BGH, Urteil vom 17.11.2022, Az: VII ZR 862/21

Ein Archi­tekt ver­langt Kün­di­gungs­ver­gü­tung nach § 648 BGB wegen frei­er Auf­trag­ge­ber­kün­di­gung für nicht mehr zu erbrin­gen­de Leis­tun­gen. Der Bestel­ler beruft sich auf das Son­der­kün­di­gungs­recht nach § 650r BGB. Er ist der Mei­nung, dass die­se Kün­di­gungs­mög­lich­keit auch vor Über­ga­be der Pla­nungs­grund­la­ge und der Kos­ten­ein­schät­zung gege­ben sei.

Die­ser Auf­fas­sung folgt der BGH nicht. Soweit wesent­li­che Pla­nungs­zie­le noch nicht ver­ein­bart sind, ent­steht das Son­der­kün­di­gungs­recht erst nach Vor­la­ge der Pla­nungs­grund­la­ge und der Kos­ten­ein­schät­zung und nicht bereits vor­her. Damit ist die Kün­di­gung des Bestel­lers als freie Kün­di­gung zu wer­ten. Der Anspruch ist aller­dings der Höhe nach auf den Ver­trags­teil beschränkt, der dem Archi­tek­ten bei einem wirk­sa­men Son­der­kün­di­gungs­recht zustünde.

Hin­weis:

Wenn wesent­li­che Pla­nungs- und Über­wa­chungs­zie­le noch nicht ver­ein­bart sind, kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass spä­ter, wenn die Vor­aus­set­zun­gen des Son­der­kün­di­gungs­rechts vor­ge­le­gen hät­ten, hier­von Gebrauch gemacht wor­den wäre. In die­sem Fall stün­de dem Archi­tek­ten auch nur ein ent­spre­chend redu­zier­ter Ver­gü­tungs­an­spruch zu.

BGH, Urteil vom 11.11.2022, Az: V ZR 213/21

Im Jahr 2014 und 2015 zieht die WEG Män­gel­an­sprü­che wegen Män­geln am Gemein­schafts­ei­gen­tum an sich (§ 10 Abs. 6 S. 2 Halb­satz 2 WEG a. F.). Ab 01.12.2020 regelt jedoch § 9a Abs. 2 WEG nur noch das, was frü­her als „gebo­re­ne Aus­übungs­be­fug­nis“ bezeich­net wur­de. Es stellt sich daher die Fra­ge der „alten“ Beschlüs­se der WEG und fer­ner die Fra­ge, ob die WEG noch die umfas­sen­de Beschluss­kom­pe­tenz zur Ver­fol­gung von Män­gel­an­sprü­chen gegen den Bau­trä­ger besitzt. Das OLG Mün­chen hat das bejaht.

Der BGH bestä­tigt das!

Die Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis folgt aus den Beschlüs­sen aus den Jah­ren 2014 und 2015. Die­se Beschluss­fas­sung war damals erfor­der­lich, weil kein Fall der gebo­re­nen Aus­übungs­be­fug­nis vor­liegt. Die­se bezieht sich nur auf die Ansprü­che auf Min­de­rung und Scha­dens­er­satz. Nach altem Recht konn­te die WEG auch die Ansprü­che auf ord­nungs­ge­mä­ße Her­stel­lung des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch Mehr­heits­be­schluss an sich zie­hen, ins­be­son­de­re auch die Ansprü­che auf Erfül­lung und Nacherfüllung.

Durch den neu­en § 9a Abs. 2 WEG wur­de die­ses Kon­zept auf­ge­ge­ben. Der Unter­schied zwi­schen gebo­re­ner und geko­re­ner Aus­übungs­be­fug­nis ent­fällt fort­an. Indes füh­re die­se Geset­zes­än­de­rung nicht zu einem Ent­fall der Pro­zess­füh­rungs­be­fug­nis der WEG.

Die auf Besei­ti­gung von Män­geln am Gemein­schafts­ei­gen­tum gerich­te­ten Ansprü­che der Erwer­ber fal­len zwar nicht unter die Aus­übungs­be­fug­nis des § 9a Abs. 2 WEG. Aller­dings kann die WEG nach wie vor gemäß §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG durch Mehr­heits­be­schluss die Durch­set­zung an sich zie­hen. Außer­dem soll nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung zur Ver­ge­mein­schaf­tung von auf das Gemein­schafts­ei­gen­tum bezo­ge­nen Erfül­lungs- und Män­gel­an­sprü­che bei­be­hal­ten werden.

OLG Frank­furt, Urteil vom 31.03.2021, Az: 29 U 178/20

Der Auf­trag­neh­mer (AN) ver­pflich­tet sich gegen­über dem Auf­trag­ge­ber (AG) zur Errich­tung eines Fer­tig­hau­ses. Im Ver­trag ist ein beson­de­res Rück­tritts­recht unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ver­ein­bart. Dane­ben beinhal­ten die AGB des AN ein „frei­es Rück­tritts­recht“ des AG. Für die­sen Fall ist ver­ein­bart, dass dem AN ein pau­scha­ler Scha­dens­er­satz in Höhe von 8% des Kauf­prei­ses zusteht. Nach erfolg­tem Rück­tritt strei­ten die Par­tei­en dar­über, ob die Ver­ein­ba­rung eines Scha­dens­er­sat­zes in Höhe von 8% in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen wirk­sam ist.

Sie ist wirk­sam. 8% sind nach Auf­fas­sung des OLG nicht unan­ge­mes­sen hoch. Das OLG ver­weist in die­sem Zusam­men­hang auf die Recht­spre­chung des BGH, der ent­spre­chen­de Rege­lun­gen in Höhe von 5% und sogar von 10% für wirk­sam gehal­ten hat.

Hin­weis:

Bei der­ar­ti­gen Ver­ein­ba­run­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen sind 10% der Gesamt­ver­gü­tung als pau­scha­ler Scha­dens­er­satz unbe­denk­lich. Bei Ver­ein­ba­run­gen höhe­rer Pau­scha­len besteht das Risi­ko, dass die Klau­sel einer Inhalts­kon­trol­le nicht standhält.

OLG Frank­furt, Urteil vom 05.08.2022, Az: 21 U 84/21

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) mit Boden­be­lags­ar­bei­ten unter Ein­be­zie­hung der VOB/B. Zum ver­ein­bar­ten Ter­min für den Arbeits­be­ginn erscheint der AN nicht. Der AG mahnt den Beginn an und for­dert unter Frist­set­zung Abhil­fe nach § 5 Abs. 3 VOB/B. Der AN mel­det wegen vor­han­de­ner Rest­feuch­te im Est­rich und Schüs­se­lun­gen Beden­ken an. Der AG ord­net die Fort­set­zung der Arbei­ten an und for­dert den AN zwei­mal zum Beginn der Arbei­ten unter Frist­set­zung und Kün­di­gungs­an­dro­hung auf, wor­auf­hin der AN erneut Beden­ken anmel­det, aber nicht arbei­tet. Dar­auf­hin erklärt der AG die Teil­kün­di­gung des Ver­tra­ges für das 2. OG.

Das OLG bestä­tigt die Wirk­sam­keit der Kün­di­gung wegen der nicht erfolg­ten Abhil­fe auf­grund der aus­drück­li­chen Anwei­sung. Trotz Beden­ken­hin­wei­ses steht dem AN kein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht zu. Er sei viel­mehr durch sei­ne Beden­ken­an­mel­dung von einer Män­gel­haf­tung frei.

Hin­weis:

Der AN muss trotz Beden­ken­an­mel­dung auch unbe­rech­tig­te und unzweck­mä­ßi­ge Anord­nun­gen auf Ver­lan­gen aus­füh­ren. Dem AN steht aber trotz Beden­ken­an­mel­dung ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht dann zu, wenn die Anord­nung gegen Treu und Glau­ben ver­stößt. Das ist dann der Fall, wenn der AN trotz Haf­tungs­frei­stel­lung unter Umstän­den Drit­ten gegen­über haf­tet oder die Durch­füh­rung der Arbei­ten eine Gefahr für Leib und Leben begründet.

OLG Frank­furt, Urteil vom 18.02.2021, Az: 22 U 103/19

Der Auf­trag­ge­ber (AG) beauf­tragt den Auf­trag­neh­mer (AN) mit der Errich­tung eines Ein­fa­mi­li­en­hau­ses. Als Bau­zeit sind 7 Mona­te ver­ein­bart sowie eine Ver­trags­stra­fe bei nicht frist­ge­rech­ter Fer­tig­stel­lung. Es kommt in der Fol­ge­zeit zu vom AN zu ver­tre­ten­den Bau­ver­zö­ge­run­gen. Nach 11 Mona­ten Frist­über­schrei­tung setzt der AG dem AN eine Frist von 6 Tagen zur Fer­tig­stel­lung. Am Tag des Frist­ab­lau­fes kün­digt er den Ver­trag frist­los und ver­langt Ersatz der Fer­tig­stel­lungs­kos­ten sowie Zah­lung einer Vertragsstrafe.

Der AG war berech­tigt, den Ver­trag wegen Ver­zu­ges des AN zu kün­di­gen. Auch die gesetz­te Nach­frist war mit 6 Tagen ange­mes­sen. Sinn einer Nach­frist ist es, dem AN eine letz­te Gele­gen­heit zu geben, sei­ne Werk­leis­tung fer­tig­zu­stel­len. Er muss daher die Arbei­ten unter den größ­ten ihm mög­li­chen Anstren­gun­gen erbrin­gen. Das bedeu­tet, dass er die Zahl der Arbeits­kräf­te und die täg­li­chen Arbeits­stun­den erheb­lich erhö­hen muss. Auch Dop­pel­schich­ten und Sams­tags­ar­beit sind gebo­ten. Ist dem AN auch bei der größt­mög­li­chen Anstren­gung eine Fer­tig­stel­lung inner­halb der Frist nicht mög­lich, hat der den AG dar­auf hinzuweisen.

Dass der AG die Kün­di­gung bereits 8 Stun­den vor Frist­ab­lauf erklärt hat, ist unschäd­lich. Wenn auf­grund der Umstän­de fest­steht, dass die Frist nicht ein­ge­hal­ten wird, ist dem AG ein Abwar­ten des Frist­ab­lau­fes nicht zumut­bar und er ist berech­tigt, die Kün­di­gung schon vor Frist­ab­lauf auszusprechen.

Hin­weis:

Ob eine Nach­frist ange­mes­sen ist, hängt von den Umstän­den des Ein­zel­fal­les ab. Auch wenn eine zu kur­ze Frist den Lauf einer ange­mes­se­nen Frist in Gang setzt, ist zu emp­feh­len, die Nach­frist nicht zu kurz zu bemes­sen, da ansons­ten eine nach Ablauf der gesetz­ten Nach­frist aus­ge­spro­che­ne frist­lo­se Kün­di­gung unwirk­sam ist.

OLG Stutt­gart, Urteil vom 30.12.2020, Az: 10 U 202/20

Der Auf­trag­neh­mer (AN) eines VOB/B‑Vertrages macht rest­li­chen Werk­lohn gel­tend. Der Auf­trag­ge­ber (AG) ver­tei­digt sich damit, er habe den geschlos­se­nen Bau­ver­trag aus wich­ti­gem Grund gekün­digt, wes­halb ihm ein Anspruch auf Erstat­tung der Ersatz­vor­nah­me­kos­ten zuste­he. Die schrift­li­che Kün­di­gungs­er­klä­rung hat der AG ein­ge­scannt und per E‑Mail an den AN geschickt. Das Land­ge­richt gibt der Kla­ge des AN statt.

Auch die Beru­fung des AG hat kei­nen Erfolg. Ein Anspruch auf Erstat­tung der Ersatz­vor­nah­me­kos­ten setzt vor­aus, dass der Bau­ver­trag wirk­sam gekün­digt wur­de. Das in § 8 Abs. 6 VOB/B gere­gel­te Schrift­form­erfor­der­nis wird durch eine Kün­di­gung per E‑Mail nicht ein­ge­hal­ten, denn die Kün­di­gung ist schrift­lich zu erklä­ren. Gemäß § 126 Abs. 1 BGB ist in den Fäl­len, in denen durch Gesetz die Schrift­form vor­ge­schrie­ben ist, die Urkun­de eigen­hän­dig durch Namens­un­ter­schrift oder mit­tels nota­ri­ell beglau­big­ten Hand­zei­chens zu unterzeichnen.

Da die VOB kein Gesetz, son­dern eine All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung ist, war die Rechts­la­ge nach altem Recht so, dass § 127 Abs. 2 BGB anwend­bar war, wonach zur Wah­rung der durch Rechts­ge­schäft bestimm­ten schrift­li­chen Form auch die tele­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung, also eine E‑Mail, aus­reich­te. Der ab 01.01.2018 gel­ten­de § 650h BGB regelt jedoch, dass die Kün­di­gung des Bau­ver­tra­ges der Schrift­form bedarf. Es gilt also seit die­sem Zeit­punkt eine gesetz­li­che Form­vor­ga­be, wonach eine tele­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung nicht mehr aus­rei­chend ist.

Die Schrift­form kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch elek­tro­ni­sche Form ersetzt wer­den. Dazu muss der Aus­stel­ler der Erklä­rung sei­nen Namen hin­zu­fü­gen und das elek­tro­ni­sche Doku­ment mit sei­ner qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Signa­tur ver­se­hen. Eine ein­fa­che E‑Mail reicht bei Bau­ver­trä­gen also, sofern die Bau­ver­trä­ge nach dem 01.01.2018 abge­schlos­sen wur­den, nicht mehr.

KG, Urteil vom 24.05.2022, Az: 21 U 156/21

Der Bau­trä­ger kommt mit der Her­stel­lung der Bezugs­fer­tig­keit in Ver­zug. Die­se war zum 30.06.2018 geschul­det. Tat­säch­lich kann der Bau­trä­ger die Woh­nung erst am 06.07.2020 über­ge­ben. Gegen die For­de­rung nach Aus­gleich der Ver­zö­ge­rungs­schä­den wen­det der Bau­trä­ger ein, dass coro­nabe­dingt ab März 2020 die Hand­wer­ker man­gels Ein­rei­se­er­laub­nis die Woh­nung nicht bezugs­reif hät­ten erstel­len können.

Das lässt das Gericht nicht gel­ten. Der Bau­trä­ger hat sich in Ver­zug befun­den. Es sei – so das Gericht – zwar zutref­fend, dass der Bau­trä­ger die Ver­spä­tung sei­ner Leis­tung unter Umstän­den nicht zu ver­ant­wor­ten hat, soweit sie auf einem unab­wend­ba­ren Ereig­nis beru­hen. Es reicht aber nicht die abs­trak­te Mög­lich­keit der­ar­ti­ger Erschwer­nis­se, zumal sich der Bau­trä­ger nach der gesetz­li­chen Beweis­last­ver­tei­lung ent­las­ten muss.

Er muss also kon­kret dar­le­gen, wie sich der schwer­wie­gen­de unvor­her­seh­ba­re Umstand, auf den er sich beruft, auf den Ablauf des Bau­vor­ha­bens aus­wirk­te, sog. bau­ab­lauf­be­zo­ge­ne Dar­le­gun­gen. Die­sen Anfor­de­run­gen genügt der Sach­vor­trag des Bau­trä­gers nicht.

OLG Bam­berg, Beschluss vom 09.10.2019, Az: 4 U 185/18

Auf­trag­ge­ber (AG) und Auf­trag­neh­mer (AN) schlie­ßen einen Ver­trag über die Errich­tung eines Roh­baus ein­schließ­lich des erfor­der­li­chen Boden­aus­hubs. Der Ver­trag ent­hält kei­ne Ein­schrän­kun­gen bezüg­lich der Boden­klas­se. Der AN geht bei Ange­bots­er­stel­lung von einer Boden­klas­se III – V aus, stellt aber nach Beginn der Aus­füh­rung fest, dass eine höhe­re Boden­klas­se vor­liegt und macht Anspruch auf zusätz­li­che Ver­gü­tung geltend.

Ohne Erfolg!

Der Bau­grund­aus­hub ist vom Leis­tungs­soll umfasst und des­halb ohne zusätz­li­che Ver­gü­tung zu erbrin­gen. Das Ange­bot des AN ent­hält bezüg­lich der Boden­klas­se kei­ne Ein­schrän­kun­gen. Es lagen hier­zu zum Zeit­punkt der Ange­bots­er­stel­lung auch kei­ne kon­kre­ten Erkennt­nis­se vor. Damit sind bestimm­te Boden­ver­hält­nis­se nicht zum Ver­trags­in­halt gewor­den. Es liegt damit kei­ne Soll-Ist-Abwei­chung vor, die zu einer Mehr­ver­gü­tung berechtigt.

Hin­weis:

Es herrscht lei­der immer noch die Fehl­vor­stel­lung vor, dass sämt­li­che mit dem Bau­grund ein­her­ge­hen­den Pro­ble­me Auf­trag­ge­ber-Pro­ble­me sei­en, weil der AG Grund­stücks­ei­gen­tü­mer ist und des­halb das Bau­grund­ri­si­ko tra­ge. Das ist nicht richtig.

Es gibt im Werk­ver­trags­recht kei­ne all­ge­mei­ne Sphä­ren­theo­rie. Des­halb müs­sen die Bau­grund­ri­si­ken dif­fe­ren­ziert betrach­tet wer­den, was im Ergeb­nis häu­fig zum Nach­teil des AN ausfällt.

Anders ver­hält es sich dann, wenn der AG den Bau­grund beschreibt und der AN dann auf ande­re Ver­hält­nis­se trifft. Ist der Boden im LV dage­gen nicht beschrie­ben, ist der Aus­hub des jeweils vor­ge­fun­de­nen Bodens geschul­det und von der getrof­fe­nen Preis­ver­ein­ba­rung umfasst.

Es gibt also kein all­ge­mei­nes Bau­grund­ri­si­ko. Maß­geb­lich ist in ers­ter Linie der durch Aus­le­gung zu ermit­teln­de Vertragsinhalt.

OLG Bran­den­burg, Urteil vom 12.05.2022, Az: 12 U 141/21

Der Auf­trag­neh­mer (AN) macht rest­li­che Ver­gü­tungs­an­sprü­che gegen den Auf­trag­ge­ber (AG) gel­tend und zwar u.a. wegen einer Nach­trags­for­de­rung, wobei der Anspruchs­grund unstrei­tig ist. Streit besteht ledig­lich über die Höhe der Ein­heits­prei­se ein­zel­ner Positionen.

Das Land­ge­richt gibt der Kla­ge teil­wei­se statt und spricht dem AN einen rest­li­chen Ver­gü­tungs­an­spruch zu. Begrün­det wird dies damit, dass der AN mit sei­nen Nach­trags­an­ge­bo­ten jeweils die zugrun­de geleg­te Kal­ku­la­ti­on vor­ge­legt habe. Außer­dem habe der AG der Aus­füh­rung der Leis­tun­gen nicht wider­spro­chen und die Leis­tun­gen sogar abge­nom­men. Das Land­ge­richt geht des­halb von einer kon­klu­den­ten Abnah­me der Ein­heits­prei­se des Nach­trags­an­ge­bo­tes aus.

Das Ober­lan­des­ge­richt ent­schei­det eben­falls, dass eine ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung über die Höhe der Ein­heits­prei­se aus dem Nach­trags­an­ge­bot zustan­de gekom­men ist. Schwei­gen auf ein Ange­bot sei zwar grund­sätz­lich nicht als still­schwei­gen­de Zustim­mung zu wer­ten. Etwas ande­res kann jedoch dann gel­ten, wenn nach Treu und Glau­be und der Ver­kehrs­sit­te ein Wider­spruch des Ange­bots­emp­fän­gers erfor­der­lich gewe­sen wäre und der ande­re Teil das Ver­hal­ten so ver­ste­hen konn­te, dass der Emp­fän­ger den Ver­trag auf der Grund­la­ge des Ange­bo­tes schlie­ßen wollte.

Fer­ner wür­de aus der beson­de­ren Koope­ra­ti­ons­pflicht von Par­tei­en eines Werk­ver­tra­ges fol­gen, dass der AG zu einem als­bal­di­gen Wider­spruch ver­pflich­tet sei, wenn er die dem Nach­trags­an­ge­bot zugrun­de lie­gen­den Prei­se nicht gegen sich gel­ten las­sen will. Außer­dem sei es dem AG bei einer Zeit­span­ne von nahe­zu zwei Mona­ten mög­lich und zumut­bar gewe­sen, auf die Nach­trags­an­ge­bo­te zu reagieren.

Hin­weis:

Die weit ver­brei­te­te Pra­xis, Nach­trags­an­ge­bo­te ohne Wider­spruch ent­ge­gen­zu­neh­men und die Leis­tun­gen aus­füh­ren zu las­sen, kann zu nach­tei­li­gen Fol­gen für den AG füh­ren. Um eine kon­klu­den­te Annah­me des Nach­trags­an­ge­bo­tes zu ver­mei­den, soll­te der AG die­ses zeit­nah inhalt­lich prü­fen und Stel­lung nehmen.

OLG Cel­le, Beschluss vom 08.10.2020, Az: 16 U 34/20

Der Auf­trag­ge­ber (AG) erteilt dem Auf­trag­neh­mer (AN) unter Ein­be­zie­hung der VOB/B den Auf­trag für Erd‑, Ent­wäs­se­rungs­ka­nal- und Ver­kehrs­we­ge­bau­ar­bei­ten. Mit E‑Mail vom 20.04.2018 teilt der AG mit, dass zwei Posi­tio­nen des LV nicht aus­ge­führt wer­den sol­len und beauf­tragt eine neue LV-Position.

Mit sei­ner Schluss­rech­nung for­dert der AN ca. 26.000,00 € Ver­ga­be­ge­winn für die gekün­dig­ten LV-Positionen.

Der AN hat recht!

Der von ihm gel­tend gemach­te Anspruch ist auf Grund­la­ge des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B zu berech­nen und nicht nach § 2 Abs. 3 VOB/B. § 2 Abs. 3 VOB/B sei eine spe­zi­el­le Rege­lung für die ansons­ten als Weg­fall der Geschäfts­grund­la­ge ein­zu­ord­nen­de Men­gen­än­de­rung, so das Gericht. Sinn die­ser Rege­lung sei, den Ver­gü­tungs­an­spruch des AN den Unwäg­bar­kei­ten zu ent­zie­hen, die sich aus einer fal­schen Ein­schät­zung der erfor­der­li­chen Men­gen ergä­ben. Damit wird dem Risi­ko Rech­nung getra­gen, dass Men­gen­schät­zun­gen zum Zeit­punkt der Aus­schrei­bung natur­ge­mäß unge­nau sind. Des­halb ist § 2 Abs. 3 VOB/B nur dann anwend­bar, wenn sich das Risi­ko die­ser Fehl­ein­schät­zung ver­wirk­li­che, weil im Hin­blick auf die Men­gen ande­re Ver­hält­nis­se vor­ge­fun­den wor­den sei­en, als sie in das LV Ein­gang gefun­den haben. Die­se Rege­lung sei nicht anwend­bar, wenn sich die Leis­tun­gen durch Anord­nun­gen des AG ändert oder der AG einen Teil der Leis­tun­gen kün­digt. Bei der gebo­te­nen Abrech­nung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B kann die­ser Ver­ga­be­ge­winn, den der AN erzielt hät­te, wenn der AG die freie Kün­di­gung nicht erklärt hät­te, abge­rech­net werden.