Anmerkung zu: Urteil LG Berlin vom 19.01.2017, Aktenzeichen: 86 O 142/16

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Herstellung einer Fassade. Der Baufortschritt erfolgt nicht wie vereinbart. Die Verantwortlichkeit hierfür ist strittig. Der AN macht zusätzliche Vergütungs-ansprüche geltend, u.a. fortgeschriebene Kosten der länger vorgehaltenen Baustelleneinrichtung und zusätzlichen planerischen Aufwand.

Der AN beziffert die Ansprüche erst in der Schlussrechnung. Er macht Sicherheitsleistung gemäß § 648 a BGB geltend.

Ohne Erfolg!

Das LG wertet den geltend gemachten Anspruch als Schadenersatz. Dieser könne daher allenfalls nach § 648 a Abs. 1 S. 2 BGB gesichert werden.

Dazu müsste der geltend gemachte Anspruch aber an die Stelle der Vergütung treten. Dies sei nach LG Berlin jedoch nicht der Fall. Der Anspruch trete vielmehr neben den Vergütungsanspruch. Auch ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB fällt nach Ansicht des LG weder unter 648 a Abs. 1 BGB, noch unter dessen Satz 2. Auch dieser Anspruch trete nicht an die Stelle des Vergütungsanspruches, sondern daneben.

Ungeachtet der Einordnung als Vergütungsanspruch oder nicht, könne eine Sicherheit aber auch deshalb nicht verlangt werden, da nur dem Grunde und der Höhe nach unstreitige Nachträge berücksichtigt werden können. Für die Zusatzaufträge muss ausweislich des Wortlautes also bereits eine Preisvereinbarung vorliegen.

Hinweis:

In der Praxis muss daher eine strikte Orientierung am Wortlaut der Norm erfolgen. Bei Bestimmung der Höhe der Sicherheit sollten daher streitige Vergütungsansprüche in Bezug auf Bauablaufstörungen außen vor bleiben. Umgekehrt bleiben bei Bestimmung der Höhe der Sicherheit auch streitige Gegenansprüche ohne Berücksichtigung.

 

Anmerkung zu: OLG Köln, Beschluss vom 27.01.2014, Az. 11 U 217/12 BGH, Beschluss vom 18.01.2017, Az. VII ZR 30/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) auf der Grundlage der VOB/B mit Fließen-und Kunststeinarbeiten. Der AG beanstandet Farbabweichungen. Er begründet dies damit, dass der AN das vereinbarte Baumaterial von einem anderen Lieferanten als vereinbart bezogen hat. Der AG erteilt dem AN ein Baustellenverbot. Nach Fristsetzung und Kündigungsandrohung kündigt der AN nach Fristablauf den Bauvertrag und klagt Restwerklohn und entgangenen Gewinn ein. Der Sachverständige stellt keine relevanten Farbabweichungen fest. Das Landgericht gibt der Werklohnklage statt. Der AG legt hiergegen Berufung ein.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der AN hat das vereinbarte Baumaterial verwendet. Es liegt kein Mangel darin, dass der AN das vereinbarte Baumaterial bei einem anderen Lieferanten als vereinbart beschafft hat. Der AG konnte letztlich nicht nachweisen, dass als vertragliche Beschaffenheit tatsächlich der Bezug des bestimmten Baumaterials bei einem bestimmten Lieferanten vereinbart war.

Hinweis:

Die Entscheidung stellt eine Einzelfallentscheidung dar. Es ist letztlich Auslegungsfrage, was die Parteien als vertragliche Beschaffenheit vereinbart haben. Diesbezüglich kann tatsächlich die Verwendung einer ganz bestimmten Materialcharge und / oder der Bezug bei einem bestimmten Lieferanten vereinbart werden. Dies ist vor allem bei Naturprodukten relevant, bei denen das optische Erscheinungsbild Schwankungen unterliegt. Solange die Unterschiede in der natürlichen Schwankungsbreite liegen, liegt in der Regel kein Mangel vor. Gerade in diesen Fällen ist es ratsam, die Verwendung einer ganz bestimmten Materialcharge als vertragliche Beschaffenheit zu vereinbaren. Wenn dann Material vom gleichen Hersteller einer anderen Charge geliefert wird, dürfte eine Pflichtverletzung und ein Mangel vorliegen.

 

Anmerkung zu: OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.01.2017, Az. 4 U 4/15

Der AN soll Estricharbeiten erbringen. Die VOB/B sind in das Vertragsverhältnis einbezogen. Es treten Mängel auf und der AG fordert den AN unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf, ohne allerdings die Kündigung anzudrohen. Nachdem der AN mit der Mangelbeseitigung in Verzug gerät, lässt der AG die Mängel beseitigen, ohne den Vertrag zu kündigen. Anschließend verklagt der AG den AN auf Schadenersatz. Nach Aufrechnung gegen eine Restforderung des AN verlangt der AG noch rund 65.000,00 €, wovon das Landgericht rund 37.000,00 € zuspricht. Beide Parteien gehen in Berufung. Zur Berufungsverhandlung erscheint keine der Parteien. Mit dem Architekten vergleicht sich der AG und erklärt Erledigung zur Hauptsache. Das OLG muss daher noch über die Kosten entscheiden und meint, dass der Verfahrensausgang ungewiss gewesen sei und legt deshalb dem AG und dem AN die Kosten je zur Hälfte auf.

Der Verfahrensausgang, so das OLG, sei von der Klärung einer schwierigen Rechtsfrage abhängig.

Die Entscheidung ist falsch!

Die Kostenentscheidung hätte zu Lasten des AG ausfallen müssen. Im Vertragsstadium richten sich Mängelansprüche ausschließlich nach § 4 Abs. 7 VOB/B. § 13 VOB/B ist im Stadium vor Abnahme nicht anwendbar. Da der AG die Mängel beseitigt hat, ohne vorher den Vertrag mit dem AN zu kündigen, hat er (eindeutig) keinen Anspruch auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten.

Anmerkung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Im vorstehend geschilderten Fall hatte der AN nach Auftreten der Unterbrechung wegen der Insolvenz des Vorunternehmers den AG aufgefordert, ihm zur Fertigstellung seiner Leistung ein baureifes Grundstück zur Verfügung zu stellen. Er drohte die Kündigung des Bauvertrages an. Der AG teilte mit, dass die Bauarbeiten nicht vor dem 4. Quartal des Jahres 2014 wieder aufgenommen werden können. Der AN setzte Nachfrist bis zum 30.11.2012. Am 27.11.2012 kündigte der AG den Bauvertrag gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B. Der AN vertritt im Folgenden die Auffassung, es liege eine sog. freie Auftraggeberkündigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B vor und macht Vergütung für nicht erbrachte Leistungen geltend. Er verweist zur Begründung auf eine angebliche AGB-Widrigkeit des § 6 Abs. 7 VOB/B.

Die Klage hat keinen Erfolg. Der AN kann lediglich die ausgeführten Leistungen abrechnen und gemäß vorstehender Darlegung die verzugsbedingten Mehrkosten verlangen.

Das Gericht stellt fest, dass die Kündigung keine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B ist, sondern eine Kündigung wegen Unterbrechung gem. § 6 Abs. 7 VOB/B. Diese Vorschrift hält einer AGB-Kontrolle auch stand. Im Gegensatz zur entsprechenden Vorschrift in § 645 BGB hat der AN im Rahmen eines VOB/B-Vertrages Anspruch auf entgangenen Gewinn nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Dieser Unterschied zu den Regelungen des BGB führt jedoch nicht zur AGB-Widrigkeit von § 6 Abs. 7 VOB/B.

Hinweis:

In derartigen Fallkonstellationen sollte besser von der Möglichkeit der Vertragskündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B Gebrauch gemacht werden. Der AN muss den AG in Annahmeverzug setzen und ist dann berechtigt, den Vertrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B zu kündigen. In diesem Fall bleiben etwaige weitergehende Ansprüche, somit auch solche auf Ersatz des auf den nicht ausgeführten Leistungsteil entfallenden entgangenen Gewinns gemäß § 9 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 VOB/B bestehen.

Anmerkung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) Ende 2007 mit der Errichtung einer Sprinkleranlage.

Der VOB/B-Vertrag sieht eine verbindliche Fertigstellung der Leistungen im ersten Bauabschnitt bis Ende KW 50 des Jahres 2008 und im zweiten Abschnitt bis Ende KW 40 im Jahr 2010 vor.

Die Insolvenz eines Vorunternehmers und die verzögerte Architektenplanung des AG führt zu Bauablaufstörungen. Mittels Nachtrag beansprucht der AN nach Kündigung Mehrkosten wegen „Preiserhöhung für Teile des ersten Bauabschnittes, die erst im Jahr 2011 durchgeführt werden konnten“. Dringt der AN mit seiner Forderung durch?

Der AN hat teilweise Erfolg. Die Verschiebung der Arbeiten führte zu höheren Lohnkosten. Das Kammergericht führt aus, dass sich die Höhe der Entschädigung gemäß § 642 BGB nach der vereinbarten Vergütung richtet. Maßgeblich ist die Differenz zwischen den Ist-Kosten und den hypothetischen Kosten ohne Annahmeverzug des AG. Hinzu kommen Zuschläge für Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten (AGK). Die Höhe der AGK- und Gewinnzuschläge soll sich nach der Kalkulation des AN richten. Wenn diese Fehler aufweist, soll das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen können.

Hinweis:

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es weicht von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der bisherigen Linie des BGH in zwei Punkten ab. Nach bisheriger Auffassung zahlreicher Oberlandesgerichte setzt die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB ebenso wie bei einem Schadenersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung voraus. Das Kammergericht ist der Auffassung, dass dies nicht notwendig ist, wenn dem AN durch den Annahmeverzug des AG ein nachweisbarer Vermögensnachteil entstanden ist. Ebenfalls in Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung ist das Kammergericht der Auffassung, dass die verzögerungs-bedingten Mehrkosten als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung um einen Deckungsbeitrag für die Allgemeinen Geschäftskosten und einen Gewinnanteil zu erhöhen sind, soweit solche Zuschläge in der vereinbarten Vergütung bereits enthalten waren.

Würde sich der BGH dieser Entscheidung in seiner Rechtsprechung angleichen, wären die Anforderungen an die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches gemäß § 642 BGB wesentlich reduziert.

Die Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten.

Anmerkung zu: OLG Jena, Urteil vom 07.05.2014, Az. 2 U 17/13 BGH, Beschluss vom 04.01.2017, Az. VII ZR 133/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Ein Ingenieur wird mit schriftlichen Vertrag mit folgenden Formulierungen von dem Bauherrn beauftragt:

„Kontinuierliche Kontrolle von Bauleistungen auf Übereinstimmung mit den vorliegenden Plänen, der ausgeschriebenen Qualitäten und den vereinbarten Terminen“… „Terminkontrolle zusätzlich zur Objektbewachung“ und der „Kontrolle der Mängelbeseitigung (bei Erfordernis)“.

Ergänzend wird auf die Bestimmungen der HOAI und die Vorschriften über den Werkvertrag verwiesen. Der Bauherr nimmt den Ingenieur nach Fertigstellung wegen behaupteter Überwachungsfehler in Anspruch. Im Prozess vertritt der Ingenieur die Auffassung, er hätte nur eine dienstvertragliche Verpflichtung übernommen.

Sämtliche Gerichte teilen diese Auffassung nicht. Die Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag hat nach dem vertraglich vereinbarten Leistungsbild zu erfolgen.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist es für die Anwendung von Werkvertragsrecht nicht notwendig, dass ausschließlich erfolgsorientierte Pflichten übernommen werden. Es kann ausreichen, wenn ein Bündel von verschiedenen Aufgaben übernommen wird und diesbezüglich die erfolgsorientierten Aufgaben dermaßen überwiegen, dass sie den Vertrag prägen. Im Rahmen der Auslegung sind sämtliche in diesem Fall befassten Gerichte zum Entschluss gekommen, dass die vereinbarte Leistungspalette so ausgerichtet war, dass das Bauwerk mangelfrei erstellt werden soll. Daher war das Vertragswerk erfolgsorientiert geprägt. Damit war Werkvertragsrecht anzuwenden.

Hinweis:

In der Praxis ist selten von Dienstvertragsrecht auszugehen. Denkbar ist dies allenfalls bei Beauftragung einzelner Grund- oder Besonderer Leistungen.

Ab dem 01.01.2018 dürfte der dann neu geltende § 650 p Abs. 1 BGB maßgeblich sein. Der Gesetzgeber hat dort versucht, vertragstypische Pflichten für Architekten oder Ingenieure zu normieren. Gegenstand eines Architekten- oder Ingenieurvertrages sind demnach Leistungen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung oder Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Sofern solche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, ist eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Sind die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen diesen Vorgaben unterzuordnen, dürfte es sich dann um einen Architekten- bzw. Ingenieurvertrag nach der neuen Regelung im BGB- Werksvertragsrecht handeln.

Die diesbezügliche Entwicklung in der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.