 2 Abs. 5 VOB/B auch Mehrkosten des AN, die auf angeordnete Änderungen des Bauentwurfes zurückzuführen sind. Dabei sind allerdings die bauzeitbedingten Mehrkosten auf der Grundlage einer bauablaufbezogenen Darstellung, also die Gegenüberstellung der Ist- mit den Soll-Abläufen, schlüssig darzulegen. Der AN hat darzustellen, wie er den Bauablauf geplant hatte. Dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen. Die einzelnen Behinderungen sind mit ihren tatsächlichen Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern.

Ferner kann bei § 2 Abs. 5 VOB/B eine Mehrkostenberechnung  nicht auf eine umsatzbezogene Unterdeckung der AGK bzw. Wagnis/Gewinn gestützt werden. Außerdem haben hier Nachtragsvereinbarungen vorgelegen, die im Hinblick auf die Bauzeitverzögerungsfolgen abschließend sind.

Hinweis:

Der Fall ist typisch. Immer wieder wird vom AN versucht, ohne bauablaufbezogene Darstellungen zu einem Zahlungsanspruch zu gelangen. § 2 Abs. 5 VOB/B gewährt einen Vergütungsanspruch für entstandene Mehrkosten. Ausgebliebene Umsätze für AGK und Wagnis/Gewinn stellen aber keine vertragsbezogenen Mehrkosten dar. Von § 2 Abs. 5 VOB/B werden nur solche tatsächlich erforderlichen Mehrkosten erfasst, die als Folge einer Anordnung entstanden sind und bei Ausführung der ursprünglich vereinbarten Leistung nicht entstanden wären. Nur hierauf kann dann ein angemessener Zuschlag für AGK sowie Wagnis/Gewinn berechnet werden.

OLG München, Urteil vom 26.07.2022, Az: 9 U 7532/21 Bau

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit Tiefbauarbeiten. Die VOB/B ist Vertragsbestandteil. Der AN führt die Arbeiten größtenteils aus. Allerdings verlässt er noch vor Einbau der vertraglich vereinbarten Asphalttragschicht die Baustelle und zieht sämtliche Mitarbeiter ab. Drei Wochen später lässt der AG, ohne den AN zuvor zur Fertigstellung der Arbeiten aufgefordert zu haben, die noch ausstehenden Arbeiten durch einen anderen Unternehmer ausführen und rechnet mit den entstandenen Kosten gegen den Vergütungsanspruch des AN auf.

Ohne Erfolg!

Es wäre vor Beauftragung des Drittunternehmers mit der Fertigstellung der Arbeiten erforderlich gewesen, dem AN zuvor eine Frist mit Kündigungsandrohung zu setzen. Diese Fristsetzung war hier nicht entbehrlich. Allein das Verlassen der Baustelle ist keine Erfüllungsverweigerung. Vielmehr erfordert in einem solchen Fall das Kooperationsgebot, dass der AG sich mit dem AN in Verbindung setzt, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Hinweis:

Auch wenn die Arbeiten grundlos eingestellt werden, sollte der AG eine Frist zur Fertigstellung setzen und diese mit einer Kündigungsandrohung verbinden. Dabei muss auch darauf geachtet werden, dass die gesetzte Nachfrist angemessen ist.

Es ist grundsätzlich so, dass Partner eines Bauvertrages aufgrund des bauvertraglichen Kooperationsgebotes bei allen auftretenden Komplikationen zunächst versuchen sollen, miteinander ins Gespräch zu kommen, um eine angemessene Lösung zu finden. Bei Verstoß gegen dieses Gebot kann Rechtsverlust drohen.

OLG München, Urteil vom 21.11.2023, Az: 9 U 301/23 Bau e

Ein Architekt macht für seine offenen Honoraransprüche einen Anspruch auf Sicherheit nach § 648a BGB a. F. in Höhe von ca. 4,3 Mio. € geltend. Das Landgericht weist die Klage ab, weil der Anspruch verjährt sei. Die Verjährung beginne nicht zum Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Vielmehr errechne sich die Verjährungsfrist taggenau ab dem ersten Sicherungsverlangen. Der Architekt legt Berufung ein.

Mit Erfolg!

Das OLG stellt fest, dass der BGH zwar offengelassen habe, ob die Verjährung am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, beginnt. Die überwiegende Meinung in der Literatur geht jedoch davon aus. Die Rechtsauffassung des LG sei deshalb unzutreffend. Damit beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit am Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer die Sicherheit verlangt hat.

Hinweis:

Im Zusammenhang mit der Bauhandwerkersicherheit nach dem neuen § 650f BGB müssen einige Verjährungsfristen beachtet werden.

Zunächst darf der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht verjähren. Wird Sicherheit durch Bürgschaft geleistet, muss der Auftragnehmer (AN) dafür sorgen, dass der Anspruch gegen den Bürgen nicht verjährt. Außerdem ist natürlich dafür Sorge zu tragen, dass der eigentliche Anspruch nicht verjährt.

OLG Frankfurt, Urteil vom 21.12.2023, Az: 15 U 211/21

Der Auftragnehmer (AN) führte 2012 Arbeiten an der Dacheindeckung des Neubaus eines Bürogebäudes für den Auftraggeber (AG) aus. Die VOB/B wurde in den Vertrag einbezogen. Das Dach ist seit 2014 undicht. In den Folgejahren standen die Parteien mehrfach in Kontakt. Am 28.06.2016 bat der Geschäftsführer des AG den AN per WhatsApp, sich das Dach nochmals anzuschauen, weil es immer noch lecke. Der AN antwortete mit „ok“ und sah sich das Dach am 29.06.2016 an. Der AG will nun Ersatz der Kosten für die zwischenzeitlich ausgeführte Dachsanierung in Höhe von ca. 100.000,00 €. Der AN wendet Verjährung ein.

Das OLG hält die Forderung für verjährt. Durch die Begehung des Daches am 29.06.2016 könne zwar eine Hemmung der Verjährung abgeleitet werden. Danach seien die Verhandlungen aber eingeschlafen, denn nach der Dachbegehung habe der AG nicht weiter reagiert. Eine Reaktion sei innerhalb eines Monats zu erwarten gewesen, daher sei die Hemmung am 29.07.2016 beendet gewesen. Die WhatsApp-Nachricht des AG vom 28.06.2016 habe auch keinen Quasi-Neubeginn einer gesonderten 2-jährigen Frist nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B ausgelöst. Bei dieser WhatsApp-Nachricht fehle es an dem hierzu erforderlichen schriftlichen Mangelbeseitigungsverlangen. Zwar gelte für das Schriftformerfordernis der VOB/B nicht § 126 BGB, sondern § 127 Abs. 2 S. 1 BGB. Demzufolge könne die gewillkürte Schriftform durch eine telekommunikative Übermittlung gewahrt werden. Hierzu sei aber eine Erklärung erforderlich, die in gleicher Weise wie ein Schriftstück verfasst sei, aus der sich unzweideutig der Erklärende ergebe.

Zudem müsse der Erklärungsempfänger in der Lage sein, das Schriftstück auszudrucken und dauerhaft abzuspeichern bzw. zu archivieren. All das sei hier nicht gegeben. Außerdem könne ein Messenger-Dienst, der zum raschen Austausch rein privater Nachrichten und gerade nicht zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen bestimmt sei, nicht die notwendige Warnfunktion eines Formerfordernisses erfüllen.

Hinweis:

Wer rechtssicher die (gewillkürte) Schriftform wahren will, muss mindestens eine E-Mail schreiben.