Ver­las­sen der Bau­stel­le ist kei­ne Erfüllungsverweigerung!

OLG Mün­chen, Urteil vom 26.07.2022, Az: 9 U 7532/21 Bau

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) mit Tief­bau­ar­bei­ten. Die VOB/B ist Ver­trags­be­stand­teil. Der AN führt die Arbei­ten größ­ten­teils aus. Aller­dings ver­lässt er noch vor Ein­bau der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Asphalt­trag­schicht die Bau­stel­le und zieht sämt­li­che Mit­ar­bei­ter ab. Drei Wochen spä­ter lässt der AG, ohne den AN zuvor zur Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten auf­ge­for­dert zu haben, die noch aus­ste­hen­den Arbei­ten durch einen ande­ren Unter­neh­mer aus­füh­ren und rech­net mit den ent­stan­de­nen Kos­ten gegen den Ver­gü­tungs­an­spruch des AN auf.

Ohne Erfolg!

Es wäre vor Beauf­tra­gung des Dritt­un­ter­neh­mers mit der Fer­tig­stel­lung der Arbei­ten erfor­der­lich gewe­sen, dem AN zuvor eine Frist mit Kün­di­gungs­an­dro­hung zu set­zen. Die­se Frist­set­zung war hier nicht ent­behr­lich. Allein das Ver­las­sen der Bau­stel­le ist kei­ne Erfül­lungs­ver­wei­ge­rung. Viel­mehr erfor­dert in einem sol­chen Fall das Koope­ra­ti­ons­ge­bot, dass der AG sich mit dem AN in Ver­bin­dung setzt, um das wei­te­re Vor­ge­hen zu besprechen.

Hin­weis:

Auch wenn die Arbei­ten grund­los ein­ge­stellt wer­den, soll­te der AG eine Frist zur Fer­tig­stel­lung set­zen und die­se mit einer Kün­di­gungs­an­dro­hung ver­bin­den. Dabei muss auch dar­auf geach­tet wer­den, dass die gesetz­te Nach­frist ange­mes­sen ist.

Es ist grund­sätz­lich so, dass Part­ner eines Bau­ver­tra­ges auf­grund des bau­ver­trag­li­chen Koope­ra­ti­ons­ge­bo­tes bei allen auf­tre­ten­den Kom­pli­ka­tio­nen zunächst ver­su­chen sol­len, mit­ein­an­der ins Gespräch zu kom­men, um eine ange­mes­se­ne Lösung zu fin­den. Bei Ver­stoß gegen die­ses Gebot kann Rechts­ver­lust drohen.