KG, Urteil vom 04.04.2019, Az: 27 U 111/18

Vor der notariellen Beurkundung hatten sich Erbwerber und Bauträger auf Abweichungen der Bauausführung von der Baubeschreibung und den Bauplänen geeinigt. Diese Abweichungen wurden nicht notariell beurkundet. Gegenstand des Vertrages waren ausweislich der Präambel die ursprüngliche Baubeschreibung und die ursprünglichen Pläne. Der Bauträger verweigert nun die Auflassung und beruft sich darauf, dass der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen ist, da er unrichtig beurkundet wurde.

Entscheidung:

Der Bauträger kann sich vorliegend nicht auf die Formnichtigkeit des Vertrages berufen. Die Rechtsfolgen im Falle einer unrichtigen Beurkundung richten sich danach, ob die Parteien bewusst oder unbewusst Unrichtiges beurkundet haben. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille des Erklärenden dem Wortlaut vor und eine abweichende Auslegung des Vertrags kommt nicht infrage.

Beide Parteien wollten vorliegend, dass die Bauausführung den vor der Beurkundung abgesprochenen Änderungen entspricht. Außerdem hat der Bauträger in Kenntnis, dass für die Bauausführung noch keine Genehmigung vorlag, die bereits genehmigten Pläne der notariellen Beurkundung zugrunde gelegt und seine Bauleistungen entsprechend den getroffenen Absprachen erbracht. Hält eine Partei die andere vom Abschluss eines formgültigen Vertrages ab und nimmt diese Partei daraufhin an, dass eine formlose Vereinbarung genüge, verstößt die Partei gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die Formnichtigkeit des Vertrages beruft.

Hinweis:

Nachträgliche Sonderwünsche der Erwerber sind Änderungen des bestehenden Vertrages und nur dann formfrei möglich, wenn die Auflassung bereits im Bauträgervertrag beurkundet wurde. Wurde die Auflassung noch nicht beurkundet, muss der Sonderwunschvertrag notariell beurkundet werden, ansonsten ist er formnichtig.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.09.2019, Az: 21 U 110/17

 

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verlangt u.a. wegen Nichteinhaltung des Mindestradius der Tiefgarageneinfahrt vom Bauträger Minderung.

Der Bauträger beruft sich darauf, dass die Tiefgarageneinfahrt mit den tatsächlichen Abmessungen in der Baubeschreibung und in den Teilungsplänen eingezeichnet ist und daher die tatsächliche Beschaffenheit nicht von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweicht.

Der Bauträger dringt hiermit nicht durch. Die Einfahrt entspricht aufgrund eines zu geringen Innenradius der Kurve nicht den anerkannten Regeln der Technik. Eine hiervon abweichende Vereinbarung in der Baubeschreibung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass von einem üblicherweise zu erwartenden Mindeststandard abgewichen werden soll, wenn nicht auf eine solche Bedeutung ausdrücklich hingewiesen worden ist oder der Erwerber dies aus anderen Gründen (z.B. eigene Fachkunde) weiß.

Hinweis:

Will ein Bauträger von den üblichen Qualitäts- und Komfortmaßstäben abweichen, muss er den Erwerber hierauf deutlich hinweisen und ihn über die Folgen einer solchen Bauweise für die Wohnqualität aufklären.

Der bloße Verweis auf technische Normen oder technische Werte genügt also nicht. Ungeklärt ist, ob AGB-rechtlich überhaupt von den anerkannten Regeln der Technik wirksam abgewichen werden kann.

KG, Urteil vom 11.06.2019, Az: 21 U 116/18

Der Bauträger (B) verkauft an den Erwerber (E) eine Dachgeschosswohnung für knapp 700.000,00 €. Beworben wurde das Projekt mit einem Exposé mit mehreren Visualisierungen und Plänen. Nach dem Exposé soll eine „elegante Treppe aus Sichtbeton“ vom Wohnbereich auf die Dachterrasse führen. Eine Visualisierung zeigt diese Treppe mit 16 Stufen. Tatsächlich ausgeführt hat B die Treppe nicht in Sichtbeton, sondern in Betonimitat, also einer Trockenbaukonstruktion mit Betonoptik. Außerdem verfügt die Treppe nur über 13 Stufen und ist dementsprechend steiler. E verweigerte deshalb die Abnahme und die Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate, woraufhin B vom Bauträgervertrag zurücktritt.

Beide Instanzen halten den Rücktritt mangels Bezugsfertigkeit für unwirksam. Nach Auffassung der Gerichte leidet die Wohneinheit an einem wesentlichen Mangel. Das Leistungssoll für die Bauverpflichtung wird nicht nur durch die Baubeschreibung, sondern auch durch sonstige vertragsbegleitende Umstände bestimmt, also insbesondere auch durch ein eventuelles Prospekt. Auch Visualisierungen können eine besondere Bedeutung für den Erwerber haben, nicht nur textliche Angaben. Wenn der Bauträger mit Visualisierungen wirbt, muss er dafür Vorsorge tragen, dass das von ihm angestrebte Werk zutreffend wiedergegeben wird. Auch der Hinweis, dass Prospektangaben unverbindlich seien, reicht nicht aus, da sich der Bauträger anderenfalls widersprüchlich verhalten würde. Das gilt insbesondere für solche Punkte, die für einen Erwerber erkennbar wesentliche Bedeutung haben können.

Auch der vertragliche Änderungsvorbehalt greift nicht, da Änderungen dem Erwerber zumutbar sein müssen und es für ihn einen triftigen Grund geben muss.

Hinweis:

Eine vom Bauträger veranlasste Vorstellung des Erwerbers kann nicht einfach durch den allgemeinen Hinweis im Vertrag, dass Prospekte und vertragsbegleitende Umstände keine Rolle spielen, zurückgenommen werden.

Für nach dem 01.01.2018 geschlossene Bauträgerverträge gilt ohnehin ausdrücklich, dass sämtliche vertragsbegleitende Umstände bei der Auslegung des Vertrages zu berücksichtigen sind, sofern die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist.

Dem Bauträger ist also zu raten, sein Exposé zurückhaltend zu formulieren und Abweichungen vom Vertrag klar und eindeutig zu benennen.

Anmerkung zu: KG, Urteil vom 04.10.2017 – 21 U 79/17

Nach einem Bauträgervertrag sind 58 % des Kaufpreises nach Beginn der Erdarbeiten und nach Rohbauarbeiten einschließlich Zimmererarbeiten zu zahlen, weitere 38,5 % nach Bezugsfertigkeit Zug um Zug gegen Besitzübergabe und die letzten 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung. Bei der 2. Rate werden zunächst 143.000,00 € nicht bezahlt, weshalb der Bauträger die Übergabe verweigert. Die Erwerber rechnen die Sicherheit nach § 632 a BGB das Doppelte der Mangelbeseitigungskosten und die Kosten für die Fertigstellung der Terrasse sowie 19.000,00 € wegen der Miete einer Ersatzbauwohnung und der Zahlung von Bereitstellungszinsen „gegen“. Das LG Berlin verurteilt im Wege einstweiliger Verfügung den Bauträger zur Übergabe des Besitzes nebst Schlüsseln Zug um Zug gegen Zahlung von 86.000,00 €. Diesen Betrag zahlen die Erwerber und erlangen Besitz an der Wohnung. Der Bauträger legt parallel Berufung ein.

Nahezu ohne Erfolg!

Der Bauträger wird Zug um Zug gegen Zahlung weiterer 5.000,00 € verurteilt, auch sämtliche Schlüssel herauszugeben. Eine derartige Regelungsverfügung zugunsten der Erwerber ist ausnahmsweise zulässig, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Auch wenn er nur Zug um Zug gegen Zahlung die Besitzübergabe schuldet, gebietet das Gebot des effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise eine gerichtliche Entscheidung. Es sind nach der weiteren Zahlung noch 57.000,00 € offen. Hiervon sind mangels Fertigstellung die Fertigstellungssicherheit nach § 632 a BGB in Höhe von 32.000,00 € und die unstreitigen Gegenansprüche über 19.000,00 € in Abzug zu bringen, macht zusammen 51.000,00 €, weshalb der Besitzübergang Zug um Zug gegen Zahlung weiterer 5.000,00 € durchsetzbar ist.

Hinweis:

Im Regelfall kann eine Besitzübergabeverfügung nicht erlassen werden, wenn der Erwerber im Hinblick auf vermeintliche Mängel nicht zahlt. Deren Vorliegen und deren Beseitigungskosten können nämlich im Eilverfahren nicht zuverlässig geklärt werden.

 

Anmerkung zu: OLG Köln, Urteil vom 23.11.2016, Az: 11 U 173/15

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft macht aus zwei Erwerberverträgen Minderungsansprüche gegen den Bauträger geltend, da die Klinkerfassade, die Farbgebung der Holzbauteile, die Balkonbrüstung und das Garagentor optisch von dem im (nicht beurkundeten) Exposé dargestellten Erscheinungsbild abweichen. Der Bauträger bestreitet das Vorliegen eines Mangels.

Das OLG gibt dem Bauträger Recht!

Die Darstellung im Exposé war eine Computergrafik. Der Erwerber kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass das Objekt in der Realität exakt so ausgeführt wird, wie in der Computergrafik visualisiert.

Ferner stellt das OLG zu Recht fest, dass eine Beschreibung von Eigenschaften durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führt.

Hinweis:

Bei Bauträgerverträgen, die ab dem 01.01.2018 beurkundet werden, trifft das nicht mehr zu, wenn die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist. Nach neuem Recht ist der Vertrag jetzt unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände auszulegen. Exposés und Prospekte zählen zu den vertragsbegleitenden Umständen, die bei einer Auslegung des Bausolls zu berücksichtigen sind. Zweifel bei der Auslegung gehen zu Lasten des Unternehmers.

Dies gilt aber nur bei unvollständiger oder unklarer Baubeschreibung. Weicht hingegen die notariell beurkundete Baubeschreibung zwar von den vorvertrag-lichen Angaben ab, ist aber an sich klar verständlich und vollständig, gilt das Beurkundete als das geschuldete Bausoll.

 

Anmerkung zu: OLG Frankfurt, Urteil vom 12.11.2015, Az: 3 U 4/14

Auf Grundlage eines Verkaufsprospektes erwarb ein Ehepaar im Jahr 2008 von ei-nem Bauträger (BT) eine neu errichtete Eigentumswohnung. Im Verkaufsprospekt wurde die Wohnung als „Skyline-Wohnkonzept“ angepriesen. Es wurde mit einem unverbaubaren Skyline-Blick geworben. Auf der Südterrasse wurden die Sichtver-hältnisse dergestalt beschrieben, dass „die Türme der Stadt fest im Blick“ sind.

Nach Übergabe baute der BT auf dem Nachbargrundstück ein dreigeschossiges Wohngebäude. Dem Ehepaar war die Sicht auf die Frankfurter Skyline fortan ver-sperrt. Das Ehepaar trat vom Vertrag zurück und verlangte Rückabwicklung.

Das LG gibt der Klage nahezu vollständig statt. Das OLG Frankfurt bestätigt die Entscheidung.

Das Verkaufsprospekt war als Werbung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB anzusehen. Damit war als Beschaffenheit vereinbart, dass von den Wohn- und Außenbe-reichen ein unverbauter Blick auf die Frankfurter Skyline vorliegt. Die nachfol-gende Bebauung hat die Sicht des Ehepaares auf die Frankfurter Skyline jedoch erheblich verdeckt. Die nachträgliche Nachbarbebauung durch den BT war somit eine nachvertragliche, von diesem zu vertretene Pflichtverletzung, die das Ehepaar zur Rückabwicklung des Vertrages berechtigte.

Hinweis:

Nach der Gesetzesbegründung spielen Werbeaussagen bei der Herstellung von Sachen eigentlich keine Rolle; § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist damit eigentlich nicht auf Bauträgerverträge anwendbar. Rechtsprechung und Literatur sehen dies jedoch größtenteils einheitlich anders. Inhalt und Umfang der Pflichten eines Bauträgers ergeben sich nicht nur aus der Baubeschreibung, sondern auch aus Prospektma-terial, das die berechtigten Erwartungshaltungen des Erwerbers bestimmen kann. Es sind sogar einseitige Vorstellungen des Erwerbers bezüglich des Inhaltes des Vertrages maßgeblich, wenn der Bauträger aufgrund eigener oder ihm zurechen-barer Kenntnis des Willens des Erwerbers den Vertrag abschließt. Solche Vorstellungen können durch Äußerungen von Vertriebsmitarbeitern hervorgeru-fen werden. Erst wenn sich der Bauträger konkret schriftlich von Zusicherungen oder Äußerungen Dritter in Bezug auf die konkrete Bauausführung distanziert, dürfte er nicht für eventuell beim Erwerber gebildete einseitige Vorstellungen haften.