OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.08.2020, Az: 8 U 49/19

Der AN soll Parkettarbeiten im Zeitraum vom 09.05.2016 bis zum 08.07.2016 ausführen. Da der Estrich nicht belegreif war, konnten der AN erst ab 13.09.2016 mit seinen Arbeiten beginnen. Er beansprucht deshalb eine Entschädigung und bekommt vom LG ca. 30.000,00 € zugesprochen. Dabei wurde von der nach der Kalkulation dargelegten Gesamtstundenzahl der Stundenaufwand für Samstagsarbeit und die Erledigung interner Aufgaben in Abzug gebracht. AN und AG legen gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

Das OLG spricht dem AN eine Entschädigung von ca. 42.000,00 € zu und führt aus, dass § 642 BGB eine Abwägungsentscheidung auf Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien erfordere. Die Vorschrift sehe keine exakte Berechnung des Anspruchs vor. Vielmehr habe der Richter im Rahmen der erforderlichen Abwägung einen Ermessensspielraum. Es steht fest, dass der AN eigene Arbeitskräfte und Geräte als Produktionsmittel vorgehalten habe. Für die Entschädigung sei weder eine Vorhaltung der Produktionsmittel auf der Baustelle noch eine bauablaufbezogene Darstellung erforderlich, da die Arbeiten unstreitig nicht termingemäß aufgenommen werden konnten. Bei der Schätzung der Entschädigungshöhe hat der Senat auf die tatsächliche Dauer des Annahmeverzugs abgestellt, der nicht mit dem vereinbarten Fertigstellungstermin endete. Soweit die Arbeitskräfte produktiv für die Erledigung interner Aufgaben eingesetzt werden konnten, verneint der Senat eine produktionslose Vorhaltung. Die Bemessung der Entschädigung erfolgte auf der Grundlage der Kalkulation des AN. AGK und Wagnis + Gewinn berücksichtigt der Senat im Wege eines prozentualen Zuschlags.

Hinweis:

Mit diesem Urteil wird – soweit ersichtlich – erstmals die neue BGH-Rechtsprechung umgesetzt. Der Ansatz des OLG Karlsruhe ist anders als der des KG, wonach der AN verpflichtet sein soll, im Interesse des AG Vorhaltekosten abzubauen.

BGH, Urteil vom 30.01.2020, Az: VII ZR 33/19

 

Die Frage, welchen Inhalt der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB hat, insbesondere anhand welcher Kriterien er zu berechnen ist, ist bislang ungeklärt gewesen. Der BGH hat hierzu nun eine Grundsatzentscheidung gefällt, die die zu diesem Problem bestehende Orientierungslosigkeit in Praxis und Rechtsprechung zumindest zum Teil beseitigen dürfte.

Im Ausgangsfall, entschieden durch das KG Berlin (Urteil vom 29.01.2019, Az: 21 U 122/18), wurden von einem öffentlichen Auftraggeber Trockenbauarbeiten für den Erweiterungsbau einer Ge-meinschaftsschule im Jahr 2016 ausgeschrieben. Diese Trockenbauarbeiten waren in drei unterschiedlichen Gebäuden zu erbringen. Für den Gebäudeteil „Schulerweiterung“ stellte das Kammer-gericht in der teilweise aufgehobenen Entscheidung zwar einen Annahmeverzug des Auftraggebers fest, da dieser das Baugrundstück nicht termingerecht zur Ausführung der vereinbarten Arbei-ten überlassen hat. Es lässt den Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers jedoch daran scheitern, dass die Entstehung eines Nachteils in Form von Vorhaltekosten für vergeblich bereitgehal-tene Produktionsmittel als anspruchsbegründende Voraussetzung für eine angemessene Entschädigung nach § 642 BGB nicht nachgewiesen sei.

Hiergegen wendet sich der BGH:

Nach Ansicht des BGH ist das Entstehen eines solchen Nachteils in Form von Vorhaltekosten für Produktionsmittel keine anspruchsbegründende Voraussetzung den Entschädigungsanspruch. Dies kann nach Ansicht des BGH weder dem Wortlaut des § 642 BGB entnommen werden noch dem Regelungszusammenhang. Vielmehr ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis + Gewinn sowie Allgemeine Geschäftskosten auf die vom Unternehmer während des Annahme-verzuges unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen. Der Tatrichter hat – so der BGH – festzustellen, inwieweit der Unternehmer während des Annahmeverzuges Produktions-mittel unproduktiv bereitgehalten hat und die hierauf entfallenden Anteile aus der vereinbarten Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Der BGH fordert den Tatrichter ausdrücklich dazu auf, nach § 287 ZPO zu schätzen.

Zu den Vergütungsanteilen für unproduktiv bereitgehaltene Produktionsmittel gehören nach Auffassung des BGH nicht die infolge des Annahmeverzuges ersparten Aufwendungen einschließlich darauf entfallender Anteile für Allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis + Gewinn.

Ferner ist zu prüfen, ob der Unternehmer während des Annahmeverzuges diese Produktionsmittel anderweit produktiv eingesetzt hat oder einsetzen konnte. Dabei soll es unbeachtlich sein, ob es sich hierbei um einen „echten Füllauftrag“, also einen Auftrag, der nur wegen des Annahmeverzuges angenommen und ausgeführt werden konnte, handelt oder nicht. Dieses aus § 649 BGB a.F. (jetzt § 648 BGB) entnommene Kriterium sei für den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB irrelevant.

Darlegungs- und beweisbelastet für die obigen Kriterien ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Unternehmer als Anspruchssteller, wobei hier nochmals unterstrichen wird, dass diese Darle-gungsvoraussetzungen dadurch erleichtert werden, dass der Tatrichter zur Schätzung nach § 287 ZPO berechtigt ist. Auf der Grundlage des vom Unternehmer Vorgetragenen soll dann der Tatrich-ter eine Abwägungsentscheidung treffen und die angemessene Entschädigung bestimmen.

Hinweis:

Das Urteil des BGH dürfte die Geltendmachung und Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen wegen Bauverzögerungen erheblich erleichtern.

Zu beachten ist aber nach wie vor, dass für den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB ein Annahmeverzug des Bestellers Anspruchsvoraussetzung ist. Diese muss durch ein wörtliches Angebot herbeigeführt werden. Für ein solches Angebot der Leistung genügt eine Behinderungsanzeige. Diese ist aber auch unbedingt erforderlich. Nur in seltenen Fällen ist eine Behinderungsanzeige we-gen Offenkundigkeit entbehrlich.

Im Zusammenhang mit der Corona-Krise drängt sich die Frage auf, ob diese als ein Fall der höheren Gewalt einzuordnen ist. Unter höherer Gewalt versteht die höchstrichterliche Rechtsprechung ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 22.04.2004, Az: III ZR 108/03). Die Corona-Krise ist von der WHO als Pandemie eingeordnet worden. Es dürfte also von höherer Gewalt auszugehen sein. Bei Verträgen, welche danach oder kurz zuvor geschlossen wurden, dürfte das Kriterium der Unvorhersehbarkeit allerdings nicht mehr vorliegen. Folglich ist jeder Fall besonders zu betrachten.

Im Wesentlichen dürften in diesem Zusammenhang Auswirkungen auf den Bauablauf, also auf die vertraglichen Pflichten zur Einhaltung von Terminen, in Betracht kommen. Zu beachten ist hierbei, dass schon das geringste Verschulden höhere Gewalt ausschließt. Beim Eintritt höherer Gewalt wird die betroffene Vertragspartei von ihren vertraglichen Leistungspflichten frei, ohne dass hieraus Ansprüche der anderen Vertragspartei resultieren. Vorstellbar ist eine Unterbrechung wegen dem Ausfall von Arbeitskräften aufgrund von Quarantäne, der Einrichtung von Schutzzonen, dem Zusammenbrechen von Lieferketten oder weil ausländische Arbeitnehmer an einer Einreise gehindert werden. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1c VOB/B werden in solchen Fällen die Ausführungsfristen verlängert. Bei extremen Verzögerungen müssen diese unter Umständen sogar neu vereinbart werden. Vertragsstrafe bzw. Verzugsschaden scheiden ebenfalls aus, wenn wegen höherer Gewalt vertraglich vereinbarte Termine vom Auftragnehmer nicht eingehalten werden.

Ganz gravierende Sondersituationen können auch zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Allerdings ist hier erst zu prüfen, ob nicht durch Vertragsanpassung das ursprüngliche Risikogefüge wiederhergestellt werden kann.

Jedenfalls ist dringend zu empfehlen, dass Behinderungsanzeigen erfolgen. Wie immer ist in der Behinderungsanzeige darzulegen, worin die Behinderung besteht und wie sich das jeweilige Ereignis auf den Produktionsprozess des Auftragnehmers auswirkt.

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019, Az: 2 U 81/19

Der AN soll am 02.06.2014 mit den Bauarbeiten beginnen. Bauseits waren aber noch nicht alle Vorleistungen erbracht. Der AN trägt vor, dass durch seine Mitarbeiter regelmäßig mündliche Bedenkenanzeigen erteilt worden seien und bietet die Mitarbeiter als Zeugen an. Erstmals am 30.06.2014 wurde schriftlich Behinderung angezeigt. Für den Zeitraum, in dem sich der AN behindert glaubte, macht er Entschädigung nach § 642 BGB geltend.

Ohne Erfolg!

Nach gefestigter Rechtsprechung muss eine Behinderungsanzeige alle Tatsachen enthalten, aus denen sich die Hinderungsgründe ergeben. Diese Angaben müssen sich auch darauf erstrecken, ob und wann die Arbeiten des AN, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können.

Behinderungsanzeigen können zwar mündlich erfolgen, aber abgesehen von der Beweisbarkeit solcher mündlichen Behinderungsanzeigen stellt sich die Frage, ob diese inhaltlich nach den Anforderungen der Rechtsprechung überhaupt erschöpfend sein können. Die Behinderungsanzeige hat den Zweck, den AN vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zu geben, Abhilfe zu verschaffen.

Offenkundig und bekannt sind die hindernden Umstände nur dann, wenn der AG nach seinem Verhalten, seinen Äußerungen oder Anordnungen zweifellos darüber unterrichtet ist. Diese Behinderungen müssen so deutlich hervortreten, dass sie selbst einem bautechnischen Laien nicht verborgen bleiben können.

Hinweis:

Verteidigt sich der AN gegen eine Vertragsstrafe oder Schadensersatz wegen Bauzeitverzuges, kann er sich auch dann auf fehlendes Verschulden berufen, wenn keine Behinderungsanzeige vorliegt. Allerdings hat der AN immer die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, er habe die Fristüberschreitung nicht zu vertreten oder der Zeitplan sei insgesamt so gestört worden, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe und Schadensersatz insgesamt entfällt. Deshalb sind Behinderungsanzeigen schon aus Gründen der Dokumentation dringend zu empfehlen.

Anmerkung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) Ende 2007 mit der Errichtung einer Sprinkleranlage.

Der VOB/B-Vertrag sieht eine verbindliche Fertigstellung der Leistungen im ersten Bauabschnitt bis Ende KW 50 des Jahres 2008 und im zweiten Abschnitt bis Ende KW 40 im Jahr 2010 vor.

Die Insolvenz eines Vorunternehmers und die verzögerte Architektenplanung des AG führt zu Bauablaufstörungen. Mittels Nachtrag beansprucht der AN nach Kündigung Mehrkosten wegen „Preiserhöhung für Teile des ersten Bauabschnittes, die erst im Jahr 2011 durchgeführt werden konnten“. Dringt der AN mit seiner Forderung durch?

Der AN hat teilweise Erfolg. Die Verschiebung der Arbeiten führte zu höheren Lohnkosten. Das Kammergericht führt aus, dass sich die Höhe der Entschädigung gemäß § 642 BGB nach der vereinbarten Vergütung richtet. Maßgeblich ist die Differenz zwischen den Ist-Kosten und den hypothetischen Kosten ohne Annahmeverzug des AG. Hinzu kommen Zuschläge für Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten (AGK). Die Höhe der AGK- und Gewinnzuschläge soll sich nach der Kalkulation des AN richten. Wenn diese Fehler aufweist, soll das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen können.

Hinweis:

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es weicht von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der bisherigen Linie des BGH in zwei Punkten ab. Nach bisheriger Auffassung zahlreicher Oberlandesgerichte setzt die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB ebenso wie bei einem Schadenersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung voraus. Das Kammergericht ist der Auffassung, dass dies nicht notwendig ist, wenn dem AN durch den Annahmeverzug des AG ein nachweisbarer Vermögensnachteil entstanden ist. Ebenfalls in Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung ist das Kammergericht der Auffassung, dass die verzögerungs-bedingten Mehrkosten als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung um einen Deckungsbeitrag für die Allgemeinen Geschäftskosten und einen Gewinnanteil zu erhöhen sind, soweit solche Zuschläge in der vereinbarten Vergütung bereits enthalten waren.

Würde sich der BGH dieser Entscheidung in seiner Rechtsprechung angleichen, wären die Anforderungen an die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches gemäß § 642 BGB wesentlich reduziert.

Die Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten.

Anmerkung zu: Urteil OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2016, Az: 22 U 54/16

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Der AN stellt den Bauvertrag. Darin enthalten sind bezüglich des Fertigstellungstermins Formulierungen mit „oder“  bzw. „und/oder“. Das Einfamilienhaus wird verspätet fertiggestellt. Der AG verlangt Schadenersatz.

Ohne Erfolg!

Der AG konnte nicht darlegen, dass der AN mit der Fertigstellung seiner Leistungen in Verzug war. Es war kein Fertigstellungstermin wirksam vereinbart. Die vom AN vorformulierten Klauseln waren nicht hinreichend klar und verständlich und deshalb unwirksam.

Ist ein Fertigstellungstermin nicht wirksam vereinbart – wie vorliegend – ist § 271 BGB anwendbar. Nach § 271 BGB ist im Sinne der Fälligkeit der Leistung darauf abzustellen, in welcher Zeit nach dem vom Bauvertrag vorausgesetzten Bauablauf die Fertigstellung möglich war.

Darüber hinaus muss sich – wenn dieser Zeitraum verstrichen ist – der AN in Verzug mit der Leistung befinden. Der AG hätte den AN daher insbesondere durch eine Mahnung nach Ablauf der für die Errichtung eines Einfamilienhauses notwendigen Bauzeit in Verzug setzen müssen. Eine solche Mahnung hatte der AG nicht ausgesprochen. Es lag kein Verzug seitens des AN vor.

Hinweis:

Die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes im Sinne des § 271 BGB kann in der Praxis nur im Einzelfall entschieden werden. Meist erfolgt dies auf Grundlage eines baubetrieblichen Sachverständigengutachtens. Ist der so ermittelte angemessene Herstellungszeitraum überschritten, muss noch zusätzlich eine Mahnung ausgesprochen werden.

Anmerkung zu: OLG Köln, Urteil vom 07.06.2016, Az: 22 U 45/12

AG und AN streiten wegen der Abrechnungsmethode bei einem Baugrubenverbau. Der AG kürzt den Massenvordersatz. Nachdem die Parteien sich nicht einigen können, stellt der AN vorläufig die Arbeiten ein. In seiner Schlussrechnung macht der AN auch die Kosten des zeitweiligen Baustopps infolge der Arbeitseinstellung geltend. Der AG kürzt den Schlussrechnungsbetrag um diesen Nachtrag. Das Landgericht hält die Arbeitseinstellung für unberechtigt und verweist auf § 18 Abs. 5 VOB/B. Der AN legt Berufung ein.

Mit Erfolg!

Das OLG hebt das Urteil des Landgerichtes auf. Der AN war nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B zur Arbeitseinstellung bis zur Zahlung des AG berechtigt. Die Leistungen waren bereits erbracht und der AN hat sich auch zu Einigungsgesprächen bereitge-funden und ist damit seiner Kooperationspflicht hinreichend nachgekommen. Deshalb ist er zur Leistungseinstellung berechtigt. Daran ändert auch § 18 Abs. 5 VOB/B nichts. Diese Regelung soll nach Auffassung des OLG lediglich sicherstellen, dass Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über Vertragsinhalt und Bauausführung das Bauvorhaben nicht gefährden. Das Leistungsverweigerungs-recht nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B werde dem AN dadurch nicht abgeschnitten. Dies gilt auch bei einem öffentlichen Auftraggeber, obwohl bei diesem kein Insolvenzrisiko besteht.

Hinweis:

Bei nicht vollständiger Bezahlung von Abschlagsrechnungen riskiert der AG eine Leistungseinstellung des AN und damit verbunden die Abrechnung der Bauzeit-verzögerung durch den AN (Behinderungsnachtrag).

Allerdings birgt die Leistungseinstellung für den AN erhebliche Risiken, nämlich dann, wenn die Abschlagsrechnung nicht entsprechend den vertraglichen Vorgaben erfolgt und der AG sich deshalb auf mangelnde Fälligkeit berufen kann, oder wenn Leistungsverweigerungsrechte bestehen und der AG die Abschlagsrechnung deshalb nicht in voller Höhe begleichen muss.

Anmerkung zu: BGH, Urteil vom 17.09.2015 – IX ZR 280/14

Ein Kunde lässt in einem Kfz-Betrieb sein Auto reparieren, bleibt aber die Rechnung schuldig und reagiert auch nicht auf eine Zahlungsaufforderung und eine anschließende Mahnung der Werkstatt.

Daraufhin erhält er ein anwaltliches Mahnschreiben. Er bezahlt jedoch nur den Rechnungsbetrag, nicht aber die Geschäftsgebühr des Anwalts. Amts- und Landgericht gestehen dem Kfz-Betrieb als Verzugsschaden nur eine verminderte Anwaltsgebühr (0,3 statt der abgerechneten 1,3) zu.

Der BGH stellt fest, dass bei Verzugseintritt der Gläubiger seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes Nachdruck verleihen kann. Er muss seinen Auftrag an den Rechtsanwalt in der Regel auch nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränken. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an den Rechtsanwalt ist es für den Gläubiger nicht absehbar, wie sich der Schuldner verhalten wird. Deshalb ist es daher aus Sicht des Gläubigers sinnvoll, den Rechtsanwalt von Vornherein vollständig zu beauftragen und nicht nur mit der Anfertigung eines Schreibens einfacher Art. Die Geschäftsgebühr des Anwalts hat in diesem Fall einen weiten Gebührenrahmen (0,5 bis 2,5-fache Gebühr). Die konkrete Gebühr kann der Rechtsanwalt selbst nach billigem Ermessen bestimmen. Der Schuldner kann geltend machen, dass die von seinem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung unbillig ist. In diesem Fall trägt aber der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit.

Anmerkung zu: OLG Koblenz, Urteil vom 04.02.2014, 3 U 819/13

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit Elektroinstal-lationsarbeiten. Die VOB/B ist in das Vertragsverhältnis nicht einbezogen. Der AN verlangt mehrere Abschlagszahlungen, die der AG nur anteilig unter Verweis auf verschiedene Mängel begleicht. Nach vorausgegangener schriftlicher Mahnung verweigert der AN telefonisch die weitere Ausführung der Arbeiten bis zur vollständigen Bezahlung. Daraufhin kündigt der AG den Vertrag außerordentlich.

Das OLG meint hierzu, dass die außerordentliche Kündigung unzulässig ist und als ordentliche freie Kündigung eingeordnet werden muss. Es lag zwar ein wichtiger Grund vor, weil die Arbeitseinstellung unberechtigt war. Selbst wenn die Mängel nicht vorlagen, hatte der AN nicht dargelegt, dass die Abschlagsrechnungen in sich abgeschlossene Teile des Werkes (§ 632a BGB in der bis zum 01.01.2009 anwendbaren Fassung) betrafen und insofern ein Wertzuwachs eingetreten sei.

Damit lag mangels fertiger Werkleistungen ein Zahlungsverzug nicht vor, so dass die Leistungsverweigerung unberechtigt war. Dies würde jedoch eine sofortige fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Gestützt auf die entsprechende Anwen-dung von § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB ist das OLG der Auffassung, der AG hätte zu-nächst Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten setzen müssen. Diese Fristsetzung sei auch nicht entbehrlich gewesen, da der AN „offensichtlich“ von der Anwendbarkeit der VOB/B ausgegangen sei, bei der Abschlagsrechnungen auch für nicht in sich abgeschlossene Teile der Werkleistung verlangt werden dürfen. Der AG hätte daher dem AN Gelegenheit geben müssen, sich rechtlich beraten zu lassen und die Folgen seiner Weigerung zu überdenken.

Hinweis:
Die Berechtigung zu einer außerordentlichen Kündigung richtet sich beim BGB-Werkvertrag nach der Schwere der Pflichtverletzung und den Umständen des Einzelfalls. Grundsätzlich ist mangels einer gesetzlichen Regelung eine Abmahnung oder Nachfristsetzung nicht erforderlich. Bei Bauverträgen wird häufig § 314 BGB (Dauerschuldverhältnis) entsprechend angewendet, was durchaus zweifelhaft ist. Auch die Hilfserwägungen des OLG vermögen nicht zu überzeugen. Der AN hätte vor Arbeitseinstellung deren Berechtigung prüfen und sich beraten lassen können. Der AG sollte stets den sichersten Weg gehen und dem AN bei Arbeitseinstellung ohne Kündigungsandrohung eine angemessene Kündigungs- bzw. Wiederauf-nahmefrist setzen.

Anmerkung zu: OLG Hamm, Urteil vom 30.07.2013, Az. 21 U 84/12

Der Vertrag sieht als Baubeginn den 05.10.2009 vor. Als verbindlicher Fertigstellungstermin ist vereinbart 9 Wochen nach Auftragserteilung. Der AN beginnt am 05.10.2009 und zeigt baubegleitend an, dass entgegen dem Vertrag des Entsorgungsmaterial kontaminiert sei und deshalb gesondert nach Beprobung entsorgt werden müsse. Außerdem sei in Teilbereichen ein manueller Abbruch erforderlich. Das führt dazu, dass die Abbrucharbeiten erst am 22.10.2010 fertiggestellt sind.

Das Landgericht hat dem AG Schadensersatz wegen verspäteter Fertigstellung zugesprochen.

Das sieht das OLG teilweise anders und verweist die Sache an das LG zurück, um Behinderungen aufzuklären und die damit einhergehenden Verlängerungen der Ausführungsfrist. Wenn es die Ausführungsfrist verlängernde Behinderungen gegeben hat, dann konnte Verzug nur durch gesonderte Mahnung eintreten und nicht allein durch Überschreitung der vereinbarten Fertigstellungsfrist.