Anmerkung zu: OLG Nürnberg, Urteil vom 20.06.2012, Az: 6 U 1643/09 – BGH, Beschluss vom 05.06.2014, Az: VII ZR 187/12

Die Kläger fordern vom Architekten Schadensersatz wegen Mängeln infolge unzu-reichender Überwachung der Bauausführung. Die Fassade eines fünfgeschossigen Gebäudes wurde mit einem Wärmedämm-Verbundsystem ausgestattet. Es bil-deten sich Risse. Der ausführende Unternehmer ist inzwischen insolvent.

Der beklagte Architekt bestreitet eine Mitschuld. Sofern überhaupt Ausführungs-fehler vorlägen, seien sie der ausführenden Firma zuzurechnen. Er sei während der fraglichen Bauarbeiten mindestens zwei- oder dreimal pro Woche auf der Baustelle ge-wesen und habe die Arbeiten durch Stichproben kontrolliert.

Das OLG weist die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Land-gerichts zurück. Zwar dürften die Anforderungen an die Bauaufsicht nicht über-spannt werden. Der Architekt muss nicht ständig auf der Baustelle sein. Bei allge-mein üblichen, einfachen und gängigen Arbeiten würde er sich regelmäßig auf die ordnungsgemäße Bauausführung verlassen können, sofern er keinen besonderen Anlass zur Kontrolle hat. Andererseits würde es sich bei der Objektüberwachung um eine besonders wichtige Aufgabe des Architekten handeln. Demzufolge sind hier an den Architekten erhebliche Anforderungen zu stellen. Das gelte insbesondere für die Ausführung eines Wärmedämm-Verbundsystems.

Hinweis:
Die Fälle, in denen keine besondere Bauüberwachung durch den Architekten erforderlich ist, weil es sich um handwerkliche Selbstverständlichkeiten handelt, sind selten. Hierzu zählen übliche Putzarbeiten, Malerarbeiten und Arbeiten am Balkongeländer. Besonders überwachungsbedürftig und sensibel sind die Gewerke Abdichtungs-, Dämmungs- und Dachdeckerarbeiten sowie Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten und Sanierungsarbeiten an einem Altbau.

Anmerkung zu: Kammergericht, Urteil vom 13.05.2014, Az. 7 U 116/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Errichtung von Mehrfamilienhäusern. Geschuldet ist die Errichtung von Stahlbetonbodenplatten B 15 mit einer Stärke von 15 cm. Tatsächlich werden die Bodenplatten nur mit ca. 10,5 cm Stärke errichtet. Der AG fordert den AN zur Mangelbeseitigung auf. Dieser verweigert. Er behauptet, die geringere Dicke führe zu keinem Schaden. Die Bodenplatten seien wasserundurchlässig ausgeführt. Zudem verhindere eine 0,2 mm dicke Baufolie unter den Platten den kapillaren Wassertransport. Zudem sei eine Mangelbeseitigung unverhältnismäßig. Der AG leitete ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige stellte eine Durchfeuchtung der Bodenplatten fest. Die Unterschreitung der Dicke der Bodenplatte von 15 cm widerspreche der WU-Richtlinie. Das Landgericht spricht dem AG Schadenersatz zu. Der AN legt hiergegen Berufung ein.

Ohne Erfolg!

Das KG korrigiert das erstinstanzliche Urteil des LG nur hinsichtlich der Mehrwertsteuer, spricht dem AG jedoch den Schadenersatz gemäß § 13 Abs. 7 VOB/B zu. Die Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Stärke stellt einen wesentlichen Mangel dar, der die Gebrauchstauglichkeit erheblich beeinträchtigt.

Der Schadenersatz bemisst sich nach Wahl des AG entweder nach dem mangelbedingten Minderwert oder den Kosten der Mangelbeseitigung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Auf eine Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung kann sich der AN nicht berufen, weil das Risiko weitergehender Feuchtigkeitsschäden droht und er den Mangel grob fahrlässig verursacht hat.

Hinweis:

Die Entscheidung liegt auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit scheidet bereits dann aus, wenn ein Verstoß gegen anerkannte Regeltechnik vorliegt. Die aktuelle Fassung der WU-Richtlinie sieht für den Lastfall Bodenfeuchte bereits eine Mindeststärke von 15 cm für Stahlbetonbodenplatten vor. Damit liegt ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik auf der Hand.

 

Anmerkung zu: OLG Schleswig, Urteil vom 11.04.2014 – 1 U 10/13

Ein Nachunternehmer (NU) führt für einen Generalunternehmer (GU) an einer Wohnanlage mit Eigentumswohnungen Dachdeckerarbeiten aus. Die Ausführung erfolgt im Wesentlichen gemäß Leistungsverzeichnis. Nach Fertigstellung und Abnahme treten Feuchtigkeitsschäden auf und es werden zahlreiche Verstöße gegen die Flachdachrichtlinie und DIN 18195-5 festgestellt. Die Kosten für die Mangelbeseitigung belaufen sich auf 25.000,00 €.

Der NU behauptet, die Mängel seien ausschließlich auf Planungsfehler zurückzuführen. Er habe ausschließlich nach dem LV und der Planung des Architekten des GU gearbeitet. Eine Aufklärungs- oder Hinweispflicht hätte daher nicht bestanden. Gleichwohl habe er gegenüber dem Architekten des GU mündlich Bedenken geäußert.

Das LG stellt die Haftung des NU fest. Der NU legt Berufung ein.

Ohne Erfolg!

Er ist nicht gem. § 13 Abs. 3 VOB/B von der Haftung frei geworden. Er hat es versäumt, nach § 4 Abs. 3 VOB/V schriftlich gegenüber seinem AG Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung anzumelden.

Seine Behauptung, er habe Bedenken gegen die Planung mündlich gegenüber dem Architekten geäußert, ist nicht ausreichend.

Zunächst ist ungeklärt, ob die Schriftform ausnahmsweise durch eine zuverlässige, inhaltlich klare und vollständige mündliche Erklärung ersetzt werden kann. Der NU hat jedoch seine Bedenkenanmeldung an den Architekten gerichtet und damit an den falschen Adressaten. Der Architekt kommt zwar grundsätzlich als Empfänger eines Bedenkenhinweises in Betracht. Dass ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn sich der Hinweis auf eine fehlerhafte Planung des Architekten bezieht.

Hinweis:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Bedenken schriftlich anzumelden sind. Ebenfalls entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Bedenkenhinweis jedenfalls dann, wenn die Arbeit des Architekten davon betroffen ist, an den Auftraggeber direkt gerichtet werden muss.

 

Anmerkung zu: OLG Celle, Urteil vom 05.03.2014, Az: 7 U 114/13

Bei einem Rechtsstreit hängt die Wirksamkeit einer Sicherungsvereinbarung davon ab, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der AG trägt hierzu vor, dass beim Vertragsabschluss alle Vertragsbestimmungen individuell ausge-handelt worden seien im Rahmen einer fünfstündigen Besprechung, wobei der Vertrag mit sämtlichen Klauseln per Beamer an die Wand projiziert und Zeile für Zeile durchgegangen worden sei, so auch die Regelung zur Vertragserfüllungs-bürgschaft. Änderungen hätten besprochen und im Rahmen einer Einigung aufge-nommen werden können.

Liegt deshalb eine Individualvereinbarung vor?

Nein!

Der AG beruft sich nur darauf, dass „alles“ zur Disposition gestanden habe. Soweit er vorträgt, auch die Sicherungsabreden hätten zur Disposition gestanden und wenn irgendwelche Änderungen gewünscht worden seien, hätte man dies be-rücksichtigt, sei dies floskelhaft. Letztendlich bedeutet dieser Vortrag sogar, dass eingestanden ist, dass es konkrete Verhandlungen dergestalt, dass der AG die Bedeutung der einzelnen Regelungen der Sicherungsvereinbarung erläutert und der AN dies als angemessen akzeptiert habe, nicht gegeben hat. Vielmehr habe der AG die Vertragsklauseln gestellt und bei der Besprechung lediglich erläutert. Der AN habe die Klauseln hingenommen. Dies sei die typische Situation der Verwendung von Vertragsklauseln im Baugewerbe. Vertragsklauseln werden nicht allein dadurch zu einer Individualvereinbarung, dass sie an die Wand projiziert und erläutert werden und dann in unveränderter Form Vertragsinhalt werden. Dadurch würden die Klauseln in ihrem Kerngehalt nicht wirklich zur Disposition gestellt, was aber nach der Rechtsprechung als Mindestvoraussetzung anzusehen ist.

Hinweis:
Die Darlegung eines Aushandelns i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ist praktisch ausgeschlossen, wenn es tatsächlich nicht zu Änderungen gekommen ist.

 

Anmerkung zu: OLG Nürnberg, Urteil vom 27.11.2013 – 6 U 2521/09

Der AN hat dem als Privatmann handelnden AG ein Angebot unterbreitet. An dessen Ende hieß es: „Dem Angebot liegt die VOB zugrunde.“. Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass die VOB/B durch diese Vertragsklausel nicht in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde. Der AG handelte als Privatmann und ohne Unterstützung eines Architekten. Die VOB/B war ihm nicht vertraut. Daher genügt der bloße Hinweis auf die VOB/B nicht, um sie in den Vertrag einzubeziehen.

Hinweis:

Der AN muss seinem zukünftigen Vertragspartner, wenn dieser nicht im Baugewerbe tätig, noch im Baurecht bewandert ist, in geeigneter Weise Gelegenheit geben, sich bei Vertragsabschluss über den vollen Text der VOB/B zu informieren. Demzufolge ist es nicht ausreichend, wenn der AN anbietet, die VOB/B auf Wunsch kostenlos zur Verfügung zu stellen oder in seinen Geschäftsräumen zur Einsichtnahme bereitzustellen. Einer Privatperson muss der komplette Text der VOB/B beweisbar übergeben werden. Gleiches gilt für die VOB/C.

Im kaufmännischen Geschäftsverkehr reicht dagegen der Hinweis auf die VOB/B, um diese in das Vertragsverhältnis einzubeziehen, auch wenn der Geschäftsgegner nicht im Baugewerbe tätig ist.

Anmerkung zu: OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.10.2013, 9 U 84/12

Der Auftragnehmer (AN) legt Fliesen in der Abfüllhalle einer Kelterei. Dies aller-dings fehlerhaft, so dass sich die Fliesen lösen und der gesamte Bodenbelag erneuert werden muss. Hierzu müssen die in der Halle befindlichen Maschinen ab- und wieder aufgebaut und die Halle für einige Zeit geräumt werden. Die Kosten für den Nutzungsausfall muss der AN als Schadensersatz ersetzen. Er will diesen Schaden von seinem Betriebshaftpflichtversicherer erstattet erhalten.

Ohne Erfolg!

Nach Ziffer 1.1 ARB 2008 besteht eine Versicherung nur für Personen oder Sachschäden. Sachschäden sind Schäden an Gegenständen, die nicht gleichzeitig Gegenstand der vertraglichen Werkleistung sind. Dieses ist weder für die Auf- noch für die Abbaukosten noch für den Nutzungsausfall der Fall. Es handelt sich jedoch vorliegend um einen Vermögensschaden, der von der Versicherung nur umfasst ist, wenn er Folge eines anderweitigen Personen- oder Sachschadens ist. Ziffer 1.21.4.1 BB Teil B der Besonderen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung für Bauhandwerker schränkt die Haftung für Vermögensschäden ein. Nach dieser Ausschlussklausel haftet der Versicherer nicht für Vermögensschäden durch von Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte Erzeugnisse, erbrachte Arbeiten oder sonstige Leistungen. Damit sind sämtliche Vermögensschäden ausgeschlossen, die durch die mangelhafte Werkleistung des AN verursacht worden sind.

Hinweis:
Die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (ARB) bilden die Grundlage der meisten Haftpflichtversicherungsverträge. Es erfolgt oft eine Ergänzung durch die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (B). Zur Feststellung der Deckung ist die Prüfung beider Bedingungswerke zwingend erforderlich. Obwohl die wechselseitigen Deckungserweiterungen und Ausschlüsse komplex sind, sind die Regelungen nicht intransparent und scheitern daher nicht an § 305c BGB.

Anmerkung zu: OLG München, Urteil vom 29.10.2013, Az: 9 U 773/13 – BGH, Beschluss vom 10.07.2014, Az: VII ZR 322/13

Erwerber und Bauträger streiten darüber, ob die Erwerber das durch Bauträger-vertrag erworbene Gemeinschaftseigentum bereits abgenommen haben. Es fanden zwei Abnahmetermine statt, zu denen je ein von den Erwerbern unter-zeichnetes Abnahmeprotokoll angefertigt wurde. Die Erwerber hingegen meinen, in diesen beiden Terminen sei es im Wesentlichen nur um die Abnahme der im Sondereigentum gelegenen Teile des Gemeinschaftseigentums gegangen. Die ver-traglichen Regelungen für die Abnahme des übrigen Gemeinschaftseigentums seien nicht eingehalten worden. Hinzu komme, dass das Gemeinschaftseigentum im ersten Termin noch gar nicht fertiggestellt war.

Das OLG München und letztendlich auch der BGH geben dem Bauträger Recht. Das im ersten Termin erstellte und unterzeichnete Abnahmeprotokoll bekundet aus-drücklich die Abnahme des Gemeinschaftseigentums bis auf im Protokoll aufge-führte Restarbeiten, die ihrerseits ausweislich eines weiteren Abnahmeprotokolls im zweiten Termin abgenommen worden seien. Die aufgelisteten Mängel hätten die Erwerber nicht davon abgehalten, eine umfassende Abnahme zu erklären. Selbst wenn die Abnahme wegen Mängeln und Restleistungen objektiv verfrüht gewesen wäre, wäre sie wirksam und könne jedenfalls nicht wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung angefochten werden.

Hinweis:
Es steht dem Besteller frei, auch ein nicht abnahmereifes Werk abzunehmen.

Dies hat der BGH erst kürzlich wieder bestätigt. Umstritten ist, ob die Abnahme auch gegen den Willen des Unternehmers erklärt werden kann, z.B. um in den Anwendungsbereich der Mängelrechte des § 634 BGB zu gelangen.

Anmerkung zu: BGH, Beschluss vom 11.10.2013, Az. VII ZR 97/13

Eine WEG beauftragt einen Architekten mit der Planung und Überwachung von Sanierungsarbeiten an einer Dachterrasse. Zum Jahreswechsel 1998/1999 waren die Sanierungsarbeiten fertiggestellt. Im Oktober 2005 stellte die WEG Feuchtigkeitserscheinungen unterhalb der Dachterrasse fest. In einem selbstständigen Beweisverfahren wird festgestellt, dass die schadensursächliche Schlechtleistung für jeden fachgerecht und sorgfältig handelnden Objektüberwacher erkennbar gewesen sei. Der Architekt wendet hingegen Verjährung ein. Die Verjährung habe im Jahr 1999 begonnen und sei deshalb 2004 abgelaufen.

Die Klage der WEG hat Erfolgt!

Der Architekt ist seiner in Anbetracht der gefahrträchtigen Arbeiten erhöhten Pflicht zur Überwachung und Prüfung der ausgeführten Flächenabdichtung nicht gerecht geworden. Wegen der besonders auffälligen Werkmängel sei davon auszugehen, dass der Architekt die Bauüberwachung der besonders gefahrenträchtigen Gewerke überhaupt nicht oder völlig unzureichend erledigte. Der Beweis des ersten Anscheins spräche dafür, dass bei sachgerechter Bauüberwachung die grob mangelhafte Bauausführung zu erkennen gewesen wäre. Diese Umstände wurden der WEG pflichtwidrig und arglistig verschwiegen. Die für die Arglist maßgebende Verjährungsfrist richtet sich nach der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis von der mangelhaften Bauüberwachung. Kenntnis trat hier erst 2005 ein.

Hinweis:
Die Entscheidung liegt auf der Linie der einschlägigen Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis und zur Arglist. Bei grob mangelhaften Ausführungen spricht zugunsten des Bauherrn der Beweis des ersten Anscheins für eine fehlerhafte Bauüberwachung. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann nur erschüttert werden, wenn der Architekt seine Überwachungsmaßnahmen detailliert darlegt und beweist. Er muss im Einzelnen darlegen, wann er auf der Baustelle war und welche konkreten Arbeiten dabei von ihm überwacht wurden.

 

Anmerkung zu: BGH, Urteil vom 10.10.2013, Az. VII ZR 19/12

Eine Gemeinde beauftragt 1994 ein Ingenieurbüro mit den Leistungsphasen 5 bis 9 im Zusammenhang mit der Errichtung einer kommunalen Kläranlage. Nach dem vom Ingenieurbüro gestellten Formularvertrag soll die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen mit der letzten nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung, spätestens mit Abnahme der Leistungsphase 8 beginnen.

Nach Abschluss der Leistungsphase 8 wird Schlussrechnung gestellt. Diese wird umgehend und vollständig bezahlt. Das OLG sieht darin eine konkludente Abnahme der vom Ingenieur bis dahin erbrachten Leistungen und berechnet von diesem Zeitpunkt an die Verjährung der Mängelansprüche.

Der BGH sieht das anders. Er hebt das Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das OLG zurück. Wird ein Architekt oder Ingenieur mit Leistungen einschließlich der Leistungsphase 9 beauftragt, hat er seine Leistungen erst erbracht, wenn auch die Leistungen gemäß Leistungsphase 9 erfüllt sind. Erst zu diesem Zeitpunkt ist die Leistung abnahmereif und es kommt eine Billigung der Leistung als vertragsgemäß in Betracht.

Wenn bereits mit Abschluss der Leistungsphase 8 Schlussrechnung gelegt wird, ist in der vorzeitigen Bezahlung keine konkludente Abnahme zu sehen, auch keine Teilabnahme der bis zur Leistungsphase 8 erbrachten Leistungen. Eine Teilannahme setzt grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung voraus, in der der Wille zur vorgezogenen Abnahme wegen der schwerwiegenden Folgen der Abnahme klar zum Ausdruck kommen muss. Daran fehlt es, da die Vertragsklausel keine Teilabnahme regelt, sondern den Beginn der Verjährung.

Hinweis:
Architekten sollten in ihren Verträgen einen Anspruch auf Teilabnahme nach Abschluss der Leistungsphase 8 vereinbaren. Eine solche Regelung kann auch in einen Formularvertrag aufgenommen werden.
Es ist nach der Rechtsprechung des BGH außerdem zweifelhaft, ob lediglich in die Erklärung einer Teilabnahme oder eine vertragliche Regelung, die dies vorsieht, gleichzeitig die Vereinbarung dieser Teilabnahme hineininterpretiert werden kann.

 

Anmerkung zu: OLG Frankfurt, Urteil vom 22.12.2011, Az.: 10 U 78/06 – BGH Beschluss vom 25.09.2013 VII ZR 7/12

(Nichtzulassungsbeschwerde zurück-gewiesen)

Der Auftraggeber (AG), eine Wohnungsbaugesellschaft, beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit der digitalen Planerfassung von Wohnungen. Der AN hat hierfür ein Angebot abgegeben. Darin war angegeben, dass „wie besprochen“ von 350 Gebäuden, ca. 2.500 Wohnung und ca. 250 m² Bruttogeschossfläche ausgegangen wird. Während der Abwicklung stellte sich heraus, dass es zu einer erheblichen Erhöhung der Bruttogeschossfläche kommen würde und demzufolge zu nicht abschätzbaren Mehrkosten. Eine Einigung über die Mehrkosten wurde nicht erzielt. Der AG kündigte daraufhin den Vertrag. Der AN rechnete die erbachten Leistungen ab und forderte für nicht erbrachte Leistungen noch einen Betrag in Höhe von ca. 870.000,00 €. Der AG berief sich auf seine angeblich wirksame Kündigung und auf den angeblich vereinbarten Pauschalpreis.

Entscheidung:

Die Klage des AN hatte Erfolg! Das OLG Frankfurt führt aus, dass ein Einheitspreisvertrag zustande gekommen ist. Die Benennung der Bruttogeschossfläche im Angebot des AN stellte nur dessen Vorstellung vom Umfang der aufzumessenden Fläche dar. Der Vertrag sei nicht auf die Flächenangabe beschränkt, sondern habe sich auf alle vorhandenen Pläne und dazugehörigen Objekte erstreckt. Auch stamme die Ursache für die Kostenüberschreitung gegenüber den im Vertrag genannten Gesamtkosten aus der Risikosphäre des AG. Der AG habe aus dem Angebot des AN erkennen können, von welchen Flächen dieser ausgegangen sei. Es lag daher nach Ansicht des OLG Frankfurt kein Fall des § 650 BGB vor. Es liegt deshalb eine freie Kündigung des abgeschlossenen Einheitspreisvertrages vor. Der AG schuldet damit die vereinbarte Vergütung gemäß § 649 BGB.

Hinweis:
Beim Einheitspreisvertrag gehören die Mengen, die für die Ausführung der beauftragten Leistungen erforderlich sind, zum vertraglichen Soll. Die vorgesehenen Mengen sind daher unverbindlich. Dies gilt auch dann, wenn der Auftrag zu einem fest vereinbarten Preis erteilt wurde.