KG, Urteil vom 11.06.2019, Az: 21 U 116/18

Der Bauträger (B) verkauft an den Erwerber (E) eine Dachgeschosswohnung für knapp 700.000,00 €. Beworben wurde das Projekt mit einem Exposé mit mehreren Visualisierungen und Plänen. Nach dem Exposé soll eine „elegante Treppe aus Sichtbeton“ vom Wohnbereich auf die Dachterrasse führen. Eine Visualisierung zeigt diese Treppe mit 16 Stufen. Tatsächlich ausgeführt hat B die Treppe nicht in Sichtbeton, sondern in Betonimitat, also einer Trockenbaukonstruktion mit Betonoptik. Außerdem verfügt die Treppe nur über 13 Stufen und ist dementsprechend steiler. E verweigerte deshalb die Abnahme und die Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate, woraufhin B vom Bauträgervertrag zurücktritt.

Beide Instanzen halten den Rücktritt mangels Bezugsfertigkeit für unwirksam. Nach Auffassung der Gerichte leidet die Wohneinheit an einem wesentlichen Mangel. Das Leistungssoll für die Bauverpflichtung wird nicht nur durch die Baubeschreibung, sondern auch durch sonstige vertragsbegleitende Umstände bestimmt, also insbesondere auch durch ein eventuelles Prospekt. Auch Visualisierungen können eine besondere Bedeutung für den Erwerber haben, nicht nur textliche Angaben. Wenn der Bauträger mit Visualisierungen wirbt, muss er dafür Vorsorge tragen, dass das von ihm angestrebte Werk zutreffend wiedergegeben wird. Auch der Hinweis, dass Prospektangaben unverbindlich seien, reicht nicht aus, da sich der Bauträger anderenfalls widersprüchlich verhalten würde. Das gilt insbesondere für solche Punkte, die für einen Erwerber erkennbar wesentliche Bedeutung haben können.

Auch der vertragliche Änderungsvorbehalt greift nicht, da Änderungen dem Erwerber zumutbar sein müssen und es für ihn einen triftigen Grund geben muss.

Hinweis:

Eine vom Bauträger veranlasste Vorstellung des Erwerbers kann nicht einfach durch den allgemeinen Hinweis im Vertrag, dass Prospekte und vertragsbegleitende Umstände keine Rolle spielen, zurückgenommen werden.

Für nach dem 01.01.2018 geschlossene Bauträgerverträge gilt ohnehin ausdrücklich, dass sämtliche vertragsbegleitende Umstände bei der Auslegung des Vertrages zu berücksichtigen sind, sofern die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist.

Dem Bauträger ist also zu raten, sein Exposé zurückhaltend zu formulieren und Abweichungen vom Vertrag klar und eindeutig zu benennen.

BGH, Beschluss vom 18.12.2018, Az: VI ZR 34/17

Ein Arbeitnehmer des AN nimmt den AG und bauleitenden Architekten wegen eines Arbeitsunfalles auf Schadensersatz in Anspruch. Der Arbeitnehmer war bei Durchführung von Innenausbauarbeiten durch eine unfachmännisch errichtete Holzabdeckung über einem Treppenauge gebrochen und in die Tiefe gestürzt.

In den ersten beiden Instanzen wird der AG verurteilt. Der BGH hebt das Urteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück, weil bisher nicht festgestellt wurde, dass der AG von der mangelhaften Abdeckkonstruktion wusste und sie ihm erkennbar war.

Auf einer Baustelle ist in erster Linie der Bauunternehmer verkehrssicherungs-pflichtig. Die UVV der Berufsgenossenschaft richten sich nur an ihn. Einen mit der örtlichen Bauaufsicht der Bauleitung oder Bauüberwachung beauftragten Architekten trifft ebenso wie den Bauherrn lediglich eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht, wenn Anhaltspunkt dafür vorliegen, dass der Unternehmer in dieser Hinsicht nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist oder wenn er Gefahrenquellen erkannt hat.

OLG München, Urteil vom 07.06.2016, Az: 9 U 1677/15 Bau

Der AN hat Betonarbeiten zu erbringen. Die VOB/B wurde in das Vertragsverhältnis einbezogen. Nach Auftragsbeendigung rechnet er insgesamt 46.000,00 € für erbrachte Zusatzleistungen ab, die der AG nicht bezahlen will. Der AN behauptet, dass besprochen worden sei, dass seine Mitarbeiter bereitstehen, um Arbeiten auf Regiebasis auszuführen.

Die Klage hat in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidend ist nicht, ob abgesprochen ist, dass die Arbeiter des AN zur Ausführung von Stundenlohnarbeiten bereit sind. Entscheidend ist vielmehr, ob zwischen den Parteien vereinbart worden ist, dass bestimmte Arbeiten im Stundenlohn erbracht werden (§ 2 Abs. 10 VOB/B). Auch dass einzelne Arbeiten angeordnet worden sein sollen, hilft nicht weiter, da auch hieraus nicht hervorgeht, dass zum bisherigen Leistungsinhalt hinzutretende Arbeiten ausgeführt und auf Stundenlohnbasis abgerechnet werden sollten.

Hinweis:

Außerhalb der VOB/B existieren keine besonderen Vorschriften über Vergütung von Stundenlohnarbeiten.

Daher bedarf es bei einem BGB-Werkvertrag nur einer schlüssigen Darlegung dahingehend, wie viele Stunden der AN für die Vertragsleistung aufgewendet hat. Eine Differenzierung dahingehend, welche Arbeitsstunden für welche Tätigkeiten an welchen Tagen angefallen sind, ist regelmäßig nicht erforderlich. Außerdem müssen beim BGB-Werkvertrag auch keine Stundennachweise vorgelegt werden.

Nach § 2 Abs. 10 VOB/B allerdings werden Stundenlohnarbeiten nur dann vergütet, wenn dies vor Ausführung ausdrücklich vereinbart worden ist.

OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019, Az: 2 U 81/19

Der AN soll am 02.06.2014 mit den Bauarbeiten beginnen. Bauseits waren aber noch nicht alle Vorleistungen erbracht. Der AN trägt vor, dass durch seine Mitarbeiter regelmäßig mündliche Bedenkenanzeigen erteilt worden seien und bietet die Mitarbeiter als Zeugen an. Erstmals am 30.06.2014 wurde schriftlich Behinderung angezeigt. Für den Zeitraum, in dem sich der AN behindert glaubte, macht er Entschädigung nach § 642 BGB geltend.

Ohne Erfolg!

Nach gefestigter Rechtsprechung muss eine Behinderungsanzeige alle Tatsachen enthalten, aus denen sich die Hinderungsgründe ergeben. Diese Angaben müssen sich auch darauf erstrecken, ob und wann die Arbeiten des AN, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können.

Behinderungsanzeigen können zwar mündlich erfolgen, aber abgesehen von der Beweisbarkeit solcher mündlichen Behinderungsanzeigen stellt sich die Frage, ob diese inhaltlich nach den Anforderungen der Rechtsprechung überhaupt erschöpfend sein können. Die Behinderungsanzeige hat den Zweck, den AN vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zu geben, Abhilfe zu verschaffen.

Offenkundig und bekannt sind die hindernden Umstände nur dann, wenn der AG nach seinem Verhalten, seinen Äußerungen oder Anordnungen zweifellos darüber unterrichtet ist. Diese Behinderungen müssen so deutlich hervortreten, dass sie selbst einem bautechnischen Laien nicht verborgen bleiben können.

Hinweis:

Verteidigt sich der AN gegen eine Vertragsstrafe oder Schadensersatz wegen Bauzeitverzuges, kann er sich auch dann auf fehlendes Verschulden berufen, wenn keine Behinderungsanzeige vorliegt. Allerdings hat der AN immer die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, er habe die Fristüberschreitung nicht zu vertreten oder der Zeitplan sei insgesamt so gestört worden, dass ein Anspruch auf Vertragsstrafe und Schadensersatz insgesamt entfällt. Deshalb sind Behinderungsanzeigen schon aus Gründen der Dokumentation dringend zu empfehlen.

(OLG München, Beschluss vom 02.04.2019, Az: 28 U 413/19)

Bei Metallarbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Schulgebäudes kommen zwei Positionen aus dem LV nicht zur Anwendung, da der Auftraggeber (AG) diese nicht ausgeführt haben möchte. Nach Beendigung der Arbeiten rechnet der Auftragnehmer (AN) für diese entfallenen Leistungen entgangenen Gewinn ab, da die entfallenen Leistungen seiner Meinung nach als Teilkündigung zu werten sind. Der AG meint, eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen steht dem AN nicht zu, da hier § 2 Abs. 3 VOB/B für Mengenmin-derungen heranzuziehen sei. Darüber hinaus sei schon die nach § 8 VOB/B erforderliche Schriftform der Kündigung nicht eingehalten.

Die Auffassung des AG trifft nicht zu: § 2 VOB/B will einen Ausgleich für Mengenänderungen herbeiführen, wenn sich die anfängliche Schätzung als unzutreffend erweist. Wenn der AG jedoch auf bestimmte Positionen verzichtet, liegt keine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß den Wertungen des § 2 VOB/B vor, da dieser Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose vergleichbar ist. Ob eine Teilkündigung vorliegt oder nicht, kann offenbleiben, da für Nullpositionen nur eine Abrechnung nach § 8 VOB/B (bzw. § 648 BGB) in Betracht kommt.

(OLG Celle, Urteil vom 04.08.2016, Az: 13 U 104/12)

 Die Dachkonstruktion eines Supermarktes ist mangelhaft. Der Auftragnehmer (AN) verteidigt sich mit vermeintlich mitgeteilten Bedenken wegen unzureichender Vorarbeiten.

Der AN hat damit keinen Erfolg. Eine Bedenkenanmeldung, die die Haftung des AN entfallen lassen kann, wurde nicht festgestellt. Gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B hätte der AN vor Beginn seiner Arbeiten die Bedenken dem Auftraggeber (AG) mitteilen müssen und zwar in Schriftform. Dies ist nicht erfolgt. Zwar können auch mündlich erteilte Hinweise nicht gänzlich unbeachtet bleiben und zu einem Mitverschulden des AG führen. Allerdings muss die Belehrung in Anbetracht ihrer erheblichen Bedeutung grundsätzlich vom AN selbst gegenüber dem AG oder dessen befugtem Vertreter erfolgen. Sie muss so eindeutig sein, dass die Tragweite der Nichtbefolgung klar wird. Wird der Architekt belehrt und verschließt sich dieser den vorgebrachten Bedenken, so muss sich der AN unmittelbar an den AG wenden. Das ist nicht erfolgt. Der AN haftet also wegen der festgestellten Mängel.

Darauf hinzuweisen ist außerdem, dass den AN die Darlegungs- und Beweislast dahingehend trifft, wie, wann und wem gegenüber er seine Bedenken mitgeteilt hat. Außerdem hat die Bedenkenanmeldung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen, wobei hierfür die telekommunika-tive Übermittlung nach § 127 Abs. 2 S. 1 BGB ausreicht. Im Einzelfall kann ein mündlicher Hinweis genügen, wenn dieser eindeutig, vollständig und erschöpfend ist. Die Bedenkenanmeldung hat grundsätzlich vom AN selbst zu erfolgen und zwar jedenfalls dann gegenüber dem AG, wenn sich dessen Vertreter den Bedenken verschließt. Es empfiehlt sich daher, die Bedenkenanmeldung immer auch dem AG gegenüber abzugeben, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass der Architekt die Bedenken teilt und weitergibt.

(BGH, Urteil vom 07.02.2019, Az: VII ZR 274/17)

Der Auftragnehmer (AN) hat für die Abdichtung einer Terrasse zunächst eine Abdichtung aus Bitumenschweißbahn verlegt. Hierauf verlegte ein anderer Unternehmer Estrich und Fliesen, bevor der AN anschließend die Ränder mit Zinkisolierungen, Wandanschlussschienen und Silikon abdichtete.

Es zeigt sich an den angrenzenden Wänden Feuchtigkeit. Der Auftraggeber (AG) verlangt daher Beseitigung dieser Feuchtigkeitsschäden sowie von Folgeschäden und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Mangelfolgeschäden.

Der AN verteidigt sich damit, dass die Abdichtung auch bei der Verlegung des Estrichs oder durch Setzungen des Gebäudes beschädigt worden sein könnte. Zur Klärung der Undichtigkeiten und deren Ursache hätte der Sachverständige die Abdichtung selbst untersuchen müssen. Dies sei jedoch nicht möglich gewesen, weil der AG die Freilegung der Abdichtung verweigert habe.

Der BGH meint hierzu, dass nach jetzigem Stand die Freilegung der Abdichtung für den Nachweis des Mangels zum Zeitpunkt der Abnahme nicht erforderlich sei. Ein Mangel liegt bereits dann vor, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck des Werks nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte und nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion (Dichtigkeit) nicht erfüllt. Zur Prüfung der Dichtigkeit bedarf es – so der BGH – der Freilegung der Abdichtung nicht. Es genügt ein Flutungsversuch mit gefärbtem Wasser. Für den Nachweis eines Mangels bedarf es nicht der Feststellung, auf welche Ursache ein Funktionsdefizit zurückzuführen ist. Die Haftung für Mängel sei verschuldensunabhängig und greife auch dann, wenn dem Unternehmer ein Ausführungsfehler nicht nachgewiesen werden kann.

Auf ein Verschulden kommt es für den Schadensersatzanspruch wegen eventueller Mangelfolgeschäden (Schäden an anderen Bauteilen, Sachverständigen- und Anwaltskosten) an. Dabei kann das Verschulden bei nicht rechtzeitiger Nachbesserung auch darauf beruhen, dass der Unternehmer seiner Pflicht zur fristgerechten Beseitigung des Mangels nicht nachkommt.

(BGH, Beschluss vom 31.07.2018, Az: VII ZR 274/16)

Durch einen Bauträger wird ein ca. 100 Jahre altes Mehrfamilienhaus saniert. In den Kaufverträgen ist geregelt:

„ … Der Verkäufer führt eine Kernsanierung des Gebäudes (außer Böden und Decken) durch, welche weitgehend abgeschlossen ist …“

Der Bauträger wird von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Schadensersatz für die Herstellung der Kellerabdichtung in Anspruch genommen. Er meint, auf den Vertrag würde Kaufrecht Anwendung finden, weil das Gebäude zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nahezu fertiggestellt war und seine Sanierungsverpflichtung nicht so umfassend gewesen ist. Eine Abdichtung des Kellers sei nicht geschuldet. Seine Sanierungspflicht ergäbe sich ausschließlich aus der Baubeschreibung, die eine Kellerabdichtung nicht vorsehe.

Sowohl das OLG Düsseldorf als auch der BGH teilten die Auffassung des Bauträgers nicht. Der Bauträger habe von einer „Kernsanierung des Gebäudes“ gesprochen. Deshalb – so beide Instanzen – kann der Erwerber berechtigterweise erwarten, dass das Objekt dem Stand der anerkannten Regeln der Technik entsprechend errichtet ist, was den Schutz des Kellers gegen Feuchtigkeit einschließt.

Der Bauträger haftet hier also auch für die von den Sanierungsarbeiten unberührt gebliebene Altbausubstanz. Diese Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung.