OLG Stutt­gart, Urteil vom 30.12.2020, Az: 10 U 202/20

Der Auf­trag­neh­mer (AN) eines VOB/B‑Vertrages macht rest­li­chen Werk­lohn gel­tend. Der Auf­trag­ge­ber (AG) ver­tei­digt sich damit, er habe den geschlos­se­nen Bau­ver­trag aus wich­ti­gem Grund gekün­digt, wes­halb ihm ein Anspruch auf Erstat­tung der Ersatz­vor­nah­me­kos­ten zuste­he. Die schrift­li­che Kün­di­gungs­er­klä­rung hat der AG ein­ge­scannt und per E‑Mail an den AN geschickt. Das Land­ge­richt gibt der Kla­ge des AN statt.

Auch die Beru­fung des AG hat kei­nen Erfolg. Ein Anspruch auf Erstat­tung der Ersatz­vor­nah­me­kos­ten setzt vor­aus, dass der Bau­ver­trag wirk­sam gekün­digt wur­de. Das in § 8 Abs. 6 VOB/B gere­gel­te Schrift­form­erfor­der­nis wird durch eine Kün­di­gung per E‑Mail nicht ein­ge­hal­ten, denn die Kün­di­gung ist schrift­lich zu erklä­ren. Gemäß § 126 Abs. 1 BGB ist in den Fäl­len, in denen durch Gesetz die Schrift­form vor­ge­schrie­ben ist, die Urkun­de eigen­hän­dig durch Namens­un­ter­schrift oder mit­tels nota­ri­ell beglau­big­ten Hand­zei­chens zu unterzeichnen.

Da die VOB kein Gesetz, son­dern eine All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung ist, war die Rechts­la­ge nach altem Recht so, dass § 127 Abs. 2 BGB anwend­bar war, wonach zur Wah­rung der durch Rechts­ge­schäft bestimm­ten schrift­li­chen Form auch die tele­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung, also eine E‑Mail, aus­reich­te. Der ab 01.01.2018 gel­ten­de § 650h BGB regelt jedoch, dass die Kün­di­gung des Bau­ver­tra­ges der Schrift­form bedarf. Es gilt also seit die­sem Zeit­punkt eine gesetz­li­che Form­vor­ga­be, wonach eine tele­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung nicht mehr aus­rei­chend ist.

Die Schrift­form kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch elek­tro­ni­sche Form ersetzt wer­den. Dazu muss der Aus­stel­ler der Erklä­rung sei­nen Namen hin­zu­fü­gen und das elek­tro­ni­sche Doku­ment mit sei­ner qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Signa­tur ver­se­hen. Eine ein­fa­che E‑Mail reicht bei Bau­ver­trä­gen also, sofern die Bau­ver­trä­ge nach dem 01.01.2018 abge­schlos­sen wur­den, nicht mehr.

KG, Urteil vom 24.05.2022, Az: 21 U 156/21

Der Bau­trä­ger kommt mit der Her­stel­lung der Bezugs­fer­tig­keit in Ver­zug. Die­se war zum 30.06.2018 geschul­det. Tat­säch­lich kann der Bau­trä­ger die Woh­nung erst am 06.07.2020 über­ge­ben. Gegen die For­de­rung nach Aus­gleich der Ver­zö­ge­rungs­schä­den wen­det der Bau­trä­ger ein, dass coro­nabe­dingt ab März 2020 die Hand­wer­ker man­gels Ein­rei­se­er­laub­nis die Woh­nung nicht bezugs­reif hät­ten erstel­len können.

Das lässt das Gericht nicht gel­ten. Der Bau­trä­ger hat sich in Ver­zug befun­den. Es sei – so das Gericht – zwar zutref­fend, dass der Bau­trä­ger die Ver­spä­tung sei­ner Leis­tung unter Umstän­den nicht zu ver­ant­wor­ten hat, soweit sie auf einem unab­wend­ba­ren Ereig­nis beru­hen. Es reicht aber nicht die abs­trak­te Mög­lich­keit der­ar­ti­ger Erschwer­nis­se, zumal sich der Bau­trä­ger nach der gesetz­li­chen Beweis­last­ver­tei­lung ent­las­ten muss.

Er muss also kon­kret dar­le­gen, wie sich der schwer­wie­gen­de unvor­her­seh­ba­re Umstand, auf den er sich beruft, auf den Ablauf des Bau­vor­ha­bens aus­wirk­te, sog. bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­le­gun­gen. Die­sen Anfor­de­run­gen genügt der Sach­vor­trag des Bau­trä­gers nicht.

OLG Bam­berg, Beschluss vom 09.10.2019, Az: 4 U 185/18

Auf­trag­ge­ber (AG) und Auf­trag­neh­mer (AN) schlie­ßen einen Ver­trag über die Errich­tung eines Roh­baus ein­schließ­lich des erfor­der­li­chen Boden­aus­hubs. Der Ver­trag ent­hält kei­ne Ein­schrän­kun­gen bezüg­lich der Boden­klas­se. Der AN geht bei Ange­bots­er­stel­lung von einer Boden­klas­se III – V aus, stellt aber nach Beginn der Aus­füh­rung fest, dass eine höhe­re Boden­klas­se vor­liegt und macht Anspruch auf zusätz­li­che Ver­gü­tung geltend.

Ohne Erfolg!

Der Bau­grund­aus­hub ist vom Leis­tungs­soll umfasst und des­halb ohne zusätz­li­che Ver­gü­tung zu erbrin­gen. Das Ange­bot des AN ent­hält bezüg­lich der Boden­klas­se kei­ne Ein­schrän­kun­gen. Es lagen hier­zu zum Zeit­punkt der Ange­bots­er­stel­lung auch kei­ne kon­kre­ten Erkennt­nis­se vor. Damit sind bestimm­te Boden­ver­hält­nis­se nicht zum Ver­trags­in­halt gewor­den. Es liegt damit kei­ne Soll-Ist-Abwei­chung vor, die zu einer Mehr­ver­gü­tung berechtigt.

Hin­weis:

Es herrscht lei­der immer noch die Fehl­vor­stel­lung vor, dass sämt­li­che mit dem Bau­grund ein­her­ge­hen­den Pro­ble­me Auf­trag­ge­ber-Pro­ble­me sei­en, weil der AG Grund­stücks­ei­gen­tü­mer ist und des­halb das Bau­grund­ri­si­ko tra­ge. Das ist nicht richtig.

Es gibt im Werk­ver­trags­recht kei­ne all­ge­mei­ne Sphä­ren­theo­rie. Des­halb müs­sen die Bau­grund­ri­si­ken dif­fe­ren­ziert betrach­tet wer­den, was im Ergeb­nis häu­fig zum Nach­teil des AN ausfällt.

Anders ver­hält es sich dann, wenn der AG den Bau­grund beschreibt und der AN dann auf ande­re Ver­hält­nis­se trifft. Ist der Boden im LV dage­gen nicht beschrie­ben, ist der Aus­hub des jeweils vor­ge­fun­de­nen Bodens geschul­det und von der getrof­fe­nen Preis­ver­ein­ba­rung umfasst.

Es gibt also kein all­ge­mei­nes Bau­grund­ri­si­ko. Maß­geb­lich ist in ers­ter Linie der durch Aus­le­gung zu ermit­teln­de Vertragsinhalt.

OLG Bran­den­burg, Urteil vom 12.05.2022, Az: 12 U 141/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) macht rest­li­che Ver­gü­tungs­an­sprü­che gegen den Auf­trag­ge­ber (AG) gel­tend und zwar u.a. wegen einer Nach­trags­for­de­rung, wobei der Anspruchs­grund unstrei­tig ist. Streit besteht ledig­lich über die Höhe der Ein­heits­prei­se ein­zel­ner Positionen.

Das Land­ge­richt gibt der Kla­ge teil­wei­se statt und spricht dem AN einen rest­li­chen Ver­gü­tungs­an­spruch zu. Begrün­det wird dies damit, dass der AN mit sei­nen Nach­trags­an­ge­bo­ten jeweils die zugrun­de geleg­te Kal­ku­la­ti­on vor­ge­legt habe. Außer­dem habe der AG der Aus­füh­rung der Leis­tun­gen nicht wider­spro­chen und die Leis­tun­gen sogar abge­nom­men. Das Land­ge­richt geht des­halb von einer kon­klu­den­ten Abnah­me der Ein­heits­prei­se des Nach­trags­an­ge­bo­tes aus.

Das Ober­lan­des­ge­richt ent­schei­det eben­falls, dass eine ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung über die Höhe der Ein­heits­prei­se aus dem Nach­trags­an­ge­bot zustan­de gekom­men ist. Schwei­gen auf ein Ange­bot sei zwar grund­sätz­lich nicht als still­schwei­gen­de Zustim­mung zu wer­ten. Etwas ande­res kann jedoch dann gel­ten, wenn nach Treu und Glau­be und der Ver­kehrs­sit­te ein Wider­spruch des Ange­bots­emp­fän­gers erfor­der­lich gewe­sen wäre und der ande­re Teil das Ver­hal­ten so ver­ste­hen konn­te, dass der Emp­fän­ger den Ver­trag auf der Grund­la­ge des Ange­bo­tes schlie­ßen wollte.

Fer­ner wür­de aus der beson­de­ren Koope­ra­ti­ons­pflicht von Par­tei­en eines Werk­ver­tra­ges fol­gen, dass der AG zu einem als­bal­di­gen Wider­spruch ver­pflich­tet sei, wenn er die dem Nach­trags­an­ge­bot zugrun­de lie­gen­den Prei­se nicht gegen sich gel­ten las­sen will. Außer­dem sei es dem AG bei einer Zeit­span­ne von nahe­zu zwei Mona­ten mög­lich und zumut­bar gewe­sen, auf die Nach­trags­an­ge­bo­te zu reagieren.

Hin­weis:

Die weit ver­brei­te­te Pra­xis, Nach­trags­an­ge­bo­te ohne Wider­spruch ent­ge­gen­zu­neh­men und die Leis­tun­gen aus­füh­ren zu las­sen, kann zu nach­tei­li­gen Fol­gen für den AG füh­ren. Um eine kon­klu­den­te Annah­me des Nach­trags­an­ge­bo­tes zu ver­mei­den, soll­te der AG die­ses zeit­nah inhalt­lich prü­fen und Stel­lung nehmen.

OLG Cel­le, Beschluss vom 08.10.2020, Az: 16 U 34/20

Der Auf­trag­ge­ber (AG) erteilt dem Auf­trag­neh­mer (AN) unter Ein­be­zie­hung der VOB/B den Auf­trag für Erd‑, Ent­wäs­se­rungs­ka­nal- und Ver­kehrs­we­ge­bau­ar­bei­ten. Mit E‑Mail vom 20.04.2018 teilt der AG mit, dass zwei Posi­tio­nen des LV nicht aus­ge­führt wer­den sol­len und beauf­tragt eine neue LV-Position.

Mit sei­ner Schluss­rech­nung for­dert der AN ca. 26.000,00 € Ver­ga­be­ge­winn für die gekün­dig­ten LV-Positionen.

Der AN hat recht!

Der von ihm gel­tend gemach­te Anspruch ist auf Grund­la­ge des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B zu berech­nen und nicht nach § 2 Abs. 3 VOB/B. § 2 Abs. 3 VOB/B sei eine spe­zi­el­le Rege­lung für die ansons­ten als Weg­fall der Geschäfts­grund­la­ge ein­zu­ord­nen­de Men­gen­än­de­rung, so das Gericht. Sinn die­ser Rege­lung sei, den Ver­gü­tungs­an­spruch des AN den Unwäg­bar­kei­ten zu ent­zie­hen, die sich aus einer fal­schen Ein­schät­zung der erfor­der­li­chen Men­gen ergä­ben. Damit wird dem Risi­ko Rech­nung getra­gen, dass Men­gen­schät­zun­gen zum Zeit­punkt der Aus­schrei­bung natur­ge­mäß unge­nau sind. Des­halb ist § 2 Abs. 3 VOB/B nur dann anwend­bar, wenn sich das Risi­ko die­ser Fehl­ein­schät­zung ver­wirk­li­che, weil im Hin­blick auf die Men­gen ande­re Ver­hält­nis­se vor­ge­fun­den wor­den sei­en, als sie in das LV Ein­gang gefun­den haben. Die­se Rege­lung sei nicht anwend­bar, wenn sich die Leis­tun­gen durch Anord­nun­gen des AG ändert oder der AG einen Teil der Leis­tun­gen kün­digt. Bei der gebo­te­nen Abrech­nung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B kann die­ser Ver­ga­be­ge­winn, den der AN erzielt hät­te, wenn der AG die freie Kün­di­gung nicht erklärt hät­te, abge­rech­net werden.

OLG Bam­berg, Beschluss vom 09.10.2019, Az: 4 U 185/18

Der Auf­trag­neh­mer (AN) gibt ein Ange­bot für Roh­bau­ar­bei­ten ab, die der Auf­trag­ge­ber (AG) durch­füh­ren will. Grund­la­ge des Ange­bo­tes sind die vom Archi­tek­ten des AG erstell­ten Plä­ne. Die Addi­ti­on der Posi­ti­ons­prei­se ergibt einen Gesamt­be­trag in Höhe von ca. 145.000,00 € (brut­to). Im Ver­trag, den Bei­de spä­ter schlie­ßen, wird als „Pau­schal­ver­gü­tung“ ein Betrag in Höhe von 136.850,00 € (brut­to) genannt.

Der AN stellt bei der Aus­füh­rung des Auf­tra­ges fest, dass er erheb­li­che Mehr­men­gen aus­füh­ren muss, die nicht auf ange­ord­ne­te Nach­trags­leis­tun­gen zurück­zu­füh­ren sind. Er misst daher sei­ne Leis­tun­gen auf und macht ein Nach­trags­an­ge­bot für die Mehr­men­gen. Der AG lehnt das Nach­trags­an­ge­bot unter Hin­weis auf den ver­ein­bar­ten Pau­schal­preis ab. Der AN ist der Auf­fas­sung, man habe kei­ne Pau­schal­ver­gü­tung ver­ein­bart. Statt­des­sen habe er dem AG ledig­lich einen Nach­lass in Höhe von 6,18% auf die ursprüng­lich ange­bo­te­nen Ein­heits­prei­se gewährt.

Dem AN steht kei­ne Mehr­ver­gü­tung zu, da die Mehr­ver­gü­tung ledig­lich Leis­tun­gen betrifft, die bereits im Ange­bot des AN ent­hal­ten sind. Grund­la­ge des Ange­bo­tes sind die vom Archi­tek­ten des AG erstell­ten Plä­ne. Aus ver­gü­tungs­recht­li­cher Sicht beschränkt sich das Leis­tungs­soll daher nicht auf die im Ange­bot erwähn­ten Mengen.

Wenn dem so wäre, wür­de die Ver­ein­ba­rung einer Pau­schal­ver­gü­tung für den AG letzt­end­lich kei­nen Sinn erge­ben, da der AN bei Men­gen­über­schrei­tun­gen Anspruch auf eine zusätz­li­che Ver­gü­tung hat, ohne dass bei Min­der­men­gen ein Abzug erfol­gen müss­te. Etwas ande­res gilt nur dann, wenn kein Pau­schal­preis­ver­trag abge­schlos­sen wer­den soll, son­dern der AN tat­säch­lich nur einen Nach­lass gewährt hat. Gegen die Ver­ein­ba­rung eines Nach­las­ses spricht der ein­deu­ti­ge Wort­laut im Ver­trag („Pau­schal­ver­gü­tung“). Außer­dem ist es kaum nach­voll­zieh­bar, dass ein der­art „krum­mer Betrag“ von 6,18% gewährt wor­den sein soll, wäh­rend der Bau­ver­trag eine „run­de“ Pau­schalsum­me ausweist.

Hin­weis:

Ob ein Pau­schal­preis ver­ein­bart wur­de, ist durch Aus­le­gung der Ver­trags­un­ter­la­gen zu ermit­teln. Die Abrun­dung eines auf der Basis von Ein­heits­prei­sen ange­bo­te­nen Gesamt­prei­ses kann auch ein sog. akqui­si­to­ri­scher Nach­lass sein. Wenn aller­dings der Begriff „pau­schal“ ver­wen­det wird, dürf­te von einer Pau­schalsum­me aus­zu­ge­hen sein.

OLG Ham­burg, Urteil vom 27.11.2020, Az: 8 U 7/20

Der AN soll Boden­be­lags­ar­bei­ten zu einem Pau­schal­preis aus­füh­ren. Die Leis­tun­gen sol­len spä­tes­tens Ende März bzw. Anfang Mai 2015 vom AG abge­ru­fen wer­den. Wegen ver­zö­ger­ter Vor­ge­wer­ke kann der AN die Arbei­ten erst ab Febru­ar 2016 aus­füh­ren. Er ver­langt des­halb wegen gestie­ge­ner Mate­ri­al­prei­se eine um 7,5 % erhöh­te Vergütung.

Erfolg­los!

Ein Mehr­ver­gü­tungs­an­spruch steht dem AN bereits des­halb nicht zu, weil die Stö­rung des Ver­tra­ges wegen der Ver­zö­ge­rung der Bau­aus­füh­rung nicht als Anord­nung des AG gewer­tet wer­den kann. Der AN hat des­halb kei­nen Mehr­ver­gü­tungs­an­spruch aus § 1 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 5 VOB/B.

Glei­ches gilt für die Mit­tei­lung des AG, es lägen ver­än­der­te Bau­zeit­um­stän­de vor.

Es besteht auch kein Scha­dens­er­satz­an­spruch, weil die­ser Ver­schul­den des AG vor­aus­set­zen wür­de. Der AG muss sich aber das Ver­schul­den des Vor­un­ter­neh­mers nicht zurech­nen lassen.

Ein Ent­schä­di­gungs­an­spruch nach § 642 BGB schei­tert dar­an, dass die­ser Ent­schä­di­gungs­an­spruch nicht die Mehr­kos­ten umfasst, die erst nach Been­di­gung der Bau­ab­lauf­stö­rung anfallen.

Hin­weis:

Bau­zeit­nach­trä­ge sind regel­mä­ßig sehr schwie­rig durch­zu­set­zen. Der AN soll­te des­halb auch eine Kün­di­gung des Ver­tra­ges wegen Annah­me­ver­zug (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B) in Betracht zie­hen. Die­se Kün­di­gungs­mög­lich­keit besteht neben der Kün­di­gungs­mög­lich­keit aus § 6 Abs. 7 VOB/B und setzt kei­ne drei­mo­na­ti­ge Unter­bre­chung vor­aus. Die Kün­di­gung ist gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 VOB/B erst zuläs­sig, wenn dem AG ohne Erfolg eine ange­mes­se­ne Frist zur Ver­trags­er­fül­lung gesetzt und die Kün­di­gung ange­droht wurde.

OLG Mün­chen, Beschluss vom 23.10.2020, Az: 27 U 2211/20 Bau

Der Erwer­ber eines im Rah­men eines Bau­trä­ger­ver­tra­ges errich­te­ten Rei­hen­hau­ses stellt Män­gel fest und lässt die­se Män­gel durch Pri­vat­gut­ach­ten doku­men­tie­ren. Die Män­gel wer­den vom Bau­trä­ger nicht besei­tigt. Vom Kauf­preis in Höhe von 420.000,00 € macht der Erwer­ber des­halb 33.800,00 € Ein­be­halt gel­tend und ver­langt Über­tra­gung des Eigen­tums. Der Bau­trä­ger bestrei­tet die Män­gel und ist der Mei­nung, dass der Ein­be­halt von der Kauf­preis­for­de­rung erheb­lich sei und er des­halb gegen­über dem Anspruch des Erwer­bers auf Eigen­tums­über­tra­gung ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht habe.

Der Erwer­ber erhebt dar­auf­hin Klage.

Mit Erfolg!

Der Erwer­ber hat zwar ledig­lich 92 % des Kauf­prei­ses bezahlt. Das Gericht erach­tet den 8%igen Ein­be­halt als „gering­fü­gig“ i. S. d. § 320 Abs. 2 BGB. Bei der gebo­te­nen Ein­zel­fall­ab­wä­gung ist ange­sichts des Pri­vat­gut­ach­tens das Vor­han­den­sein der Män­gel nicht von vorn­her­ein ausgeschlossen.

Einer abschlie­ßen­den Beweis­auf­nah­me zu jeder ein­zel­nen Man­gel­fra­ge bedarf es nicht, zumal der Bau­trä­ger meh­re­re Män­gel bzw. von ihm nicht erbrach­te Leis­tun­gen nicht in Abre­de stellt, son­dern nur die erfor­der­li­chen Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten. Es ist des­halb eine umfas­sen­de Beweis­auf­nah­me zur exak­ten Ermitt­lung der genau­en Höhe der Gegen­an­sprü­che entbehrlich.

Im Rah­men des § 320 BGB geht es nicht dar­um, die Ansprü­che des Erwer­bers betrags­mä­ßig exakt zu beziffern.

Hin­weis:

Die Ent­schei­dung ent­spricht der Recht­spre­chung. Das OLG Ham­burg hat sogar 10 % als „gering­fü­gig“ beur­teilt. Dabei hat es zu Guns­ten des Erwer­bers in die Waag­scha­le gewor­fen, dass es dem Bau­trä­ger wäh­rend eines Zeit­rau­mes von nahe­zu acht Jah­ren nicht gelun­gen war, den gerüg­ten Man­gel zu beseitigen.

OLG Ham­burg, Urteil vom 27.11.2020, Az: 8 U 7/20

Der AG beauf­tragt beim AN Par­kett­le­ger­ar­bei­ten. Es wird ein Pau­schal­ver­trag abge­schlos­sen. Die Arbei­ten sol­len bis zum 26.03.2015 abge­ru­fen und danach bin­nen 138 Werk­ta­gen abge­schlos­sen wer­den. Es kommt zu Ver­zö­ge­run­gen von Vor­ge­wer­ken, wes­halb der Par­kett­le­ger erst im Febru­ar 2016 begin­nen kann. Er teilt daher dem AG mit, dass sich die Prei­se um 7,5 % erhö­hen. Der AG for­dert einen Kal­ku­la­ti­ons­nach­weis, wor­auf­hin der AN das Schrei­ben sei­nes Lie­fe­ran­ten vor­legt, wonach sich die Mate­ri­al­prei­se um 7,5 % erhöht hät­ten. Der AG ant­wor­tet nicht. Es kommt kei­ne aus­drück­li­che Eini­gung zustan­de. Der AN will nun die Preis­er­hö­hung in Höhe von rund 42.000,00 € durch­set­zen und beruft sich auf eine kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung. Er meint, dass der AG grund­sätz­li­che Bereit­schaft habe erken­nen las­sen, eine Preis­er­hö­hung zu akzep­tie­ren und schließ­lich auch alle Abschlags­rech­nun­gen bezahlt hät­te. Die Abschlags­rech­nun­gen hät­ten ab der zwei­ten Rech­nung erhöh­te Ein­heits­prei­se ausgewiesen.

Das Gericht gibt dem AG Recht. Durch die Abschlags­zah­lun­gen hat der AG weder einer Ver­trags­än­de­rung zuge­stimmt, noch eine Preis­er­hö­hung aner­kannt. Die Bezah­lung einer Ver­bind­lich­keit stellt in aller Regel kein Schuld­an­er­kennt­nis dar.

Zudem tra­gen Abschlags­zah­lun­gen nur vor­läu­fi­gen Cha­rak­ter, da hier­über noch eine end­gül­ti­ge Abrech­nung zu erfol­gen hat. Des­halb recht­fer­ti­gen Abschlags­zah­lun­gen nicht die Annah­me eines Aner­kennt­nis­ses. Hin­zu­kommt, dass ein Pau­schal­ver­trag abge­schlos­sen wur­de und der Bau­herr daher kei­nen Anlass hat­te, die ange­setz­ten Prei­se zu über­prü­fen und mit den Ange­bots­prei­sen zu vergleichen.

Hin­weis:

Ein Bestel­ler kann Leis­tun­gen nach­träg­lich bestrei­ten, auch wenn er hier­für Abschlags­zah­lun­gen erbracht hat. Abschlags­zah­lun­gen haben immer vor­läu­fi­gen Cha­rak­ter und stel­len nie ein Aner­kennt­nis dar. Der Bestel­ler muss also nicht befürch­ten, durch eine Abschlags­zah­lung eine Rechts­po­si­ti­on zu ver­lie­ren. Auf der ande­ren Sei­te ist der AN nicht auf der siche­ren Sei­te, wenn der AG Abschlags­zah­lun­gen leistet.

OLG Cel­le, Beschluss vom 26.02.2021, Az: 4 U 37/20

Der AN erhält nach öffent­li­cher Aus­schrei­bung den Zuschlag. Es sind ver­schie­de­ne Ver­trags­ter­mi­ne vor­ge­se­hen. In der Bau­an­lauf­be­ra­tung wird ver­ein­bart, dass die Gesamt­bau­maß­nah­me im Dezem­ber 2016 fer­tig­ge­stellt wer­den soll. Es ergibt sich fer­ner aus dem Pro­to­koll der Bau­an­lauf­be­spre­chung, dass sämt­li­che ver­trags­re­le­van­ten Ter­mi­ne zwin­gend ein­zu­hal­ten sind.

Als sich abzeich­net, dass der AN den ver­ein­bar­ten Fer­tig­stel­lungs­ter­min nicht ein­hal­ten kann, kün­digt der AG den Ver­trag aus wich­ti­gem Grund. Der AN meint, es sei kein Fer­tig­stel­lungs­ter­min fest­ge­legt wor­den, sodass er nicht in Ver­zug gera­ten sei.

Das Gericht gibt dem AG Recht. Es wur­de in der Bau­an­lauf­be­spre­chung ver­ein­bart, dass der Gesamt­fer­tig­stel­lungs­ter­min zwin­gend ein­zu­hal­ten ist. Dies erge­be sich, so das Gericht, aus dem Pro­to­koll. Hät­te der AN eine sol­che zusätz­li­che Ver­trags­frist nicht ver­ein­ba­ren wol­len, hät­te er nach den Grund­sät­zen des kauf­män­ni­schen Bestä­ti­gungs­schrei­bens, die hier ana­log anzu­wen­den sein sol­len, unver­züg­lich wider­spre­chen müs­sen, was er jedoch nicht getan hat.

Erhält der AN zeit­nah zur Ver­hand­lung über den bereits geschlos­se­nen Ver­trag das erstell­te Pro­to­koll und ist aus die­sem Pro­to­koll die Abän­de­rung des Ver­tra­ges zu erken­nen, ist er in glei­cher Wei­se, wie er es bei einem Kauf­mann als Ver­trags­part­ner wäre, ver­pflich­tet, den Ände­run­gen zu wider­spre­chen. Er muss also der Ver­ein­ba­rung, die sein Mit­ar­bei­ter getrof­fen hat, nach den Grund­sät­zen des kauf­män­ni­schen Bestä­ti­gungs­schrei­bens unver­züg­lich wider­spre­chen, um zu ver­hin­dern, dass sein Schwei­gen wie eine nach­träg­li­che Geneh­mi­gung behan­delt wird und die Ver­ein­ba­rung mit die­sem Inhalt zustan­de kommt.

Hin­weis:

Die zum kauf­män­ni­schen Bestä­ti­gungs­schrei­ben ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze sind also nicht nur im Rechts­ver­kehr unter Kauf­leu­ten anzu­wen­den, son­dern auch auf Per­so­nen, die wie ein Kauf­mann selb­stän­dig sind und in grö­ße­rem Umfang am Rechts­ver­kehr teil­neh­men, wie bspw. Gemein­den und Behör­den im fis­ka­li­schen Tätigkeitsbereich.