Keine bauablaufbezogene Darstellung bei Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches wegen Bauzeitverlängerung mehr notwendig?

Anmerkung zu: KG, Urteil vom 10.01.2017, Az. 21 U 14/16 (nicht rechtskräftig)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) Ende 2007 mit der Errichtung einer Sprinkleranlage.

Der VOB/B-Vertrag sieht eine verbindliche Fertigstellung der Leistungen im ersten Bauabschnitt bis Ende KW 50 des Jahres 2008 und im zweiten Abschnitt bis Ende KW 40 im Jahr 2010 vor.

Die Insolvenz eines Vorunternehmers und die verzögerte Architektenplanung des AG führt zu Bauablaufstörungen. Mittels Nachtrag beansprucht der AN nach Kündigung Mehrkosten wegen „Preiserhöhung für Teile des ersten Bauabschnittes, die erst im Jahr 2011 durchgeführt werden konnten“. Dringt der AN mit seiner Forderung durch?

Der AN hat teilweise Erfolg. Die Verschiebung der Arbeiten führte zu höheren Lohnkosten. Das Kammergericht führt aus, dass sich die Höhe der Entschädigung gemäß § 642 BGB nach der vereinbarten Vergütung richtet. Maßgeblich ist die Differenz zwischen den Ist-Kosten und den hypothetischen Kosten ohne Annahmeverzug des AG. Hinzu kommen Zuschläge für Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten (AGK). Die Höhe der AGK- und Gewinnzuschläge soll sich nach der Kalkulation des AN richten. Wenn diese Fehler aufweist, soll das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen können.

Hinweis:

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es weicht von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der bisherigen Linie des BGH in zwei Punkten ab. Nach bisheriger Auffassung zahlreicher Oberlandesgerichte setzt die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB ebenso wie bei einem Schadenersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung voraus. Das Kammergericht ist der Auffassung, dass dies nicht notwendig ist, wenn dem AN durch den Annahmeverzug des AG ein nachweisbarer Vermögensnachteil entstanden ist. Ebenfalls in Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung ist das Kammergericht der Auffassung, dass die verzögerungs-bedingten Mehrkosten als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung um einen Deckungsbeitrag für die Allgemeinen Geschäftskosten und einen Gewinnanteil zu erhöhen sind, soweit solche Zuschläge in der vereinbarten Vergütung bereits enthalten waren.

Würde sich der BGH dieser Entscheidung in seiner Rechtsprechung angleichen, wären die Anforderungen an die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches gemäß § 642 BGB wesentlich reduziert.

Die Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten.