OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2021, Az: 4 U 112/18

Der mit der Errichtung eines Hochwasserschutzes beauftragte Auftragnehmer (AN) erbringt seine Leistungen nur zögerlich. Daher wird er vom Auftraggeber (AG) unter Fristsetzung aufgefordert, ihm nachzuweisen, dass er in der Lage ist, den Bauvertrag rechtzeitig zu erfüllen. Als der AN dem nicht nachkommt, kündigt der AG und verlangt Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten.

Mit Erfolg!

Der AG kann verlangen, dass bereits vor Verzugseintritt die fristgerechte Erfüllbarkeit des Bauvertrages nachgewiesen wird. Bei seiner Entscheidungsverkündung muss der AG die Prognose anstellen, ob es dem AN noch gelingen wird, den Auftrag fristgerecht auszuführen. In diese Prognose können aber nur die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung erkennbaren objektiven Umstände einfließen und nicht die Versprechungen des in Verzug geratenen AN. Im Zweifel sind die in der Vergangenheit feststellbaren personellen und sachlichen Kapazitäten des AN und seine bisherige Arbeitsweise auf die Zukunft umzulegen und die Frage zu beantworten, ob der AN bei Fortsetzung seiner Arbeiten in gleicher Intensität die Frist einhalten wird, es sei denn, es sind objektiv erkennbare Verbesserungen festzustellen.

Hinweis:

Der AG hat keine zwingenden Gründe vorgetragen, weshalb der vereinbarte Vertragstermin nicht einzuhalten war und damit der Verzugseintritt feststand. Nach Auffassung des OLG Köln ist genau das aber Voraussetzung für eine Kündigung vor Verzugseintritt.

Das OLG Karlsruhe hat nun mit seiner Entscheidung das Prognoserisiko des AG für den Verzugseintritt reduziert.

OLG Oldenburg, Urteil vom 23.09.2019, Az: 13 U 20/17

Nachdem es bereits 2012 zu einem Großbrand gekommen war, brennt 2013 ein Elektrofachmarkt erneut ab. Nach dem zweiten Brand zahlt die Versicherung 3 Mio. Euro. Sie nimmt nunmehr den Elektriker in Regress, der im Zuge des Wiederaufbaus die Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert hat. Die Planung wurde ihm vom Eigentümer vorgegeben. Die PV-Module wurden ebenfalls vom Eigentümer gestellt.

Der Elektriker haftet allerdings nur zu 60%. Er hat den Brand schuldhaft verursacht. Zu dem Brand kam es, weil es in einer Komponente der PV-Anlage zu einem Kurzschluss gekommen ist. Dabei sind Kabelumhüllungen geschmolzen, glühend herabgetropft und haben die aus brennbaren Kunststoff- und Bitumenbahnen bestehende Dachhaut entzündet. Der Elektriker hat die DIN VDE 0100-482 bzw. DIN VDE 0100-100 nicht beachtet. Danach sind elektrische Betriebsmittel, die hohe Temperaturen oder elektrische Lichtbögen verursachen können, so anzubringen oder zu schützen, dass kein Risiko der Entzündung brennbarer Materialien besteht. Der Elektriker hätte sich vor Durchführung seiner Arbeiten über die Art der Eindeckung und ihre Brennbarkeit informieren müssen. Deshalb muss der Elektriker sowohl den Schaden des Eigentümers als auch des Mieters ersetzen. Der Mieter ist in den Schutzbereich des Installationsvertrages einbezogen.

Dem Elektriker helfen auch seine AGB nicht weiter. Diese sehen eine Haftungsbegrenzung auf das Doppelte des Auftragswertes bei leichter Fahrlässigkeit vor. Es liegt aber wegen des Verstoßes gegen die anerkannten Regeln der Technik keine nur einfache Fahrlässigkeit vor.

Die Haftung des Elektrikers wurde allerdings auf 60% gekürzt, weil der Brand auch auf einer mangelhaften Planung der PV-Anlage beruht. Auch die Planer hätten die DIN beachten müssen. Außerdem hätten sie im Hinblick auf die Brandgefahr wegen des bereits im Jahr 2012 aufgetretenen Brandes besonders sensibilisiert sein müssen. Das Verschulden der Planer muss sich der Bauherr zurechnen lassen.

Hinweis:

Die Feststellungen des Gerichts, dass jeder Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik grob fahrlässig ist, ist zu allgemein. Es darf bezweifelt werden, ob das Brandverhalten von Dachbahnen innerhalb der betroffenen Fachkreise hinreichend gut bekannt ist. Bauordnungsrechtlich relevant ist die Anforderung „Harte Bedachung“ unter PV-Anlagen. Diese Anforderung scheint nicht zu genügen. Auch das Argument, dass mit PV-Anlagen beschäftigte Unternehmen mit Bahnenresten selbst Brandversuche machen könnten, ist wenig hilfreich. Dachbahnen sind grundsätzlich brennbar.

Die Gefahr des Urteils besteht zudem darin, dass betroffene Gebäude nicht ohne weiteres mehr versicherbar sein könnten.

Zu den Aachener Bausachverständigentagen 2023 wird die Frage diskutiert werden, wie gesichert werden kann, dass PV-Anlagen auf Dächern weitgespannter Tragwerke ohne das Risiko erheblicher Brandfolgeschäden errichtet und die Gebäude versichert werden können, insbesondere bei Bestandsbauten. Diese zusätzlichen Anforderungen an Dächer müssen dringend diskutiert und thematisiert werden, um Lösungen zu finden, die schnell umsetzbar sind.

BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az: VII ZR 862/21

Ein Architekt verlangt Kündigungsvergütung nach § 648 BGB wegen freier Auftraggeberkündigung für nicht mehr zu erbringende Leistungen. Der Besteller beruft sich auf das Sonderkündigungsrecht nach § 650r BGB. Er ist der Meinung, dass diese Kündigungsmöglichkeit auch vor Übergabe der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung gegeben sei.

Dieser Auffassung folgt der BGH nicht. Soweit wesentliche Planungsziele noch nicht vereinbart sind, entsteht das Sonderkündigungsrecht erst nach Vorlage der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung und nicht bereits vorher. Damit ist die Kündigung des Bestellers als freie Kündigung zu werten. Der Anspruch ist allerdings der Höhe nach auf den Vertragsteil beschränkt, der dem Architekten bei einem wirksamen Sonderkündigungsrecht zustünde.

Hinweis:

Wenn wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, kann davon ausgegangen werden, dass später, wenn die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts vorgelegen hätten, hiervon Gebrauch gemacht worden wäre. In diesem Fall stünde dem Architekten auch nur ein entsprechend reduzierter Vergütungsanspruch zu.

BGH, Urteil vom 11.11.2022, Az: V ZR 213/21

Im Jahr 2014 und 2015 zieht die WEG Mängelansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich (§ 10 Abs. 6 S. 2 Halbsatz 2 WEG a. F.). Ab 01.12.2020 regelt jedoch § 9a Abs. 2 WEG nur noch das, was früher als „geborene Ausübungsbefugnis“ bezeichnet wurde. Es stellt sich daher die Frage der „alten“ Beschlüsse der WEG und ferner die Frage, ob die WEG noch die umfassende Beschlusskompetenz zur Verfolgung von Mängelansprüchen gegen den Bauträger besitzt. Das OLG München hat das bejaht.

Der BGH bestätigt das!

Die Prozessführungsbefugnis folgt aus den Beschlüssen aus den Jahren 2014 und 2015. Diese Beschlussfassung war damals erforderlich, weil kein Fall der geborenen Ausübungsbefugnis vorliegt. Diese bezieht sich nur auf die Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz. Nach altem Recht konnte die WEG auch die Ansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen, insbesondere auch die Ansprüche auf Erfüllung und Nacherfüllung.

Durch den neuen § 9a Abs. 2 WEG wurde dieses Konzept aufgegeben. Der Unterschied zwischen geborener und gekorener Ausübungsbefugnis entfällt fortan. Indes führe diese Gesetzesänderung nicht zu einem Entfall der Prozessführungsbefugnis der WEG.

Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Ansprüche der Erwerber fallen zwar nicht unter die Ausübungsbefugnis des § 9a Abs. 2 WEG. Allerdings kann die WEG nach wie vor gemäß §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung an sich ziehen. Außerdem soll nach dem Willen des Gesetzgebers die bisherige Rechtsprechung zur Vergemeinschaftung von auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Mängelansprüche beibehalten werden.

OLG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2021, Az: 29 U 178/20

Der Auftragnehmer (AN) verpflichtet sich gegenüber dem Auftraggeber (AG) zur Errichtung eines Fertighauses. Im Vertrag ist ein besonderes Rücktrittsrecht unter bestimmten Voraussetzungen vereinbart. Daneben beinhalten die AGB des AN ein „freies Rücktrittsrecht“ des AG. Für diesen Fall ist vereinbart, dass dem AN ein pauschaler Schadensersatz in Höhe von 8% des Kaufpreises zusteht. Nach erfolgtem Rücktritt streiten die Parteien darüber, ob die Vereinbarung eines Schadensersatzes in Höhe von 8% in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist.

Sie ist wirksam. 8% sind nach Auffassung des OLG nicht unangemessen hoch. Das OLG verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des BGH, der entsprechende Regelungen in Höhe von 5% und sogar von 10% für wirksam gehalten hat.

Hinweis:

Bei derartigen Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind 10% der Gesamtvergütung als pauschaler Schadensersatz unbedenklich. Bei Vereinbarungen höherer Pauschalen besteht das Risiko, dass die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht standhält.

OLG Frankfurt, Urteil vom 05.08.2022, Az: 21 U 84/21

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit Bodenbelagsarbeiten unter Einbeziehung der VOB/B. Zum vereinbarten Termin für den Arbeitsbeginn erscheint der AN nicht. Der AG mahnt den Beginn an und fordert unter Fristsetzung Abhilfe nach § 5 Abs. 3 VOB/B. Der AN meldet wegen vorhandener Restfeuchte im Estrich und Schüsselungen Bedenken an. Der AG ordnet die Fortsetzung der Arbeiten an und fordert den AN zweimal zum Beginn der Arbeiten unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung auf, woraufhin der AN erneut Bedenken anmeldet, aber nicht arbeitet. Daraufhin erklärt der AG die Teilkündigung des Vertrages für das 2. OG.

Das OLG bestätigt die Wirksamkeit der Kündigung wegen der nicht erfolgten Abhilfe aufgrund der ausdrücklichen Anweisung. Trotz Bedenkenhinweises steht dem AN kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Er sei vielmehr durch seine Bedenkenanmeldung von einer Mängelhaftung frei.

Hinweis:

Der AN muss trotz Bedenkenanmeldung auch unberechtigte und unzweckmäßige Anordnungen auf Verlangen ausführen. Dem AN steht aber trotz Bedenkenanmeldung ein Leistungsverweigerungsrecht dann zu, wenn die Anordnung gegen Treu und Glauben verstößt. Das ist dann der Fall, wenn der AN trotz Haftungsfreistellung unter Umständen Dritten gegenüber haftet oder die Durchführung der Arbeiten eine Gefahr für Leib und Leben begründet.

OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2021, Az: 22 U 103/19

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Errichtung eines Einfamilienhauses. Als Bauzeit sind 7 Monate vereinbart sowie eine Vertragsstrafe bei nicht fristgerechter Fertigstellung. Es kommt in der Folgezeit zu vom AN zu vertretenden Bauverzögerungen. Nach 11 Monaten Fristüberschreitung setzt der AG dem AN eine Frist von 6 Tagen zur Fertigstellung. Am Tag des Fristablaufes kündigt er den Vertrag fristlos und verlangt Ersatz der Fertigstellungskosten sowie Zahlung einer Vertragsstrafe.

Der AG war berechtigt, den Vertrag wegen Verzuges des AN zu kündigen. Auch die gesetzte Nachfrist war mit 6 Tagen angemessen. Sinn einer Nachfrist ist es, dem AN eine letzte Gelegenheit zu geben, seine Werkleistung fertigzustellen. Er muss daher die Arbeiten unter den größten ihm möglichen Anstrengungen erbringen. Das bedeutet, dass er die Zahl der Arbeitskräfte und die täglichen Arbeitsstunden erheblich erhöhen muss. Auch Doppelschichten und Samstagsarbeit sind geboten. Ist dem AN auch bei der größtmöglichen Anstrengung eine Fertigstellung innerhalb der Frist nicht möglich, hat der den AG darauf hinzuweisen.

Dass der AG die Kündigung bereits 8 Stunden vor Fristablauf erklärt hat, ist unschädlich. Wenn aufgrund der Umstände feststeht, dass die Frist nicht eingehalten wird, ist dem AG ein Abwarten des Fristablaufes nicht zumutbar und er ist berechtigt, die Kündigung schon vor Fristablauf auszusprechen.

Hinweis:

Ob eine Nachfrist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch wenn eine zu kurze Frist den Lauf einer angemessenen Frist in Gang setzt, ist zu empfehlen, die Nachfrist nicht zu kurz zu bemessen, da ansonsten eine nach Ablauf der gesetzten Nachfrist ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist.